Weine vom Balaton
Trinken, kochen, essen: Lángos, Zander, Mangalitza… und so viel mehr!
Text: Ursula Heinzelmann, Foto: GettyImages / Foxys_forest_manufacture

Balaton – der grösste See Mitteleuropas, bietet an seinen langen Ufern viel Platz für Strandbars, Surfer und Biker, doch ebenso bunt und vielfältig ist die Palette an Rebsorten: Hier wachsen mineralische, elegante Weissweine an den Hängen erloschener Vulkane, auf sandigen Böden aber auch weich schmeichelnde Rote.
Es braucht keine tiefergehenden geographischen Kenntnisse, ein Blick auf die Karte Europas genügt für die (korrekte) Vermutung, die alten Römer könnten hier ihre Weinspuren hinterlassen haben. Westungarn gehörte einst zur Provinz Pannonien – und war auch vorher schon seit der Jungsteinzeit besiedelt. Der Wasserspiegel des Plattensees war allerdings damals deutlich niedriger, und viele der römischen Überreste sind heute überflutet. Spätestens mit den Römern florierte hier der Weinbau, wovon die Magyaren unter ihrem Fürsten Árpád ab Ende des neunten Jahrhunderts nur profitierten. Auch nach dem Einfall der Mongolen 400 Jahre später wurden die Weinberge schnell wieder angelegt, während die Eroberungsfeldzüge des Osmanischen Reichs und die Machtansprüche der Habsburger im 16. und 17. Jahrhundert für langfristige Unruhen und Verwüstungen sorgten – trotzdem, die Reben kamen immer wieder, und die Burgruinen der damaligen Zeit bereichern heute das ansonsten von den türkisblauen Fluten dominierte touristische Programm.
Letztendlich war man aber in Wien dem Weinbau wohlgesonnen, auch am grossen See, Klöster und weltliche Feudalherren sorgten für ein Übriges. Als die kleinen Läuse von jenseits des grossen Meeres in den 1870ern die Reben attackierten, scheiterten sie einerseits an den sandigen und daher unwirtlichen Böden am Südufer, während andererseits ganz stoisch um- und wieder aufgestockt wurde. Die Weingläser wurden nie ganz leer, wenn auch ihr Inhalt variierte, und die weissgetünchten Presshäuser und Kellergebäude jener Zeit sind bis heute Teil der Landschaft.
Es folgten kommunistisches Staatsmonopol und zwangsverordnete Massenproduktion für den grossen sozialistischen Bruder im Nordosten, Gegenteil von Qualitätsstreben und Motivation; viele werkelten privat vor sich hin, um auch die eigenen Gläser füllen zu können. Dann endlich wieder ein Neusortieren der Strukturen, anstrengende, verwirrende Neusondierung potenzieller Märkte – und seitdem am grossen See ein kontinuierliches Forschen nach dem ganz besonderen, eigenen Charakter dieser aussergewöhnlichen Landschaft im Weinglas.
«Um den erloschenen Vulkan Sankt-Georgs- Berg sind die alten Meerböden mit Basalt und Tuff durchsetzt, was den Weinen Mineralität und Würze verleiht.»
Robert Gilvesy vom gleichnamigen Weingut in Nemesgulács-Badacsony
Denn vor dem See erstreckte sich hier das Pannonische Meer, Ursprung reicher Sedimente, die nach dem Austrocknen durch den Wind von Vulkanen aufgebrochen wurden – weshalb es neben dem Balaton den Hévíz an seinem nordwestlichen Ende gibt, den grössten natürlichen Thermalsee der Welt. Was sich dort in Form von heilenden Fluten von aussen erleben lässt, macht sich besonders in den drei Weinbauregionen des Nord-Balatons, Badacsony, Balatonfelvidék und Balatonfüred-Csopak, im Glas bemerkbar: mineralisch, kernig, bewegt, gewachsen an den Hängen eben dieser Vulkane, allen voran dem Szent György, dem Berg des Heiligen Georg. Falls Sie das alles in seiner heutigen, modernen Inkarnation noch nicht kennen: Es lohnt sich.
Weinhistorie

Olaszrizling
Olaszrizling, in Deutschland Welschriesling, ist die am meisten gepflanzte Rebsorte am Balaton und auch sonst in Ungarn weit verbreitet. Wörtlich übersetzt «italienischer Riesling», aka Riesling Italico, stammt er jedoch nicht aus Italien, sondern war ein «Welscher», von «anderswo», ein Fremder, dessen Ursprung die heutige Ampelographie in Kroatien oder im Donaubecken verortet. Die Weine sind diskret, mit einem Anflug von Mandeln und Kräutern, besonders aber von vulkanischen Böden geprägt, überraschend komplex und ausdrucksvoll.
Klassische Mariage: Gegrillter Zander

Karpfen, Wels, Hecht – und Zander! Am 1. Mai beginnt am grossen See die Angelsaison für den Fogosch, wie der grösste Süsswasserbarsch Europas auf Ungarisch heisst. Ausgenommen, gut gewürzt, mit Kräutern und Zitrone gefüllt, macht er sich gut auf dem Grill; Zitronen- Kräuterbutter ergänzt das als Beilage.
Die Zitronen-Kräuterbutter unterstreicht die feine Textur und die nahezu mineralisch anmutenden Aromen noch stärker und bildet die ideale Brücke zum Wein.
Dazu passt: Kéknyelü
Die alte weisse Sorte aus Badacsony erlebt zu Recht eine kleine Renaissance, bringt spätreifend mit etwas Flaschenlagerung gute Säure, ausgeprägte Salzigkeit und eher kräuterwürzige als fruchtige Noten ins Glas, was dem gebratenen Zander mehr als gefällt.
Neue Mariage: Spanakopita

Alle Arten grüner Blätter und Kräuter, mit Frühlingszwiebeln, Olivenöl und Schafskäse zwischen zwei Teigschichten gebacken und lauwarm aus der Hand gegessen: Das ist Sandwich und Burger zugleich, auf Griechisch.
Der Teig kann ganz dünn und filoartig sein, an Strudel, Pizza oder Brot angelehnt, ebenso wie bei der Füllung sind hier viele Variationen möglich. Die Zutaten für die Füllung grob hacken und kurz blanchieren oder anschwitzen, dann mit Öl und Käse mischen, ein Ei schadet auch nicht.
Dazu passt: Juhfark
Auch er ist eine alte weisse Sorte, ursprünglich aus Somló, die sich auf vulkanischen Böden besonders wohlfühlt, als Wein rauchig, komplex und schlank zugleich wirkt und sich über herbe Kräuter, Olivenöl und Käse freut.