Kaufen und spenden

Deutschlands verrückteste Weinsammlung

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Jana Kay

Sie lieben reife deutsche Weine, mögen es bei Verkostungen spannungsgeladen und sind für gewisse Risiken zu haben? Dann sind Sie hier genau richtig. VINUM offeriert den Zugang zur wohl verrücktesten deutschen Weinsammlung mit 40000 Einzelflaschen aus den Jahrgängen ab 1975. Das Besondere: Solche Flaschen (Inhalt ausschliesslich deutscher Wein) können Sie in Form von «Wundertüten» preisgünstig erwerben und damit ein gutes Werk tun. Eine einmalige Gelegenheit.

 

Fast wie eine Gams klettert Martin Steinmann an den aufeinandergestapelten Paletten hoch und greift, oben angekommen, in einen Pappkarton. Gleich darauf meldet er: «Ein Riesling von Koehler-Ruprecht. Und im nächsten Karton ein Dönnhoff , allerdings ein Kerner. Zu bieten hätte ich auch einen 1983er Riesling von Stodden, hochprämiert. Aber den Betrieb von dem Bacchus 1979 aus Franken kenne ich nicht.» Was im Flaschenlager der einstigen Winzergenossenschaft Randersacker liegt, ist eigentlich unfassbar. Ebenso wie die Entstehung dieser kunterbunten Weinsammlung.

Wir gehen zurück ins Jahr 1975. Ein damals sehr unternehmungslustiges Ehepaar aus Würzburg, beide gut beschäftigt und deshalb nicht unvermögend, machte Urlaub in der Südpfalz. Zum Wein hatten sie bis dato keinen sonderlich intensiven Bezug. Aber in den erholsamen Tagen mit Besuchen auf Weingütern handelten sie sich einen gutartigen Virus ein. Wolfgang und Luise Koegel, 52 und 50 Jahre jung, beschlossen, sich fortan dem Wein näher zu widmen. So fuhren sie fast jedes Wochenende in deutsche Anbaugebiete, bereisten die Mosel, den Rheingau, Württemberg, Baden, natürlich erneut die Pfalz und wurden auch in Franken bei so mancher Veranstaltung des regionalen VDP gesichtet.

Die Sammlung wuchs und wuchs

Überall orderten sie Wein, oft gezielt, manchmal einfach auf gut Glück. Mehr als ein, zwei Flaschen von jedem Wein packten sie nicht in den Kofferraum, aber stets waren es einige Kartons, die sie mitnahmen. Sie kehrten in renommierten Gütern ebenso ein wie bei Nobodys. Zu Hause in Würzburg gönnten sich der gebürtige, einst bei der Marine tätige Norddeutsche und die Pfarrerstochter aus Dettelbach täglich eine Flasche Wein – bis ins hohe Alter. Was sie nicht entkorkten, wanderte in einen riesigen gepachteten einstigen Weinkeller mitten in Würzburg.

Die Koegels füllten ihn wieder mit Weinleben und stapelten sorgsam ihre Flaschen in Kartons. Da der Konsum und die Einkäufe nicht Schritt miteinander hielten, wuchs die Sammlung zwangsläufig. Was beim Sammeln von Briefmarken oder Bierdeckeln nicht ins Gewicht fällt, wurde hier spätestens im Jahr 2008 zum Problem, als der Pachtvertrag auslief. Hilfesuchend und hilflos setzte sich Luise Koegel in einen Zug nach Bremen und wurde beim dortigen Kellermeister des Ratskellers, Karl-Josef Kroetz, vorstellig, den sie bei Veranstaltungen an der Mosel kennengelernt hatte. Der kam auf die Idee, Martin Steinmann, den Hausherrn von Schloss Sommerhausen in Franken, zu kontaktieren. Er kannte dessen Lagerkapazitäten und sein Faible für reife Weine.

Im Rückblick lacht der Franke: «Er war der Meinung, wenn einer für verrückte Dinge offen ist, dann ich.» Steinmann (Kennzeichen breitkrempiger Hut) dachte zunächst an einen verzögerten Aprilscherz, als er von der Riesensammlung hörte. Seine Erinnerung an die erste Besichtigung: «Ich dachte, mich haut es um.» Rund 40 000 Flaschen vermeldeten die Aufzeichnungen der Koegels. Stichproben ergaben eine ausgezeichnete Füllhöhe, wohl aufgrund der idealen Lagertemperatur. Natürlich waren die Etiketten teilweise zerfleddert, aber viele waren auch völlig in Ordnung. Ein paar Flaschen wurden geöffnet, der Inhalt präsentierte sich durchaus passabel, etwa bei einem trockenen Qualitätswein aus dem Jahr 1985 vom Weingut Zilliken an der Saar, der keine Spur von Firne aufwies und wie ein allenfalls fünfjähriger Riesling schmeckte.

Doch wohin mit den Flaschen? Ein Entrümpelungsunternehmer lehnte empört ab. Schliesslich erbarmte sich Steinmann und holte mit einem tatkräftigen Team in dreiwöchiger Arbeit zum Freundschaftspreis Karton für Karton über steile Treppen aus dem Keller. Das Ehepaar, damals schon hoch in den Achtzigern, sah bewundernd zu und erinnerte sich beim Anblick von so mancher Flasche an die damit verbundenen Erlebnisse beim Einkauf, an die Landschaften und an die Winzer. «Weisst du noch» sollte Martin Steinmann dutzendfach hören.

Die Sammlung kam zunächst in ein Zwischenlager, nämlich in den geräumigen Keller des Weingutes Schloss Sommerhausen, ehe die 115 Paletten, verpackt in fünf Lkw, nach Randersacker geschafft wurden, wo Steinmann Teile des Genossenschaftskellers angemietet hatte. Von Wolfgang und Luise Koegel war damit eine Riesenlast abgefallen. Sie machten erst mal Urlaub und beruhigten die strapazierten Nerven. Der fränkische Winzer dachte zunächst daran, die Sammlung langsam durch Verkostungen mit Kunden abzubauen. «Aber die Resonanz war gering.»

Da das Ehepaar kinderlos geblieben war und auch kein Erbe für die Sammlung in Sicht war, übertrug es alle Flaschen zur freien Verfügung an Steinmann, mit der Massgabe, sie «zum Wohl der Allgemeinheit» einzusetzen. Etwaige Einnahmen sollten wohltätigen Zwecken zugeführt werden, aber sie blieben rar. Fälle wie die 100 Euro von einem Ehepaar, das von der Sammlung gehört und eher zufällig den Jahrgang zum 25. Hochzeitstag aus der Wehlener Sonnenuhr entdeckte und mit Begeisterung geniessen konnte, hatten Seltenheitscharakter. Vor einigen Wochen erzählte Steinmann VINUM von seinem Problem, das selbst für eine hartgesottene Geniessertruppe nicht in einigen Jahren lösbar wäre. Unsere Leser könnten einen Beitrag leisten, war die Idee. Also gibt es «Wundertüten» mit jeweils sechs Flaschen zum Freundschaftspreis. Der Inhalt ist vorher nicht bekannt, aber Steinmann wurde verpflichtet, jeweils eine Auswahl auch mit bekannten Namen und guten Prädikaten zusammenzustellen. Was man damit anstellen kann?

Neue Dimensionen entdecken

Natürlich selbst entkorken und sich (hoffentlich)angenehm überraschen lassen, eventuell neue Dimensionen bei reifen Weinen entdecken, im Freundeskreis offen oder blind verkosten und über die Inhalte diskutieren. Spannung ist sicher in jedem Fall gewährleistet. Und Schnäppchen sind drin. Manche Einzelflaschen haben einen Marktwert von 50 Euro und mehr. Aber was haben Wolfgang und Luise Koegel, inzwischen 92 und 90 Jahre alt, in den letzten Jahren getrieben? Sie waren auf Reisen und konnten zu Hause immer noch auf einen erklecklichen Weinvorrat zurückgreifen. Zuletzt stand Breisach auf dem Programm, wo sie sich beim dortigen Weinfest von Stand zu Stand verkosteten. Wir drücken dem 182-jährigen Paar die Daumen, dass bei hoffentlich guter Gesundheit noch einige solcher Touren folgen.

6000

Bei Stichproben entdeckten wir jede Menge Weine erstklassiger Herkunft. Etwa 6000 Flaschen tragen das Prädikat Auslese, die doppelte Menge ist als Spätlese deklariert. Die Namen der Erzeuger sind teilweise wenig bekannt, andere Listen lesen sich wie ein Gotha des deutschen Weines. Etwa Bürgerspital, Dönnhoff , Fritz Haag, Heyl zu Herrnsheim, Fürst Hohenlohe, Juliusspital, Kesselstatt, Koehler-Ruprecht, Laible, Mosbacher, Müller-Catoir, Pfeffingen, J.J. Prüm, Schönborn, Stodden und so weiter.

So wird bestellt

Ein Sechserkarton kostet fürVINUM-Abonnenten 60 Euro, für sonstige Leser 70 Euro inklusive Versand. Wer richtig «zocken» will und gleich sechs Kartons ordert, zahlt nur fünf. Bestellung via www.vinum.de/weinsammlung oder bei der VINUM-Redaktion, Hamburg, redaktion@vinum.de ,Tel. +49 (0)40 414 06 39 29.

Rechnung und Wein erhalten Sie vom Weingut Schloss Sommerhausen. Der Erlös kommt der gemeinnützigen Vereinigung Wine Saves Lifee.V. zugute, die 2001 von Repräsentanten aus der Weinszene gegründet wurde. Sie unterstützt regelmässig Kinderhilfen in Deutschland und in Problemregionen (www.winesaveslife.org).

Proben sind möglich bei Weinhändler Wolfgang Kern in Aachen. Er hat einige Kartons geordert und lädt jeden Dienstagabend in den nächsten Monaten zur Verkostung ein. Mehr Infos:www.wein-kern.de

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