Tenuta di Castellaro, Lipari

Feuer, Wasser, Wind und Wein 

Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.

Bio-Weine aus autochthonen Rebsorten, Alberelli mit einer Stockdichte von 9000 Pflanzen auf vulkanischen Böden und ein bioenergetisches Kellereigebäude: Die Tenuta di Castellaro auf Lipari pflegt die Extreme. 

Die Liparischen Inseln sind ein Spielball der Elemente, Wind, Wasser, Feuer und Erde. Deshalb benannte man sie wohl auch in der Antike zum Sitz des Windgottes Äolus, ihr italienischer Name Äolische Inseln (Ital.: Isole Eolie) ist ihnen bis heute geblieben. Die Inselgrupppe im Nordwesten Siziliens ist tektonisch fragiles, vulkanisches Gebiet: Sie liegt auf einer Linie mit dem Ätna und Vesuv, auf Stromboli spuckt der einzige aktive Vulkan Europas täglich Feuer, der Gran Cratere auf Vulcano schlummert hingegen bereits seit 1890. Aber die vulkanischen Böden sind auch gutes Terrain für Wein: Über die Jahrhunderte wurde Wein produziert und nach Italien und zum Rest Europas verschifft.
Als der Bergamasker Unternehmer Massimo Lentsch 2005 bei einem Segeltörn vor der Insel Lipari ankerte, war dieses Erbe zumindest dort etwas verstaubt. Reben sah man zwar noch vereinzelt, Wein gab es aber keinen mehr. Das sollte sich ändern, dachte Lentsch bei einem Spaziergang auf die Hochebene von Castellaro. Im Weiler Quattropani entdeckte er eine Lage, die ihm ideal schien, um dort Reben zu pflanzen: 350 Meter über dem Meer, mit einem herrlichen Ausblick auf Alicudi, Filicudi und Salina, drei der insgesamt 20 Inseln der Gruppe. «Es muss wohl ein Sonnenuntergang gewesen sein, der mich so inspiriert hat», erinnert er sich, «denn das alles sah so pittoresk aus, fast wie ein Gemälde.» Schon wenig später vervielfältigte er ein Blatt Papier, und nagelte es in Postämtern, Metzgereien und Bäckereien an die Wand: Er wolle Reben kaufen, schrieb er, Interessenten sollten sich bei ihm melden. «Mein Telefon stand nicht mehr still: Innerhalb weniger Tage haben sich mehr als einhundert Personen gemeldet», erzählt Lentsch, «das war die Basis der Tenuta di Castellaro.» 

Know-how vom Ätna

Aber der Neo-Winzer hatte vorerst nur Rebberge, was ihm fehlte war ein Experte für Weinbau auf vulkanischen Böden. So kontaktierte er den Agronomen und Önologen Salvo Foti, der am Ätna die «I Vigneri» anführte, ein Konsortium von «autochthonen» Reb- und Kellerexperten. Das Konsortium pflegt in ganzheitlicher Weise den Alberello Etneo, das traditionelle Buschbäumchen des Ätna, und keltert zum Teil in Mikrolagen Terroirweine. Foti winkte zuerst einmal ab: Zu windig, zu kühl sei die Lage, nichts für Weinbau, und auch die Logistik der Insel weit vor dem sizilianischen Mutterland sei ein Problem. 
Doch Massimo Lentsch gab nicht auf und schliesslich stimmte Foti zu. Das Projekt sollte aber von Beginn an auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden: Von den auf der Insel gefundenen Pflanzen der Rebsorten Malvasia delle Lipari und Corinto Nero wurden gemeinsam mit einem französischen Rebexperten genetische Reproduktionen gezogen und nur die widerstandsfähigsten Reben weitergezüchtet und ab 2008 auf den vulkanisch-sandigen Böden ausgepflanzt. Lentsch: «Corinto Nero war damals in Gefahr, völlig zu verschwinden. Mit unserer Selektion haben wir die Rebsorte wiederbelebt und sind inzwischen gar der grösste Produzent.» Für die bekannteste Sorte der Liparischen Inseln war allerdings Castellaro nicht geeignet: «Für die weisse Malvasia war die Lage zu kühl,» erinnert sich Salvo Foti, «da fanden wir bei Cappero nahe dem Meer die ideale Position, in der die Trauben viel Zucker akkumulieren. Dort wird unser Passito gekeltert.» 

«Lipari ist heroischer Weinbau: Fast alles wird händisch gemacht, jede einzelne Rebe persönlich gepflegt.»

Malvasia ist die perfekte Sorte für die Liparischen Inseln, Basis des Malvasia delle Lipari DOC: Sie ist gegen Salz weitgehend resistent. Vorzeitig gelesen ergibt sie trockene Weine mit optimaler Säure und Noten von aromatischen Kräutern und Blumen. Ihre ganze Aromenvielfalt spielt sie aber aus, wenn die Trauben spät gelesen oder für den Passito angetrocknet werden: Dann kommt zur Salzigkeit noch ein Aromen­spektrum, das an mediterrane Macchia, Honig, Nüsse und Blüten erinnert. In der heutigen Produktion der Tenuta di Castellaro bilden aber auch Rebsorten vom sizilianischen Festland die Basis einer Handvoll weisser, rosé und Rotweine: Carricante, Moscato und Nerello Mascalese vor allem, allesamt hervorragend geeignet für vulkanische Böden, was sie auch auf Pantelleria und am Ätna beweisen. Gezogen werden alle am Alberello Etneo in Kandelaberform. Gelesen werden nur 1 bis 1,5 Kilogramm Trauben pro Pflanze. Die Wurzeln des Alberello reichen in eine Tiefe von bis zu zwei Metern und ziehen vor allem Mineralsalze aus den vulkanisch-sandigen Böden, die alle Weine prägen. Inmitten der nach biologischen Richtlinien bewirtschafteten Rebberge auf Castellaro wurde 2013 auch die Kellerei errichtet: Ein in die Landschaft integrierter moderner bioenergetischer Komplex, in dem möglichst naturnah gearbeitet wird. Mit den aktuellen 30 Hektar Fläche – 18 davon bepflanzt – und einer künftigen Produktion von 100 000 bis 150 000 Flaschen sei allerdings das Maximum auf Lipari erreicht, meint Lentsch. Er sei damit schon bei Weitem der grösste Produzent der Liparischen Inseln, für mehr Rebberge wäre auch der logistische Aufwand schlicht zu gross. Aber das vulkanisches Terroir lässt ihn nicht los: Deshalb hat er an der Nordseite des Ätna bei Passopisciaro ein Gut erworben, wo er Ätna-Weine produziert. Natürlich wieder mit der Hilfe von Salvo Foti. «Im Vergleich zu Lipari ist der Weinbau am Ätna einfach», meint Lentsch, «auf der Tenuta di Castellaro ist alles sehr viel komplexer. Fast alles wird händisch gemacht, jede einzelne Rebe persönlich gepflegt, die Natur ist omnipräsent: Es ist noch heroischer Weinbau.» Davon spürt man aber nur die angenehmsten Seiten, wenn man schliesslich auf der Terrasse der Tenuta di Castellaro sitzt: Die Weine – vom weissen Bianco Pomino über den roten Nero Ossidiana bis zum goldenen Malvasia Passito – funkeln im Glas, während die Sonne hinter den Inseln im Meer versinkt. Dass das ein besonderer Moment ist, weiss auch Massimo Lentsch, deshalb beginnen die Degustationen für Besucher stets eine Stunde vor Sonnenuntergang. «Mit der Sonne, dem Wind und dem Meer ist das dann ein 360-Grad-Erlebnis der Äolischen Inseln», meint der Winzer, «und unsere Weine sind ein Teil davon.»

Weine im Clubpaket

IGT Terre Siciliane Bianco Pomice 2017

2019 bis 2024

Jugendliches, glänzendes Strohgelb; in der Nase fruchtig-blumig, Noten von Zitrusfrüchten, mediterraner Macchia, Bittermandeln; am Gaumen elegant und saftig, kombiniert die Struktur der Malvasia mit der Eleganz der Carricante, mineralisch-salziges Finale.

Mariage: zu Fisch-Antipasti, Meeresfrüchterisotto, gegrilltem Seefisch.

IGT Terre Siciliane Bianco Porticello 2017 

2019 bis 2022

Strohgelb mit grünen Reflexen; das Bouquet herbal-fruchtig mit Apfelnoten; frischer Auftakt, kompakt, mit gut eingebundener vifer Säure und mineralischem Abgang. Besitzt Finesse und auch Reifepotenzial. 

Mariage: Pasta mit Meeresfrüchten, Seebrasse, auch Forelle Blau.

IGT Terre Siciliane Rosso Nero Ossidiana 2014

2019 bis 2025 

Purpurrot mit violetten Nuancen; duftet nach Kirschen und Gewürzen, mediterraner Macchia und Tabak; füllige Textur mit feinkörnigem Tannin und belebender Säure, elegant und finessenreich bis ins Finish.

Mariage: hervorragend zu dunklem Fleisch oder würzigen Fischgerichten.