Südliches Rhônetal
Gut gelauntes Ventoux
Text: Birte Jantzen, Fotos: Emmanuel Perrin, Norman Kergoat

Die Appellation Ventoux, an den malerischen Südausläufern des Mont Ventoux gelegen, lag lange im Schatten der bekannteren Schwestern des südlichen Rhône-Tals. Heute zeigt sie eine Dynamik, von der sich manch eine andere Region ein Stück abschneiden könnte. Winzer und Verband beweisen, dass Qualität und Nachhaltigkeit gemeinsam am besten gehen.
Der Himmel ist azurblau, weisse Schäfchenwolken sprinten mit dem Mistral um die Wette und an jeder Biegung der kurvigen Landstrassen eröffnet sich ein neues Panorama. Es duftet je nach Jahreszeit nach Lavendel und Garrigue oder auch nach gärendem Traubenmost. Touristen wie Einheimische lieben es, diese Gegend mit dem Fahrrad zu erobern, sich in einem der zahlreichen Dorf-Bistros zu stärken, und die mutigsten radeln sportlich ganz bis hinauf zur Spitze des Mont Ventoux, um seinen fantastischen 360°-Ausblick zu geniessen. Es ist eine wunderschöne Gegend, aber was vielleicht erst auf den zweiten Blick auffällt, ist, wie harmonisch sich die Rebberge in die Landschaftsstruktur einfügen. Rebberge und Gehölze wechseln sich fröhlich ab, hie und da grüsst ein Lavendelfeld, es gibt Olivenhaine, waldige Täler und romantische, auf Hügeln thronende Dörfer. Weinbau gibt es hier schon seit Ewigkeiten, aber der Kelch der Konsolidierung der Weinbergsparzellen ist glücklicherweise am Ventoux vorbeigegangen, denn neben kleinen und mittelgrossen Weingütern spielen auch Winzergenossenschaften eine wichtige Rolle. Letztere bringen stets eine grosse Anzahl von Rebbergbesitzern mit sich und dementsprechend eine Vielzahl an kleinen Parzellen. Hinzu kommt, dass der Mont Ventoux ein UNESCO-Biosphärenreservat ist, dessen Übergangszone sich mit den Weinbergen überschneidet.

Gastfreundlich und naturbewusst
Insgesamt geht es beschaulich zu. Im Vergleich zu den besser bekannten Appellationen des südlichen Rhône-Tals wurden die Weine des Ventoux mit ihrem frischeren, strafferen Stil jedoch lange nicht wirklich ernst genommen. In Zeiten des Klimawandels hat sich das Blatt gewendet, und was früher als Nachteil angesehen wurde, ist heute eine begehrte Eigenschaft. Mittlerweile gibt es im Ventoux ohnehin nicht mehr nur unkomplizierte Tropfen, sondern auch aussergewöhnliche Weine. Die Region zeigt sich dynamisch, ist aber zugänglich geblieben. Auf den meisten Weingütern kann man Wein direkt vor Ort erstehen, und auf manchen gibt es zudem noch die Möglichkeit, seine Ferien zu verbringen. Dass die Appellation so lange unterschätzt wurde, brachte übrigens einen unerwarteten Vorteil mit sich: Sie konnte ihre Qualitätsrevolution ganz entspannt ins Rollen bringen. Aber anstatt dass jeder für sich arbeitete, wie es ja leider allzu häufig geschieht, entschieden sich die Winzer kollektiv, an einem Strang zu ziehen. Weinqualität und wirtschaftliche Strategien wurden neu durchdacht, genau wie die Wiederherstellung und Bewahrung eines harmonischen Zusammenlebens zwischen Weinbergen und der Natur. Auch der Entfaltung lokaler Kulturen im weiteren Sinne, seien sie landwirtschaftlich oder kulturell, wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Dies klingt erst einmal ziemlich selbstverständlich, aber alle Interessen unter einen Hut zu bringen, ist wirklich nicht einfach. Allen Herausforderungen zum Trotz wurde ein Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen, welches in Frankreich seinesgleichen sucht, und das passend den Titel Raison d’Être trägt.
Vielfältiges Ventoux
Wie vielfältig das Ventoux ist, entdeckt man am besten vor Ort, beim Durchstreifen der Weinberge von Nord nach Süd. Am Nordzipfel der Appellation ist die Landschaft am bergigsten. Dort liegt auf einem isolierten Hochplateau das Weingut Chêne Bleu, wo eine ausgefeilte Vision des Ventoux auf die Flasche kommt. Nur einen Steinwurf weiter südlich liegen die spektakulären, terrassierten Weinberge rund um Suzette, einer der schönsten Landschaften des südlichen Rhône-Tals überhaupt. Dort ist unter anderem das Weingut La Ferme Saint-Martin zuhause, wo man an lauen Sommerabenden zu hauseigenem Wein, Käseplatte und Musik den Wahnsinnsausblick geniessen kann. Unweit davon, im malerischen Dorf Le Barroux, gibt es einige kleine Restaurants mit örtlichen Spezialitäten, und hier hat auch das kleine Weingut Les Baies Goûts einen Laden, hauseigenes Olivenöl inklusive. Südlich von Le Barroux erstrecken sich dann die niedrigeren Lagen des Ventoux und somit auch der Grossteil der Weinberge. Sie schmiegen sich an die Ausläufer der Bergzüge und fallen sanft in Richtung Mittelmeer ab. Man hat die Qual der Wahl, denn die Mehrzahl der Weingüter ist in diesem weitläufigen Areal angesiedelt. Da sind zum Beispiel das sehr französische Château Pesquié und das sehr britische Château Unang; beide könnten unterschiedlicher nicht sein, aber jedes ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Die junge Winzergeneration findet man hingegen eher auf den Weingütern Mas Oncle Ernest, Domaine du Chat Blanc oder auch Domaine Vindemio. Unkompliziert geht es auf dem Weingut Domaine Plein Pagnier zu, welches im Sommer Musikabende organisiert, begleitet von hausgemachter Küche. Aber auch der Winzerverein ist aktiv und veranstaltet einmal im Jahr sein Banquet du Géant unter freiem Himmel, jedes Mal an einem neuen, ungewöhnlichen Ort.
Nicht nur die Qualität der Weine ist also stimmig, sondern auch das Gesamtkonzept des Ventoux. So haben sich die Weine und die Region gerade in den letzten Jahren immer wieder als lohnenswerte Geheimtipps entpuppt. Nachhaltigkeit wird gemeinsam erarbeitet, egal ob gross oder klein, egal ob Familienweingut oder Mitglied einer Winzergenossenschaft. Natürlich gibt es Herausforderungen, aber das Ventoux ist gewappnet, denn: Gemeinsam ist man stärker!
Ventoux rot

Château Unang, Malemort-du-Comtat
Ventoux AOP La Gardy 2020
95 Punkte | 2025 bis 2045
Grenache Noir dominiert und gibt dem Wein florale Noten, schwarze Frucht, einen Hauch von Garrigue und Würze. Stoffig, frisch, voller Leichtigkeit und dennoch lang und mit Tiefgang, ist er sehr elegant, ausgewogen und äusserst vielversprechend. Ein stilvoller Klassiker.
29 Euro | chateau-unang.com
Chêne Bleu, Crestet
Ventoux AOP Astralabe 2020
94 Punkte | 2025 bis 2035
70% Grenache Noir und 30% Syrah verschmelzen zu einem saftigen, delikaten und ausge-wogenen Wein. Noten von Lakritz, schwarzen Beeren, aber auch salzige und florale Noten geben ihm Tiefgang. Frisch, samtig, trinkreif und präzise.
23 Euro | chenebleu.com
Marrenon, La Tour-d’Aigues
Ventoux AOP Orca 2022
94 Punkte | 2025 bis 2035
Hauptsächlich Grenache Noir; acht Monate im Holzfass ausgebaut, erzählt der Wein von Brombeere, Menthol, Lorbeer, Blutorange sowie von salzigen und floralen Noten. Saftig, seidig, frisch und nuanciert, ist er mittelkräftig und präzise. Hier gibt es viel Wein und viel Finesse.
12 Euro | boutique.marrenon.fr
Cave La Comtadine, Puyméras
Ventoux AOP Domaine Mas des Ocres 2022
93 Punkte | 2025 bis 2035
Eine schöne, zarte Fruchtigkeit, Gewürze und aromatische Kräuter, ein mentholhaltiger, pfeffriger Abgang mit einem Hauch von Balsamico. Frisch, schlank, puristisch und terroir-geprägt.
5,90 Euro | maison-almeras.com
Grandes Serres, Châteauneuf-du-Pape
Ventoux AOP Acis Fabrei 2020
93 Punkte | 2025 bis 2032
Vollmundig, grosszügig, samtig und geradlinig, ist er sehr ausgewogen und präzise. Am Gaumen enthüllt er salzige und würzige Noten, Blutorange, Lorbeer, Zimtstange, weisser Pfeffer, schwarze Beeren und Holunderblüte.
14,90 Euro | contact@grandes-serres.fr
Mas Oncle Ernest, Entrechaux
Ventoux AOP Ici le Temps S’Arrête 2022
93 Punkte | 2025 bis 2035
Vanillige Holznoten, sexy, üppig und mit viel Charme. Schwarze Kirsche, Lakritz, rauchige Noten, leicht salzig – dieser Speisewein bewegt sich gekonnt zwischen Subtilität und demonstrativem Stil. Ein Genusswein.
26 Euro | mas-oncle-ernest.fr
Vindemio, Carpentras
Ventoux AOP Caeli 2022
93 Punkte | 2025 bis 2035
Kandierte Kirschen und Erdbeeren, salzige Noten, ein Hauch von Lebkuchen und ein After-Eight-Finale für diesen frischen, saftigen, seidigen und delikaten Rotwein. Noch jung, zeigt er Eleganz, Finesse und ein schönes Potenzial.
14 Euro | vignoblesfamillecombe.fr
Château Pesquié, Mormoiron
Ventoux AOP Quintessence 2022
93 Punkte | 2025 bis 2032
Salzig, saftig, mit viel Substanz, bleibt er dank Frische und seidigen Tanninen dennoch leicht. Schwarze und rote Früchte, Noten von Lakritz und Pfeffer, ausdrucksstark, schwungvoll und geschmeidig, zeichnet sich durch seine klare Linie aus. Perfekt für jetzt.
19,50 Euro | shop.famillechaudiere.com
Domaine du Bon Remède, Mazan
Ventoux AOP Nobilis Terra 2023
92 Punkte | 2025 bis 2032
Ein Wein mit viel Substanz und Extrakt, aber ausgewogen. Er hat Noten von Kirsche, Kräutern, Bittermandel, Preiselbeere, Blutorange sowie etwas Weihrauch und einen pfeffrigen Abgang. Sehr saftig, seidig und rau zugleich, charmant und nuanciert.
14 Euro | domainedubonremede.com
Ventoux Weiss
Château Juvenal, Saint-Hippolyte-le-Graveyron
Ventoux AOP Perséides 2022
94 Punkte | 2025 bis 2035
Roussanne ist die Hauptrebsorte und verleiht dem Wein ein vielschichtiges Aromenspiel. Verbene, Kamille, Lindenblüte, geriebene Zitronenschale und ein Hauch von Karamell verschmelzen mit einem pfeffrigen Abgang. Frisch, vollmundig, von guter Länge, ist er wundervoll grosszügig und dennoch ausgewogen.
26,50 Euro | chateaujuvenalvins.com
Domaine de la Bastidonne, Cabrières d’Avignon
Ventoux AOP 2024
90 Punkte | 2025 bis 2030
Vollmundig, stoffig und saftig, aromatische Fülle mit Noten von Birne, Pfirsich, Mirabelle, Zitronenverbene, Lindenblüte und Zitronengras. Frisch und lang mit einem pfeffrigen Abgang, ist er ausgewogenen und von feiner Struktur.
8,60 Euro | domaine-la-bastidonne.com
Domaine Alloïs, Caseneuve
Ventoux AOP Terre d'Aïlleuls 2023
90 Punkte | 2025 bis 2032
Verbene, kandierte Früchte und Kräuter werden ergänzt durch Noten von Zimt, Vanille, Pfirsich und geriebene Zitrone. Weisser Pfeffer im Abgang verleiht dem Schmelz eine gewisse Würze. Frisch, subtil, grosszügig und geradlinig.
15,50 Euro | domaine-allois.com