Royal Tokaji Winery, Mád, Ungarn
Der Wein der Könige
Text: Nicole Harreisser / Fotos: z.V.g.

Zur rechten Zeit am rechten Ort. Fast so war es, als nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Gruppe dänischer Investoren um den vom Tokaji begeisterten Weinkritiker Hugh Johnson begann, die Legende des flüssigen Goldes im Tokaj wiederzuerwecken.
Manchmal sind Passion und Glück der Auslöser dafür, ein neues Kapitel aufzuschlagen. 1990 reiste der bekannte Weinkritiker und -autor Hugh Johnson auf der Suche nach den legendären Süssweinen, die über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte zu den gesuchten Kreszenzen gehörten, ins Tokaj. Eine tiefgehende Verkostung vor Ort führte ihm die Realität vor Augen und brachte ihn zurück auf den Boden der Tatsachen: Die Süssweine, die in den Jahren des Sozialismus entstanden waren, konnten überhaupt nicht an die grossartigen, legendären Weine von früher anknüpfen. Man hatte auf Menge produziert und mehrheitlich den russischen Markt bedient, das Handwerk grosser Weine war nicht mehr gefragt. Ausserdem wurden die Flachlagen bewirtschaftet, die maschinell zu bearbeiten waren, aber nicht die Qualität der Steillagen lieferten. Das Profil der Weine des Tokaj war abgeflacht, die einstige Exzellenz verloren gegangen.
Wiedergeburt legendärer Weine
Es war ein weiter Weg, der ab 1990 beschritten wurde, um die neu gegründete Royal Tokaji Winery zum Aushängeschild der Region zu formen. Es gab noch vereinzelt grossartige Weine, die ein paar ansässige Winzerfamilien für den Eigenbedarf vinifizierten. Der bekannte dänische Weinmacher Peter Vinding-Diers, der dem Weingut in den ersten zehn Jahren mit Rat und Tat zur Seite stand, machte zu dieser Zeit einen glücklichen Fund: ein antiquarisches Buch aus dem Jahr 1804 von Anton Szirmay, «Notitzia Geografica et Topografica», das die komplette Klassifikation der Weinberge und Gemeinden mit Karten enthielt. Ein Buch, das wie ein Schatz für ihn war. Hierin konnte man genau sehen, welche der bereits erworbenen Rebberge die höchste Klassifizierung hatten und welche der neu angebotenen Rebberge die besten waren. Und es war zu erkennen, dass die «guten» Weine auch immer von besonderen Lagen kamen. Er forschte viel zur früheren Vinifizierung, welche Fässer zum Einsatz kamen und wie der Ausbau erfolgte. Ihm ist auch die eigene Royal-Tokaji-Hefe zu verdanken, die auch heute noch im Einsatz ist.

In den ersten Jahren wurden ausschliesslich Aszú-Weine produziert. Wenn die Trauben im Oktober beziehungsweise November reif sind, entsteht durch die charakteristischen Nebel der Region in guten Jahren Botrytis. Zunächst werden die gesunden, reifen Beeren gelesen, die teils eigenständig als trockener Wein und teils zur Gewinnung eines etwas kantigeren Grundweins vinifiziert werden. Die von Botrytis befallenen Traubenbeeren rosinieren durch die Pilzsporen, da diese einen Teil des Zuckers und der Säure konsumieren. So konzentrieren sich die Aromen in den Beeren. Diese Aszú-Traubenbeeren – in guten Jahren sind es sechs bis acht Prozent der Gesamtmenge – werden einzeln, Beere für Beere von Hand gelesen, in den Keller gebracht und nur durch ihr Eigengewicht tröpfchenweise gepresst. Der goldene, hochkonzentrierte Saft ist die «Eszenzia», die heute bei Royal Tokaji als eigener Wein im Glasballon vinifiziert wird. Die Aszú-Beeren werden nach einigen Tagen in ein neues Gefäss, ein Holzfass mit 130 Litern, gefüllt und mit trockenem Grundwein mazeriert. Die Masseinheit für die Aszú-Beeren sind Körbe mit rund 20 Kilo Fassungsvermögen, die Puttonyos heissen. Die Zahl der Puttonyos auf dem Etikett gibt an, wie viele der Körbe in das Fass gegeben wurden. So ist auch der Restzuckergehalt bestimmt, heute sind es meist fünf (mindestens 120 Gramm pro Liter) oder sechs Puttonyos (mindestens 150 Gramm pro Liter), die den höchsten Süssegrad der Aszú-Weine darstellen. Bei Royal Tokaji werden diese Weine heute «Blue Label»-Weine genannt. In allen Jahren, in denen besonders gute Bedingungen zur Bereitung von Aszú-Weinen herrschen, werden auch Trauben zugekauft.
Heute verfügt das Weingut über insgesamt 108 Hektar Rebfläche, die sich über drei Gebiete (Mád, Betsek und Tarkal) im südlichen Teil des Tokaji erstreckt. 53 Prozent der Fläche sind als Great First und First Growth klassifiziert und hervorragend zur Bereitung der Süssweine geeignet. Die restlichen Flächen sind Second und Third Growth und perfekt für trocken ausgebaute Weine. Die Klassifizierung stammt aus dem Jahr 1730, als die Produktion der Süssweine in ihrer Blüte stand und kein Gedanke an trockene Weine verschwendet wurde. Single Vineyards aus der Great First und First Growth werden heute als trockene Einzellagenweine vinifiziert, da sie hervorragend das Terroir im Glas abbilden. Die Böden sind mehrheitlich vulkanischen Ursprungs, durchsetzt mit Lehm und Löss. Die drei Hauptrebsorten sind Furmint, Hárslevelű und Gelber Muskat. Das kontinental geprägte Klima mit hohen Tag-Nacht-Temperaturunterschieden fördert die Reifung gesunder Trauben mit guter Säurestruktur. Die im Herbst üblichen dichten Nebel schaffen beste Voraussetzungen für die Edelfäule, die nur hier in diesem Masse auftritt und Kennzeichen der Region ist. Aufgrund dieser Besonderheit werden die Trauben in getrennten Durchgängen gelesen. Als Erstes werden die perfekt reifen, gesunden Trauben für die trockenen Weine und danach die Spätlesen geerntet. Zuletzt erfolgt mit extremer Selektion die Lese der edelfaulen Beeren einzeln per Hand. Alle Weine, trocken wie süss, zeichnen sich durch eine grosse Balance, klare Fruchtaromatik und geringen Alkoholgehalt aus. Nach vielen Jahren der Reife zeigen sie sich immer noch frisch und lebendig.
«Wir wollten zu-rück zu den einstigen Aszú-Weinen, die selbst Engel laut singen lassen.»
Geführt wird das Weingut von einem relativ kleinen, aber sehr effizienten Team um Weingutsdirektor Zoltán Adorján Kovács: Péter Majoros, der in Budapest Weinbau und Önologie studierte und einen Master in Pflanzenschutz hat, ist für die Rebberge verantwortlich, Winzer Máté Varga, der aus einer Weinbauernfamilie stammt, kümmert sich zusammen mit Assistent Balázs Török um den Keller.
Weiterer Meilenstein
Das Weingut ist seit 2007 mehrheitlich im Besitz der Familie de László. Damon de László liess im Jahr 2009 vom bekannten ungarischen Architekten Csaba Bodoniy den neuen Weinkeller errichten, der zum 20. Jubiläum des Weinguts 2010 eröffnet wurde. Das Gebäude wurde nach modernsten technischen Anforderungen gebaut. Ein weiterer Meilenstein in der Erfolgsgeschichte der Royal Tokaji Winery.

Weine im Clubpaket
Tokaji Furmint Dry Vineyard Selection 2021
Duftet nach weissen Blüten, auch Apfel und Birne, untermalt von einer traubigen Note und süssen Medizinalkräutern. Am Gaumen frisch, mit feiner, animierender Herbe, Noten von Mirabelle und etwas Bittermandel, dazu unterschwellige Kräuterwürze. Lang nachhallend.
Mariage: Hervorragend zu asiatischen, Kalbfleisch- und Fischgerichten.
2025 bis 2028

Hárslevelű Betsek Dry 2022
Intensiv duftend, mit Noten von Aprikose, Pfirsichen und kernigem Apfel, auch etwas grüne Mandel und Holzwürze. Frisch am Gaumen, fruchtig-herb und sehr lebendig. Vielschichtig und kompakt mit ausbalancierter Kraft. Kreidig-mineralisches Finale.
Mariage: Zum Apéro, zu Fisch und Meeresfrüchten sowie weissem Fleisch.
2025 bis 2028

Tokaji Fordítás By Appointment 2016
Kraftvoller Duft, florale Noten und getrocknete gelbe Früchten. Am Gaumen sehr ausbalanciert zwischen frischer Süsse und akzentuierter Säure. Lang.
Mariage: Nicht nur zum oder sogar als Dessert, sondern auch zu pikant gewürzten Speisen und Blauschimmelkäse ein Gedicht.
2025 bis 2050