Vertikale: 40 Jahre Grattamacco
Alte und neue Klassiker
Fotos: z.V.g.

Das Gut Grattamacco ist – neben der Tenuta San Guido und Ornellaia – einer der Pioniere des Weinbaus in Bolgheri. 1977 von Pier Mario Meletti Cavallari gegründet, befindet sich Grattamacco seit 2002 im Besitz der Familie Tipa Bertarelli.
Das Weingut Grattamacco in Castagneto Carducci war stets ein Pionier: Es war das zweite in Bolgheri gegründete und das erste, das Bolgheri Rosso vinifizierte, an Vermentino glaubte und die höher gelegenen Weinberge kultivierte. Bis heute verwendet Grattamacco als eines der wenigen Bolgheri-Güter Sangiovese in der Cuvée des Bolgheri Superiore. Last, but not least, setzt Grattamacco seit Ende der 1990er Jahre auch auf biologische Bewirtschaftung der Rebberge.
Diese liegen zwischen 100 und 200 Metern Meereshöhe in den Ausläufern der Colline Metallifere in einem einzigartigen Mikroklima: Die Meeresbrise umschmeichelt die Trauben, und das Klima ist durch grosse Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht gekennzeichnet, die die aromatische Entwicklung der Trauben fördern. Die Böden sind von weissem Ton und Flysch geprägt, die Basis der eleganten mineralischen Vitalität der Weine – weiss wie rot. So entwickelt der Bolgheri Bianco aus Vermentino einen ausgeprägten Geschmack sowie Frische und Langlebigkeit – typische Merkmale von Weinbergen mit Blick aufs Meer, während die Rotweine Finesse, Struktur und weiche Tannine vereinen.
Das Aushängeschild der Kellerei ist der Bolgheri DOC Superiore Grattamacco, der mit dem Jahrgang 2022 sein 40-jähriges Jubiläum feiert: Für Luca Marrone, seit 2003 technischer Direktor und Önologe der Kellerei, ist gerade der Grattamacco ein Beispiel dafür, wie Sangiovese und internationale Rebsorten in perfekter Harmonie eine Einheit eingehen. Die Trauben für den Grattamacco werden je nach Lage separat vinifiziert, die Vergärung erfolgt zum grössten Teil in kleinen offenen Holzbottichen. Für die rund 18-monatige Reifung des Weines kommt dann ein Mix aus altem und neuem Holz zum Einsatz, dem noch die Abrundung in der Flasche folgt.
Der Grattamacco sei ein Wein, der zeige, wie langlebig ein Bolgheri Superiore sein kann, sagt Luca Marrone. Gemeinsam mit dem Önologen haben wir im Rahmen einer Zeitreise sechs Jahrgänge des grossen Bolgheri-Weines verkostet: vom historischen Jahrgang 1990 bis zum aktuellen Jubiläumsjahrgang 2022. Für Marrone gibt es dabei zwei Versionen eines Grattamacco: die «alten» und die «neuen Klassiker» – Erstere noch vor den Zeiten des Klimawandels und der heissen Sommer entstanden, Letztere danach und ebenso mit viel Finesse, aber auch mit Charakter und Fülle.
Der Grattamacco wurde 1982 als Blend aus viel Sangiovese mit etwas Cabernet geboren – damals noch als Vino da Tavola und damit einer der ersten Supertuscans. Seit 1994 ist der Grattamacco ein Bolgheri-DOC-Wein. Ursprünglich stammten die Trauben nur aus der Lage Grattamacco, seit 2015 werden auch die Trauben des Weinberges Casavecchia verwendet. «Ohne den Charakter des Weines zu verändern», sagt Luca Marrone. Der Anteil des Sangiovese im Blend hat sich allerdings längst auf 15 Prozent reduziert, 65 Prozent sind Cabernet Sauvignon, der Rest Merlot.
Grattamacco ist Teil der Gruppe ColleMassari Estates, zu der ColleMassari im Gebiet des Montecucco und Poggio di Sotto sowie Tenuta San Giorgio in Montalcino gehören.
Vino da Tavola 1990
2026 bis 2027
Die Frucht eines warmen Jahrgangs: Nach kurzer Belüftung entwickeln sich Noten von reifem Steinobst und Kräutern; bemerkenswert die spürbare Säure, die für die Langlebigkeit sorgt, dann viel Saftigkeit und überraschend kna-ckige Frucht im Finale.
Bolgheri DOC Superiore 1998
2026 bis 2029
Ein sehr langlebiger Jahrgang, der sich im Laufe der Zeit besser als 1997 und 1999 entwickelt hat: Im Bouquet gefallen Noten von roten Beeren und Pflaumen, dahinter Gewürze und Tabak; salzige Mineralität eröffnet am Gaumen, dann eine belebende Säure und viel Frucht und Würze im Abgang.
Bolgheri DOC Superiore 2009
2026 bis 2031
Ein warmer Jahrgang, in dem Regen im September für die Balance der Weine sorgte: Fruchtwürze, Macchia, Blütennoten in der Nase; ausgewogene Textur, vereint Kraft und Länge, die Tannine engmaschig, die Säure vif, grosse Länge. Laut Luca Marrone ein «alter Klassiker», sehr gelungen.
Bolgheri DOC Superiore 2016
2026 bis 2033
Ein Jahrgang mit optimaler Quantität und Qualität: gefällige Blume nach Schwarzkirschen, Veilchen, mediterranen Kräutern, Schokolade; die Tannine feinkörnig und perfekt eingebunden, lineare Evolution hin zu Aromen von dunklen Beeren, Lavendel und schwarzem Pfeffer.
Bolgheri DOC Superiore 2021
2027 bis 2036
Für Luca Marrone ein «neuer Klassiker», dafür sorgte schon der Witterungsverlauf mit Kühle im Frühling und Hitze im Sommer, dann auch Regen zur richtigen Zeit: umwerfende Beerenaromatik, Trockenblumen, Pfeffer; die engmaschigen Gerbstoffe und die Säure in Balance, ellenlang. Gross!
Bolgheri DOC Superiore 2022
2028 bis 2036
Zum Jubiläumsjahr ein «alter Klassiker», der an 2018 erinnert: betört mit einer Blume nach Schwarzen Johannisbeeren, mediterraner Macchia und Kaffee; mit seinen pulverigen Tanninen und der Säure überaus ausbalanciert am Gaumen, präzise der fruchtig-würzige Abgang.