Westschweizer Spitzenweine

A Star is born!

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Pollari

Die Sorte Savagnin Blanc, in der Westschweiz auch als Heida, Païen oder gar Traminer bekannt, wird immer mehr zum Garanten für weisse Spitzenweine, die in faszinierender Weise sensorischen Reichtum, Würze und saftig animierenden Schmelz in sich vereinen. Die Verkosterinnen und Verkoster unseres VINUM-Profipanels zeigten sich begeistert und bescherten den Westschweizer Spezialitäten einen rekordverdächtig hohen Notendurchschnitt. Die Walliser Crus dominierten und belegten die ersten sechs Plätze.

Ohne Frage hat die Sorte Savagnin in der Schweiz eine der spannendsten Weingeschichten geschrieben, nämlich jene vom Heida in Visperterminen. Hier am Taleingang des Vispertals hat eine eigenständige Dorfgemeinschaft, die sich stolz als «Tärbiner» bezeichnet, über viele Jahrhunderte hinweg auf schieferhaltigen Böden und in einem trockenen, vom Föhn begünstigten Klima ihren ureigenen Wein angebaut und gekeltert. Denn an Visperterminen, das isoliert in einem Winkel der Alpen liegt, sind die Trends und Moden im Weinbau glücklicherweise folgenlos vorbeigezogen. Ob sie nun hier, 1150 Meter über Meer, wirklich den höchsten Weinberg Europas bewirtschaften oder, wie sie es heute selber etwas bescheidener formulieren, «den höchsten Weinberg nördlich des Alpenhauptkammes», ist gar nicht so wichtig. Klar ist, dass die Hauptlage unterhalb des Dorfes, der nach Südwesten ausgerichtete Reben, die stolze 25 Hektar umfasst, ein einzigartiges, alpines Rebmonument ist. In unzählige Kleinstterrassen unterteilt, die von Trockenmauern gehalten werden, überwindet dieser Rebberg auf engstem Raum nicht weniger als 500 Höhenmeter. 17 Hektar sind in Visperterminen insgesamt mit Heida bepflanzt, und die Weine, die daraus gekeltert werden, waren noch nie so gut wie heute. Die Basis dazu war die Gründung der St. Jodern Kellerei, die 1980 erstmals die Trauben ihrer Genossenschafter vinifizieren konnte. Heute liefern 460 Winzer der Kellerei ihre Trauben, aus denen rund 400 000 Flaschen Wein gekeltert werden. Zu den Flaggschiff-Weinen des Hauses gehören zwei stilprägende Heida-Selektionen: Der Grand Cru, der mit dem Jahrgang 2019 erstmals vinifiziert worden ist, stammt von ausgewählten Parzellen und wird mit ertragsreduzierten 800 Gramm pro Quadratmeter produziert und ausschliesslich im Stahltank vinifiziert. Wenn er nach zwei Jahren Reife auf den Markt kommt, überzeugt er mit seinem kernig-frischen, beschwingt-saftigen und puristisch-sortentypischen Charakter. Das andere Highlight ist der Heida Veritas, eine in Stahltanks und Tonamphoren veredelte Selektion aus wurzelechten, über hundertjährigen Heida-Stöcken, die in den etwas tiefer im Tal gelegenen Lagen Wanne und Sattelsonne wachsen. Dass diese ungepfropften Reben nicht von der Reblaus befallen werden, ist auch auf das stetige Erneuern der Stöcke mittels der Versannes-Methode zurückzuführen. Dabei werden entlang der Rebreihen tiefe Gräben ausgehoben, in die die alten Rebstöcke vollständig eingegraben werden, wobei jene Triebe durch die Erddecke gezogen werden, die dann die neuen, wiederum wurzelechten Rebstöcke ergeben sollen. Dank einiger Weinbauern in Visperterminen, die diese «ancestrale» Verjüngungsmethode nie aufgegeben haben, kann die St. Jodern Kellerei nun heute den Veritas produzieren, ein sehr ausdrucksstarker, manchmal fast barock vielschichtiger, aber doch stets auch saftig-beschwingter und auch salzig mineralischer Wein.

Das Wallis – eine Klasse für sich!

Mit dem Grand Cru und dem Veritas hat die St. Jodern Kellerei bei diesem VINUM-Profipanel die besondere Stellung von Visperterminen bezüglich der Sorte Heida bestätigt. Und doch gilt es festzustellen, dass die Visperterminer den Heida längst nicht mehr als ihre Spezialität reklamieren dürfen. Bis Anfang der 1990er Jahre kam immerhin die Hälfte des Walliser Heida aus Visperterminen, doch seither hat sich die Rebfläche über den ganzen Kanton hinweg verzehnfacht. Und nicht nur das. Auch im Waadtland und in Genf bringt die Sorte heute hervorragende Weine hervor. So ist das Gewächs zur siebtwichtigsten Weissweinsorte der Schweiz aufgestiegen mit einer Anbaufläche von 226 Hektar, Tendenz weiter steigend. Diese Entwicklung berücksichtigend, sind in diesem VINUM-Profipanel zwölf Weine aus dem Kanton Wallis, sieben Weine aus dem Kanton Waadt sowie jeweils drei Weine aus dem Kanton Genf und der Drei-Seen-Region verkostet worden. Dabei zeigt sich, dass das Wallis bei dieser Sorte, die im oberen Teil des Kantons den Namen Heida trägt und im unteren Teil mehrheitlich Païen genannt wird, immer klar den Ton angibt. So klassierten sich auf den ersten sechs Plätzen dieses Panels ausschliesslich Crus aus dem Wallis.

Auf dem ersten Platz landete dabei der Heida eines Weingutes, das bei den VINUM-Profipanels mit einer beeindruckenden Regelmässigkeit für Topplatzierungen sorgt. Der Heida Les Pyramides 2022 vom Weingut Nouveau Salquenen in Salgesch distanzierte die Konkurrenz deutlich. Die Trauben stammen aus verschiedenen Parzellen mit lehmhaltigen Böden zwischen Turtmann und Venthône, rund 750 Meter über Meer gelegen. Vergoren und ausgebaut in mehrheitlich neuen Barriques aus französischer Eiche durchläuft der Wein nur teilweise den biologischen Säureabbau. So entsteht ein Wein, der in perfekter Weise aromatische Fülle und Vielschichtigkeit mit einer saftigen Frische verbindet. Dass die Sorte aber genauso im Unterwallis ein Garant für Topweine ist, beweisen der Heida Champortay 2022 (2. Platz) und der Païen Les Serpentines 2021 (4. Platz) der Domaine Gérald Besse. Für beide Weine reiften die Trauben in den Terrassen-Rebgärten von Martigny rund 620 Meter über Meer auf granithaltigen, kargen Böden mit wenig Ton. Interessant ist die Vinifikation der Weine, bei der die hohe Säure mit etwas Restsüsse abgepuffert wird. Der Païen Les Serpentines 2021 beispielsweise, der in gebrauchten Barriques ohne Säureabbau vinifiziert worden ist, weist beeindruckende 9,7 Gramm Säure auf, bei einem Restzuckergehalt von 7,2 Gramm. So entsteht ein knackiger und doch fruchtbetonter Wein, der von allen Verkosterinnen und Verkostern als «frischer Savagnin-Typ» eingestuft worden ist und in seiner Art durchaus an einen deutschen Riesling erinnert.

Dass der Savagnin Blanc für Weinliebhaber noch immer schwer zu fassen ist, liegt an der verwirrenden Namensgebung und den sensorisch verschiedenen Spielarten der Sorte. So sind die Begriffe Heida, Païen und bedingt auch Traminer allsamt Synonyme für Savagnin Blanc und bezeichnen folglich allesamt die gleiche Rebsorte. Der Gewürztraminer hingegen gilt, obwohl genetisch ebenfalls identisch mit dem Savagnin Blanc, als eigenständige Mutation der Sorte, was sich sowohl bei der Farbe – im Gegensatz zu den goldgelben Savagnin-Trauben zeigen sich die Gewürztraminer-Trauben eher rosa – als auch bei der Aromatik zeigt. Denn diese ist beim Gewürztraminer mit seinen Noten von Rosen und Litschi bedeutend aromatischer als beim Savagnin Blanc. Für zusätzliche Verwirrung sorgen die Winzer von Vully. Denn der von ihnen verwendete Namen Traminer verweist eigentlich auf den Savagnin Blanc, doch was sie in Tat und Wahrheit anbauen, ist Gewürztraminer, wie etwa der expressive Cru von der Domaine du Petit Château klar zeigt. Weit weniger klar sind diese Unterschiede dann aber beim Traminer Nature Orange von der gleichen Domaine. Durch die Maischegärung verringern sich die sensorischen Unterschiede zwischen den Savagnin-Typen. Im Orange zeigen Savagnin Blanc und Gewürztraminer viel eher ihre Verwandtschaft.


Karin Wymann
Weinhändlerin, Zürich

Ihr Favorit: Heida Les Pyramides 2022 von Nouveau Salquenen, Diego Mathier, Salgesch VS

«Nach dieser Probe frage ich mich, warum die Sorte Savagnin in der Deutschschweiz immer noch ein Geheimtipp ist. Denn ohne Zweifel gibt die Sorte den Westschweizer Winzern die Möglichkeit, Topweine nach ihrem individuellen Geschmack zu formen, etwa indem sie mit Maischestandzeiten oder Holzausbau arbeiten. Etwas verwirrend ist, dass die Sorte von Region zu Region anders genannt wird.»

Ivan Barbic
Weinhändler und Consultant, Zürich

Sein Favorit: Païen Les Serpen-tines 2021 von Domaine Gérald Besser, Martigny-Croix VS

«Der Savagnin eröffnet den Winzern ein Spielfeld, um Weine verschiedenster Stilistiken in die Flasche zu bringen. So war auch fast kein Wein ähnlich wie die anderen. Die Abgrenzung zum Gewürztraminer mag nicht immer ganz klar sein, doch die für mich gelungensten Savagnin-Typen vereinen Extrovertiertheit mit Struktur, ja oft sogar auch mit Finesse. Und die Weine haben klares Entwicklungspotenzial.»

 

Lidwina Weh
Sommelière, Wohlen

Ihr Favorit: Heida Veritas 2020 von St. Jodern Kellerei, Visperterminen VS

«Für mich ist diese Rebsorte ein absoluter Trumpf im Schweizer Weinbau. Das wurde hier nachdrücklich bewiesen! Die Weine zeigten sich intensiv und charakteristisch. Eine Sorte für alle, die ausdrucksstarke, aber nicht plumpe, sondern beschwingte Weissweine lieben. Die Rebsorte zeigt eine positiv überraschende Bandbreite unterschiedlicher Varianten. Genau diese Viel-fältigkeit machte die Probe so interessant.»

 

Miriam Grischott
Wein-Educator  und Consultant, Küsnacht

Ihr Favorit: Heida Les Pyramides 2022 von Nouveau Salquenen, Diego Mathier, Salgesch VS

«Die Probe beweist, dass die Sorte Savagnin in der Westschweiz zu den interessantesten Weissweinsorten gehört. Ein gelungener Savagnin ist würzig und gehaltvoll, aber dank der präsenten Säure kein plumper Wein. Mit ihrer Umami-Charakteristik sind es fordernde Weine, die nach Essen verlangen. Eine tolle Sorte, fern vom Mainstream, die uns auch in Zukunft positiv überraschen wird.»

Alain Kunz
Journalist, Zug

Sein Favorit: Heida Les Pyramides 2022 von Nouveau Salquenen, Diego Mathier, Salgesch VS

«Stimmen die Parameter, entsteht aus der Savagnin-Blanc-Traube schlicht Grossartiges, auch in der Schweiz. Wichtig ist, dass die Weine von einer frischen Säure getragen werden. Die Rebsorte gibt dem Weinmacher mit ihrem Frucht-Aromen-Spektrum und ihrer Vielseitigkeit alles in die Hand. Gerade bezüglich Ausbau im Holz. Wir müssen den Wallisern dankbar sein, dass sie immer an diese Sorte geglaubt haben.»

 

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