Faszination Granit und Schiefer
Winzerlegenden Chris und Andrea Mullineux, Swartland
Text: André Dominé, Fotos: z.V.g.

Das Swartland ist eine knappe Autostunde von Kapstadt entfernt, es ist eine der angesagtesten und innovativsten Weinregionen Südafrikas. Zu diesem Aufstieg haben Chris aus Kapstadt und Andrea aus Kalifornien entscheidend beigetragen. Mullineux’ Chenin Blancs und Syrahs von uralten Böden machen herausragende Terroirs schmeckbar.
Roundstone, die Farm der Mullineux, liegt zwischen Malmesbury und Riebeek Kasteel auf den Südwesthängen des Kasteelbergs. Am Horizont zeichnet sich das Hochplateau des Tafelbergs ab, rechts der Gipfel des Lion’s Head und daneben der kleinere Signal Hill. «Alle Farmer sagten, dass man sich glücklich schätzen kann, wenn man einen Blick auf Tafelberg hat», verrät mir Andrea Mullineux. Denn auf dem Signal Hill gab es eine Kanone, die immer dann abgefeuert wurde, wenn Schiffe in den Hafen einliefen. Dann konnten die Farmer aufbrechen, um dort ihre Produkte anzubieten, wohin Ochsenkarren sieben Tage brauchten. «Der zweite Grund: Der Tafelberg hat sein eigenes Wettersystem. Wenn du hier stehst, siehst du die Wolken darüber. Das sagt mir, dass wir ab morgen drei Tage lang Wind haben werden.» Ziehen die Wolken Richtung Lion’s Head, wird es Regen geben. Der Tafelberg ersetzt Wettervorhersagen.

Zu Roundstone gehören 107 Hektar Land. Ein Drittel davon, geprägt von den Vegetationstypen Renosterveld und Fynbos, steht unter Naturschutz, ein Drittel sind Weiden und ein weiteres sind Rebflächen. «Darin haben wir einen vier Hektar grossen Block, durch den natürlicher Fynbos wächst. Sonst haben wir Korridore von Fynbos mit rund 300 Arten, die durch alle Weingärten laufen.» Dann hält mir Andrea einen grünen Stängel entgegen. «Das ist Renosterbos (Nashornbusch), eine unscheinbare grüne Pflanze. Doch von Weitem sieht sie schwarz aus.» Sie hat die meisten Berghänge überwuchert, was der Gegend den Namen Swartland einbrachte.
Roundstone ist biozertifiziert. Demnächst wird es als biologisch regenerativ anerkannt, als erstes Weingut Südafrikas und eins von nur 25 weltweit. Chris und Andrea engagieren sich stark für natürlichen Anbau. «Dabei geht es um den Boden, darum, ihn zu regenerieren und zu konservieren, ihn in einem besseren Zustand zu hinterlassen, als man ihn übernommen hat.» In den Weingärten ist Andrea in ihrem Element. Wir gehen von Block zu Block, zunächst von zweien ihrer Weimeraner begleitet, schliesslich auch vom dritten. Bodenbedeckung spielt eine Hauptrolle. Mit dem ersten Regen im April oder Mai wird eine Pflanzenmischung ausgesät, die jedes Jahr geändert wird, um Probleme aufgrund von Monokulturen zu vermeiden. Jetzt im zeitigen Frühjahr (Anfang September) entfalten die ausgesäten Pflanzen ihre ganze Pracht. Sie schützen den Boden, damit er nicht zu schnell austrocknet, und hindern Unkraut daran, hochzuwachsen. Wenn die Reben auszutreiben beginnen, werden die Bodendecker flachgewalzt, dadurch abgeknickt und bilden so einen Mulch für die Sommerzeit. Das Swartland ist ein ausgesprochen trockenes Gebiet. Deshalb sind die grössten Herausforderungen für Winzer nicht Pilzkrankheiten oder Tiere, sondern Unkraut. Der Mulch hindert es am Wachsen. «Im Sommer herrscht hier Zero-Wachstumsaison-Feuchtigkeit.»

Anfangs war Roundstone eine Macadamia- Farm. Vor etwa 60 Jahren stand der ganze Berg in Flammen, vernichtete alle Nussbäume und den alten Homestead. Danach stellte der Vorbesitzer auf Tabakanbau um. Mitte der 1990er Jahre pflanzte er Syrah-Reben, die Chris und Andrea übernahmen. Die übrigen Weinblöcke legten sie 2015 an, wobei sie den Kurven der Landschaft folgten und darauf achteten, dass die Böden leicht geneigt sind, damit Regenwasser einsickern und sanft abfliessen kann. «Im Frühjahr kriegen wir enormen Wind», erzählt Andrea. «Das ist eine gefährliche Zeit, denn Wind während der Blüte vernichtet die Ernte. Man kann einen grossen Teil während einiger Stunden verlieren.» Das geht an die Nerven.
Spektakuläre Böden
«In Südafrika haben wir die ältesten Weinbergböden der Welt», hebt Chris Mullineux hervor. Vor 500 Millionen Jahren wurde Magma aus der Erdtiefe an die Oberfläche gedrückt. Mit der Zeit kühlte es ab und kristallisierte zu Granitfelsen. Später, mit der Separierung der Kontinente, wurde, was unten war, nach oben gedrückt. So besteht der obere Teil des Kasteelbergs aus Tafelberg-Sandstein, die Schichten darunter aus Schiefer wie auf Roundstone oder Granit, der beim Paardeberg offen zutage tritt. Während Granit zu tiefen, sandigen, gut drainierenden Böden verwittert ist, handelt es sich beim Schiefer um flache, steinige Böden, die zum Glück Ton enthalten, auf dem die Rebwurzeln Feuchtigkeit finden. Auf Roundstone, wo die Böden aus Schiefer bestehen, gibt es neben dem harten blauen Gestein auch braunen verwitterten Schiefer mit Venen von Quarz sowie einige Schwemmböden, die auf die Erosion des Sandsteins zurückgehen.

«Wir streben danach, Weine abzufüllen, die das Swartland reflektieren.»
Bereits als Chris und Andrea ihre erste Kellerei in der Kloof Street im kleinen Riebeek Kasteel hatten, entdeckten sie die markanten Unterschiede zwischen den Weinen der verschiedenen Terroirs. «Da unsere Weinberge auf Böden wachsen, die aus all diesen tektonischen Aktivitäten entstanden sind, ist es faszinierend, über die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Erde und dem Geschmack der an verschiedenen Standorten angebauten Weine nachzudenken», resümiert Chris. Dies gab dem Paar den Anstoss, in Weinbergen und Keller konsequent natürlich zu arbeiten. «Es geht darum, den stärksten Ausdruck des Terroirs durch den Boden einzufangen », betont Andrea, «und Weine abzufüllen, die das Swartland reflektieren.» So vinifiziert sie sowohl Chenin als auch Syrah von Granit, Eisen und Schiefer getrennt.
Chenin kommt – ganz gleich, welches Terroir – von etwa 400 Metern Höhe und wird auf die gleiche Weise geschnitten. Auch das Alter der Rebstöcke ist ähnlich, um die 70 Jahre. «Weisst du, warum man damals so viel Chenin pflanzte? Für den Lieberstein, damals die grösste Weinmarke der Welt.» Inspiriert von Liebfraumilch konzipierte Stellenbosch Farmers Winery einen halbsüssen Weisswein, von dem 1964 31 Millionen Liter verschifft wurden! Damals kontrollierte die Regierung die Weinindustrie und schrieb allen Farmern vor, Chenin Blanc zu pflanzen. Die meisten alten Chenin-Blöcke wachsen mitten auf den oft riesigen Weizenfarmen des Swartlands. Die Farmer lieferten die Lese an Kooperativen, die dafür miserabel bezahlten. Also liessen sie die Reben verkommen. Dass heute viele der alten Weingärten gerettet wurden, ist Rosa Kruger zu verdanken. Seit 2002 spürt die Weinbergspezialistin alten Reben nach und weckt gerade bei jungen, talentierten Weinmachern dafür Interesse. Kaufen kann man die Weingärten nicht, weil es gesetzlich verboten ist, Farmland zu teilen. Das Old Vine Project, das Rosa 2016 ins Leben rief und das mindestens 35 Jahre alte Weingärten mit einem offiziellen Siegel versieht, vermittelt sie an interessierte Weinmacher, die sie meist leasen und selbst bearbeiten, es sei denn, der Farmer kümmert sich persönlich darum und verkauft die Trauben. Eben Sadie und die Mullineux gehörten zu den allerersten, die sich für das Potenzial der alten Reben begeisterten und es in ihren Weinen zu vermitteln verstanden. Ein beachtlicher Teil der besten Weine Südafrikas basiert heute darauf.

Vor einem Jahr lancierten Chris und Andrea zwei neue Weine, an denen sie ein Jahrzehnt gefeilt hatten. «Sie heissen Roundstone. Die Trauben kommen von der Farm. Jetzt haben sie den Ausdruck von diesem Ort, den wir angestrebt haben: den Sonnenschein, unsere Schieferböden und Roundstone als Ganzes.» Es sind eine weisse und eine rote Cuvée, jeweils aus mehreren Sorten, die sich auf Roundstone bewährt haben. Sie lassen den Ort fühlen, den Berg, den Fynbos, die Energie. Wir geniessen sie im Roundhouse Room, wo Gäste die Weine probieren können. Sonst fungiert er als erweitertes Wohnzimmer der Mullineux und ihrer beiden Kinder.

Swartland flüssig
Chris und Andrea Mullineux legen alles daran, Ausdruck und Struktur der Granit-, Eisen- und Schieferböden einzufangen: mit Spontangärung und Handsoff- Weinmachen.
Old Vines White 2024
95 Punkte | 2025 bis 2035
Trauben alter Stöcke von Chenin, Clairette, Sémillon Gris, Grenache Blanc und Viognier vom Paardeberg. Komplexe Nase mit Birnen, Mirabellen, Zitrusfrüchten. Herrliche Frische, feinkörnig, komplex, langes, mundwässerndes Finale.
Granite Eikelaan Chenin Blanc 2024
97 Punkte | 2025 bis 2040
Einzellage von verwittertem Granit hoch am Paardeberg, tief verwurzelt. Zitronenblüten, Wildkräuter, Birnen, feine Würze. Toller Ansatz, seidig und frisch, dynamisch, mineralisch, viel Struktur und Potenzial.
Iron Rondomskrik Chenin Blanc 2024
96 Punkte | 2027 bis 2044
Windige Einzellage bei Malmesbury mit reichen roten eisen- und lehmhaltigen Koffieklip-Böden. Reife Quitten, gelbe Pfirsiche, Orangenschalen, Note von Erde. Dicht, saftig, geballte Kraft, viel Präsenz, altert bestens.
Roundstone White 2023
97 Punkte | 2025 bis 2035
Originelle Cuvée aus Verdelho, Macabeo, Chenin Blanc, Roussanne, Assyrtiko und Vermentino vom eigenen Gut. Intensiv, Ginster, Fynbos, Pfirsich, Kumquat, geröstete Nüsse. Cremige Textur, reizvolles Volumen, faszinierende Mineralik.
Schist Roundstone Syrah 2023
98 Punkte | 2027 bis 2043
Von eigenen Hängen des Kasteelbergs. Ganze Trauben mit Füssen zerquetscht, in 500-Liter-Fässern spontan vergoren. Sehr komplex, Veilchen, schwarze Pflaumen, Kirschen, Orangenzesten. Superbe Frucht, Konzentration, Energie und Potenzial.
Roundstone Red 2023
97 Punkte | 2026 bis 2038
Hohe Lagen am Kasteelberg mit Quarzsteinen. Ganze Trauben, Syrah mit Grenache und Cinsault. Intensiv, rote Früchte, feine Würze, Noten von Fynbos und Ingwer. Superelegant, feinkörnig, steinig, stimulierend, grosse Länge.