Ein Münchner „Wein-Graf“ als Gutsbesitzer in Südfrankreich

08.01.2013 - R.KNOLL

FRANKREICH (Albi) - „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ Diese Sparkassenwerbung ist bekannt. Man könnte sie mit „mein Weingut“ erweitern. Denn es ist nicht mehr ungewöhnlich, dass sich gut betuchte Leute eine solche spezielle Pretiose leisten. Der bekannteste auf diesem Feld ist sicher TV-Moderator Günther Jauch, der 2010 das Saar-Gut von Othegraven übernahm, sich hier durchaus intensiv einbringt und auf Messen präsentiert. Aber ebenfalls nicht ganz unbedeutend ist schon aufgrund seiner Familiengeschichte der Münchner Graf Ferdinand von Thun und Hohenstein, der 1999 Château de Frausseilles im Südwesten Frankreichs erwarb und seitdem etliche Monate des Jahres dort lebt.

 

Er entstammt einem österreichischen Adelsgeschlecht, dessen Geschichte sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Die von Thun und Hohenstein stellten im Lauf der Jahrhunderte Bischöfe, Erzbischöfe, Kardinäle und sogar einmal kurzzeitig einen österreichischen Ministerpräsidenten. 1911, acht Jahre vor Abschaffung des Adels in Austria, kam es sogar zur Erhebung in den Fürstenstand. Wäre es dabei geblieben, müsste man Ferdinand von Thun und Hohenstein nach den klassischen Benimmregeln als „Durchlaucht“ ansprechen.

Was ihm vermutlich weniger gefallen würde. Denn er hält sich lieber etwas im Hintergrund, erzählt ungern, was er normal treibt und genießt am liebsten feine Weine und gutes Essen. Beruflich war er früher als Anwalt tätig und außerdem gut im Immobiliengeschäft vertreten. Mit dem Schauspieler Friedrich von Thun ist er übrigens nicht verwandt, der entstammt einer anderen Adelslinie.

Seine innige Beziehung zum Wein über den Genuss hinaus begann 1998, als ihm ein nach Südfrankreich ausgewanderter Münchner sein Weingut zum Kauf anbot. „Tun oder lassen“, überlegte Graf von Thun und Hohenstein ein Weilchen. Dann schlug er in ein ungewöhnliches Tauschgeschäft ein: Münchner Immobilien gegen Weingut. So wurde er Besitzer eines damals etwas morbiden Betriebs unweit der mittelalterlichen Stadt Albi mit 27 Hektar. Das Château hatte zwar früher sogar Abnehmer in Paris, machte aber damals nicht mehr auf sich aufmerksam, arbeitete mit lokalen Rebsorten wie Braucol und Duras und lieferte den Ertrag an eine Genossenschaft ab.

Der neue Eigentümer holte sich den bekannten italienischen Önologen Dr. Riccardo Cotarella als Ratgeber. Der „Weinflüsterer“, wie ihn seine Fans nennen, ist u.a. spezialisiert auf das Zusammenspiel Terroir mit Rebsorten. Er erkannte schnell, dass in dem Hügelland in der Appellation Gaillac Sorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Syrah sehr gute Bedingungen vorfinden. So wurden rund 15 Hektar neu angelegt. „Weinbau sollte für mich kein Hobby sein, ich wollte die Sache von Anfang an ernsthaft angehen“, erzählt der 61-Jährige im Rückblick. Er nahm in Kauf, dass sein bereits im 13. Jahrhundert erwähntes Château (dessen Gebäude renoviert wurde) den Appellationsstatus verlor, weil er mit anderen Sorten arbeitete. Seitdem sind seine Weine als Vin de pays des Côtes du Tarn deklariert, das Weingut heißt inzwischen Domaine du Comte de Thun.

Die ersten Jahre war eine deutsche Önologin für ihn tätig. Seit 2007 ist mit Dr. Orlando Caparro ein Cotarella-Schüler mit einem kleinen Team vor Ort für die Weine verantwortlich. Nicht alles wird selbst gefüllt. Rund 50 Prozent der Ernte verkauft man, wie in der Vergangenheit, an eine Kooperative. Stolz ist Ferdinand von Thun und Hohenstein auf seine beiden Spitzenweine La Maze (Merlot) und La Tarabelle (Syrah), die jeweils einige Jahre reifen dürfen und gutes Lagerpotenzial haben. Die Entwicklung war nicht immer gleichmäßig. Der 2001er Merlot prunkt zwar heute mit einem tollen Fruchtaroma, präsentiert sich aber im Geschmack etwas grün, während 2005 und 2008 überzeugende, international vorzeigbare Weine sind. Beim Syrah übertrifft der unter Spannung stehende 2004er deutlich den 2007er, während der 2008er wieder ein animierender, wenngleich noch zu junger Tropfen ist.

Die Erträge sind bei diesen Weinen extrem niedrig (15 bis 20 hl/ha), von jedem Jahrgang werden nur jeweils rund 5000 Flaschen gefüllt. Die Preise liegen über 30 Euro. Günstiger (um 15 Euro) und nicht viel schwächer ist der würzige, kraftvolle Zweitwein La Parrazal, eine Cuvée von Merlot, Cabernet Sauvignon und Franc sowie Syrah, von dem 2008 der aktuelle Jahrgang ist und die Auflage immerhin 30 000 Flaschen beträgt. Auch einige Münchner Top-Restaurants wie das Tantris, der Königshof und Werneckhof haben diesen Wein (und die Erstweine) gelistet.

Das Weingut selbst erzeugt nicht ausschließlich Rotweine. Es gibt auch etwas Semillon und Sauvignon blanc. 2007 wurde diese Kombination für einen saftigen, von guter Säure geprägten Süßwein genutzt. Der Weingraf will auf diesem Feld noch aktiver werden. Deshalb hat er sich über gute Freunde den badischen Önologen Edgar Auer als gelegentlichen Berater ins Haus geholt, weil der mehr Erfahrung mit weißen Sorten hat und beim Jahrgang 2012 bereits einige wichtige Anregungen gab. „Damit sind wir das europäischste Weingut Europas“, lacht Ferdinand Graf von Thun und Hohenstein. „Ein Inhaber mit österreichischen Wurzeln, mit Susanne Klimek eine deutsche Geschäftsführerin und ein deutscher Weißwein-Experte als Berater, dazu italienische Önologen und das alles auf französischem Boden.“

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