Katharina, das Naturtalent

03.11.2010 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Westhofen) - Der Zufall führte Regie. Und er tat das gut. Tatort: Berlin. Der Verband der Prädikatsweingüter hatte zum 100-Jährigen geladen. Mitglieder und Gäste versammelten sich in der Nachbarschaft des Berliner Doms, um bald zum Festabend zu schreiten. Plötzlich wurde Gerhard Gutzler aus Rheinhessen gesichtet, der in diesem Gebiet seit etlichen Jahren zu den besten Rotweinerzeugern gehört, ungefähr genauso lang exzellente Brände erzeugt und seit einiger Zeit auch bei Riesling Gas gibt. An seiner Seite eine unbekannte junge Dame. „Nicht das, was du denkst“, meinte der Gundheimer bei der Begrüßung. Er erinnerte sich offenbar daran, dass er mir ein paar Monate zuvor gesagt hatte, ich solle in einem Weinführer nicht mehr schreiben, dass es an seiner Seite einen ruhenden Pol gibt („meine Frau und ich, wir haben uns getrennt“, kam dann als Geständnis). Jetzt die Vorstellung: „Das ist Frau Wechsler, mein Lehrling.“

 

„Und angehende Winzerin“, ergänzte Frau Wechsler, die so gar nicht nach Azubi aussah, sondern eher wie aus einem Modemagazin entsprungen. Aber sie hatte die Neugier des Journalisten geweckt. „Wie lang schon?“, lautete die Frage. „Seit Dezember 2009. Die nächste Station wird Keller in Flörsheim-Dalsheim sein.“ Das ließ Ambitionen erkennen. „Gibt es schon Wein von der Jungwinzerin“, wurde gefragt. „Ja, Riesling und Silvaner.“ „Auch zum Probieren?“. „Wenn sie wollen, schicke ich gern zwei Fläschchen.“ Wir tauschten die Visitenkarten. Ein paar Tage später waren die Probeflaschen eingetroffen. „Zuverlässig ist sie“, dachte ich in Erinnerung an manche Winzer, die Vergesslichkeit zum Credo gemacht haben.

Ihre Vita hatte sie gleich beigesteuert. Der war zu entnehmen: 31 Jahre jung, ledig, geboren in Worms, aufgewachsen in Westhofen, wo die Eltern einen Fassweinbetrieb mit 17 Hektar hatten. Dann nach dem Gymnasium in der Nibelungenstadt Studium der französischen Literatur in Paris, anschließend weiter auf der Studienbank an der Uni Stuttgart mit den Fächern Politikwissenschaft, Sozialwissenschaft, Volkswirtschaft bis 2003. Danach diverse Praktikas und Tätigkeiten bis hin zu drei Monaten in Rio de Janeira bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, schließlich journalistische Tätigkeit bei Sat.1 und anschließend bei einer TV-Produktion und einer Presseagentur in Berlin. Fünfsprachig mit Englisch, Französisch, Portugiesisch und Latein als Fremdsprachen. Passte eigentlich alles nicht so recht zu einer angehenden Winzerin.

Entsprechend niedrig geschraubt wurden die Erwartungen an Riesling und Silvaner. Dann die Probe der 2009er. Der Riesling duftete angenehm nach Zitrus und Grapefruit, zeigte Spiel und guten Nerv. Der Silvaner entwickelte einen feinen Kräuterduft, war auf der Zunge zugleich cremig und feingliedrig und hatte eine zarte, delikate Würze. Hoppala, wir nehmen alles zurück von der Vermutung, dass da eine junge Frau nur der Mode, auch mal Weinmacherin zu sein, nachläuft. Das waren zwei sehr ernsthafte Weine mit einer guten, überzeugenden Handschrift, die Naturtalent verrieten.

Sicherlich hatte ihr Vater Ernst Wechsler (68) auf seinen Fluren in Westhofen gute Vorarbeit geleistet bei den Flächen, die er Katharina zur Verfügung stellte. Aber sie hatte offenbar auch bei ihrem kellerwirtschaftlichen Praktikum im Herbst 2009 in der Winzergenossenschaft Westhofen sowie anschließend bei Gerhard Gutzler sehr gut aufgepasst und aus ausgezeichnetem Traubenmaterial richtig spannende Weine erzeugt.

Als junges Mädchen wollte sie weit, weit weg aus Rheinhessen. „Ich habe gern in Großstädten gelebt.“ Aber irgendwann in 2009 kam der Ruf aus der Heimat. Ihr Bruder und ihre Schwester wollten nichts mit Weinbau zu tun haben. Katharina Wechsler war plötzlich dafür zu haben, packte ihre Koffer in Berlin und kehrte heim nach Westhofen. Die Freunde in Berlin besucht sie noch gelegentlich, aber ansonsten investiert sie viel Zeit in den Weinbau und ihre Ausbildung.

Dass sie vom ersten Jahrgang nur jeweils tausend Liter produzierte und die Flaschen als Nobody sehr preiswert verkaufen muss (Silvaner 6,50, Riesling 5,50 Euro), stört sie nicht. „Ich bin nicht anspruchsvoll und komme mit wenig aus“, lacht sie fröhlich. Inzwischen hat sie auch den 2010er eingebracht, mit Weißburgunder als Ergänzung. „War wie überall nicht einfach“, resümiert sie. „Doch ich bin mit dem Ergebnis zufrieden“. Den Weinen will sie etwas Reife gönnen. Da sie sich bislang wenig um den Verkauf kümmerte, ist von 2009 noch einiges da. Man sollte sich trotzdem sputen, bei diesen Preisen…

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