Weinbergskitsch

Shanghai Malu Trauben-Themenpark

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 25. Juli 2020


CHINA (Shanghai) – In westlichen Augen ist der Chinese zuweilen laut, schmatzt und rülpst beim Essen, liebt Buntes, Edles und lockt zuweilen mit überschwänglichen Versprechungen. Wenn es dann nicht passt, egal. Als Reisender, dessen Gastgeber wissen, dass man auch im Weinbereich aktiv ist, war der Vorschlag, einen freien Nachmittag statt in Shopping-Malls in einem Traubenpark zu verbringen, nicht von der Hand zu weisen. Man ist ja höflich und weiß, dass ein „Nein“ die chinesische Seele kränkt.

Gerade jetzt beginnt in Shanghai, ja, Sie haben richtig gelesen, in diesem urbanen Moloch, die Reifephase der Weintrauben. Die Erntesaison steht bevor und Interessierte sind eingeladen, zuzusehen oder mitzuhelfen. Ja, ein Weinberg und Traubenlese in Shanghai, das hat was. Also auf Trauben-Themenpark, einem charakteristischen landwirtschaftlichen Park, so wie Chinesen sich dies vorstellen. Am Eingang ist zu lesen, dass hier wissenschaftliche Forschung, basierend auf staatlicher Förderung, sowie Ausbildung und Erholung geboten werden. Auch einen weiteren Text lasse ich mir übersetzen: „Der Park bietet Besuchern die Möglichkeit, die erstklassigen Trauben und die wunderschöne ländliche Umgebung zu genießen.“

Popularisierung von Traubenwissen

Irgendwie steigen in mir Zweifel auf. Der Trauben-Themenpark im Jiading-Distrikt ist sicherlich nur einer von vielen „merkwürdigen“ Themenparks in Chinas Metropolen, in denen Wissen meist auf eine kitschige Art präsentiert wird. Hier soll sich „Shanghais Quelle für Wissen und Forschung über Trauben vereinen“, sagen meine Gastgeber. Eigentlich ist es ein 2005 gegründetes Weingut, dessen so gepriesene Attraktionen etwa 33 Hektar umfassen. Aus der beim Eintritt ausgehändigten Broschüre übersetzen meine Gastgeber: „Beim Malu-Traubenpark handelt es sich um eine umfassende Basis mit der Funktion der Traubenforschung, Produktion, Pflanzung, Ausbildung und Popularisierung von Traubenwissen“ – aha, verstehe, so eine Art Trauben-Universität.

Die beschriebenen Funktionen des Parks enden allerdings nach Abschluss der Traubenlese im September, bis dahin sind Besucher ab der Blüte im Frühjahr willkommen. Doch wo ist der Weinberg? Den Boulevard dorthin säumen nervige Händler mit mehr oder weniger „weinigen“ Souvenirs. Die 30 RMB, umgerechnet 3,75 Euro Eintrittspreis, erscheinen mir eher als vernachlässigbar. Und dann kommt das, was ich schon erwartet hatte: Das Besucherzentrum lässt sich nicht umgehen, die Wegführung gleicht der einer Mall, wie bei Carrefour, also es geht in Menschentrauben nur so dahin, wie es sich der Betreiber gedacht hat. Einen Weinberg zu betreten, ist vorerst nicht vorgesehen – erst sind Infotafeln zu studieren, und es kann Wein aus den Trauben des Parks probiert werden.

Zweifelhafte Weinqualität

Vier Weinsorten stehen zur Auswahl, spucken tut hier keiner – ich mache es trotzdem in ein zweites Glas. Meine Gastgeber und ich sind sicher, dass diese Weine bei den großen Malls der Stadt in den Regalen neben ihren „Billig-Kollegen“ stehen. Ein Führer, der uns begleitet, schwört, dass es sich um Qualitätsweine handelt. Apropos, Trauben kann man hier auch kaufen und mit nach Hause nehmen. Das Kilogramm kostet 60 RMB (rund 7,50 Euro) gegenüber 70 RMB (rund 8,75) im Ladengeschäft in der City. Wir haben dankend abgelehnt.

Nach Durchqueren des Besucherzentrums darf man etwas freier lustwandeln. Die ab hier sichtbaren Weinberge sind allerdings nicht zugänglich. Irgendwie logisch, dass der Parkbetreiber die Rebflächen abriegelt – man stelle sich Menschenmassen vor, die unkontrolliert, ohne fachmännische Begleitung einen Weinberg niedertrampeln.

Geschenkt

Und dann kommt sie, wie in allen Themenparks üblich: die „Traubenwissen-Popularisierungs-Galerie“, wo versucht wird, die Geschichte der Traube zu erläutern. Auf die Übersetzung der vielen Textinformationen habe ich verzichtet. Und dann sehen wir einen süßen Esel, der im monotonen Rundgang einen Mahlstein in Bewegung hält. Anschließend finden wir eine Streichelfarm mit Kaninchen, Hasen und Ziegen und noch einen Kinderspielplatz, ein Angebot, dass die Kleinen bei Laune halten soll. Für die City-Kids, geboren in diesem Moloch von Stadt, ist das okay – Traubennaschen und Spielen gefällt jedem Kind.

„Leider“ war der „Liebesbereich“, bestehend aus Holzbänken unter verflochtenen Reben, an denen köstliche Trauben reifen, noch geschlossen, weil die Trauben noch nicht ganz reif sind, heißt es auf Nachfrage. Mein Eindruck des Ganzen: geschenkt – im wahrsten Sinne des Wortes. Was sollte ich meinen Gastgebern sagen? Ich habe es mit der Wahrheit versucht. Das war auch gut so, denn sie schienen nicht beleidigt zu sein. Sie wissen nun, dass sie mich in solche Themenparks nicht mehr einladen müssen.

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