Interview mit John Kapon, Inhaber und Chairman von Acker Wines, New York
Expansion nach Europa
Text: Nicole Harreisser, Fotos: Bianca Rüttimann

Gegründet wurde Acker 1820 in New York City als Weinhandelshaus. Heute ist es das älteste noch aktive Weinhandelshaus der Vereinigten Staaten. Erst mit der dritten Generation, John Kapon, kam zum Einzelhandel auch der Bereich der Auk-tionen hinzu, 1998 in den USA, zehn Jahre später mit stark wachsender Nachfrage Asiens nach raren Weinen auch in Hongkong und schliesslich London. Mit der ersten Live-Auktion am 14. Juni 2025 in Zürich will John Kapon, Inhaber und Chairman von Acker, nun den europäischen Markt erobern und die Verbindung zu Sammlern aus Europa ausweiten. Wir haben ihn beim Acker Auction’s Pre-Lunch im Zürcher Hotel «Widder» zum Interview getroffen, um hinter die Kulissen zu blicken.
John Kapon, Sie stehen an der Spitze des grössten Auktionshauses der Welt für Wein. Nun machen Sie den Schritt über den Teich und werden am 14. Juni mit der ersten Live-Auktion in Zürich starten. Warum kam es zur Expansion nach Europa?
Europa spielt bei unserer Planung eine grosse Rolle. Wir sind bereits in Grossbritannien sowohl im Retail wie auch mit Auktionen aktiv, waren aber auf der Suche nach einem Standort auf dem europäischen Festland.
Warum haben Sie sich für die Schweiz entschieden? Hier sind bereits einige Auktionshäuser im Fine-Wine-Bereich ansässig. War der Standort in der Mitte Europas oder die Attraktivität des Schweizer Marktes entscheidend?
Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Die zentrale Lage der Schweiz neben Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien ist ein Kriterium, aber auch das Potenzial der Schweiz. Wir haben das Gespräch mit unseren Geschäftspartnern und den privaten Weinsammlern gesucht, mit denen wir bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben. Es war eine Art natürlicher nächster Schritt.
Woher werden die Weine für die Auktionen in der Schweiz stammen, und wie werden Sie alles organisieren?
Die meisten Sammlungen, die in die Auktion gehen werden, stammen aus Europa. Es wird bestimmt Ausnahmen geben, zum Beispiel stammt eine Sammlung in der ersten Auktion aus Quebec, aber mehrheitlich werden wir uns in Europa bewegen. Für die Live-Auktionen in Zürich werden die Weine alle in Genf gesammelt und gelagert.
Immer wieder tauchen auch gefälschte Weine auf, auch in Auktionen. Was unternehmen Sie, damit es keine Fälschungen in Ihren Auktionen gibt?
Wir haben ein eigenes, sehr gut ausgebildetes und geschultes Team, das alle Weine kontrolliert, auf Echtheit prüft und beurteilt. Wenn Zweifel bestehen, nehmen wir die Weine nicht an, auch übernehmen wir keine kompletten Sammlungen.
Ihr Weg in das Familienunternehmen war nicht vorgezeichnet, es gab keinen Druck Ihres Vaters, seinem Weg zu folgen. 1994 waren Sie zunächst ganz einfach im Ladengeschäft beschäftigt. Ihr Vater hatte bereits früher erste Versuche unternommen, Auktionen zu starten. Sie griffen 1998 die Idee auf. Was ist für Sie das Faszinierende an Auktionen und insbesondere an Weinauktionen?
Nun, Auktionen sind generell ein aufregendes Geschäft, sie sind wie ein spannender, toller Event, sie vibrieren und man steht immer unter Spannung. Da es sich um ein Live-Ereignis handelt, ist es immer ein bisschen dramatischer als etwa im Einzelhandel, der immer noch ein wichtiger Teil unseres Geschäfts ist. Aber es gibt immer diese Art von dramatischem Effekt. Es ist also fast so etwas wie eine Performance-Kunst. Die Auktionen haben also dieses aufregende Element.
Wenn man den Einzelhandel mit den Auktionen vergleicht, ist das Verhältnis ausgeglichen? Ich kann mir vorstellen, dass zumindest der Wert bei Auktionen höher ist als im Einzelhandel.
Ich rechne mal nach: Rund 25 Prozent unseres Geschäfts entfallen auf den Einzelhandel. Die Auktionen machen also immer noch den grössten Teil aus, und jetzt müssen wir im Einzelhandel wachsen, um mit den Auktionen ein wenig gleichzuziehen. Wir glauben, dass es im Einzelhandel eine Menge Potenzial gibt. Der Markt für Auktionen ist endlich, er kann nur eine bestimmte Grösse erreichen. Der Einzelhandelsmarkt ist viel grösser, also sollten wir theoretisch viel mehr in diesem Segment tätig sein. Deshalb freuen wir uns über dieses Potenzial. Mit den Auktionen in Zürich, Singapur oder an anderen Orten erzielen wir zusätzliches Wachstum, das den Erfolg des gesamten Unternehmens steigert. Wir haben die Infrastruktur dafür.
Wenn Sie vom Einzelhandel sprechen, meinen Sie nur die USA oder auch auf dem internationalen Markt?
Nein, vom internationalen Markt, Grossbritannien, Hongkong, einfach global. Ich denke, dass Grossbritannien für uns im Einzelhandel stark gewachsen ist und wir in Asien im Einzelhandel unterrepräsentiert sind. Hier müssen wir vorpreschen. Die USA sind gewachsen, das Einzelhandelsgeschäft hat sich in den letzten sechs oder sieben Jahren verdreifacht, da gibt es einen starken Wachstumstrend.
«Mein Vater hat mir die Freiheit gelassen, Wein zu entdecken. Und das war gut so.»
Wenn Sie also von der Zeit vor sechs oder sieben Jahren sprechen, also in etwa von der Covid-19-Zeit, ist es dann so, dass Sie durch den Anstieg des Konsums damals und jetzt durch die Entwicklungen in den letzten Wochen mit dem neuen Präsidenten einen Schub bekommen haben? Spüren Sie bereits einige Veränderungen?
Nein, denn es gibt jetzt Grenzen für das, was in die USA kommen darf. Wir müssen uns also intern mit dem befassen, was in den USA vorhanden ist, aber es gibt so viele tolle Weine. Wer neue Jahrgänge und Entdeckungen von ausserhalb sucht, der wird es schwerer haben. Für uns ist das nur ein Teil unseres Geschäfts, ein kleinerer Teil. Wir sind spezialisiert auf gereifte Weine, Weinsammlungen. Und dieser Teil des Geschäfts und die Internationalität sind in Ordnung, wir haben Asien, wir haben die USA, und jetzt haben wir Grossbritannien und die Schweiz. Ich bin mir nicht sicher, was als Nächstes kommt, aber wir werden die Augen offen halten.
Auch im Weinbusiness kommen und gehen Trends. Welche Rolle spielen Natur- und Orangeweine für Ihr Geschäft? Ich kann mir vorstellen, dass die Nachfrage bei Ihren Kunden eher zurückhaltend ist.
Ja, die Sammler sind nicht an diesen Weinen interessiert. Sie glauben nicht, dass sie altern können, und finden, dass sie seltsam sind, dass sie komisch schmecken, dass sie anders schmecken, dass sie ungewöhnlich sind.
Und was Ihre Kunden angeht, sind das hauptsächlich Sammler? Sammeln diese bestimmte Weine als Investition oder um diese Weine zu geniessen? Können Sie dies überhaupt benennen?
Beides spielt eine Rolle. Unsere Kunden wollen Weine, die sie trinken und geniessen können, und/oder solche, die sie sammeln können, aber auch jene, die eine Investition wert sind. Das sind Weine, die ihren Wert über die Zeit halten, die im besten Sinne altern und reifen und damit im Wert steigen. Im ganz traditionellen Sinn.
Wie hat sich das Auktionsbusiness in den letzten Jahren verändert?
Das grösste Ereignis der letzten 15 bis 16 Jahre war der Eintritt der chinesischen Sammler in den Markt. Sie wirbelten mit grosser Kaufkraft und grossem «Hunger» nach raren Weinen den Markt auf. Das hatte einen enormen Einfluss, vor allem auf die teuersten Spitzenweine, weil diese Sammler sich wirklich auf das Beste vom Besten konzentrierten.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren ausserdem noch verändert?
Ich denke, da ist vor allem der Wechsel von Bordeaux zu Burgund zu nennen – früher war Bordeaux das Spitzensegment. Heute sind es Burgunder. Das war eine grosse Veränderung in den letzten 10 bis 15 Jahren. Dazu hat mit Asien die Globalisierung des Weins begonnen. China und die USA sind die beiden Supermächte. Aber es gibt noch mehr. Auch andere Regionen legen mehr und mehr zu.
Was unterscheidet eine Acker-Auktion von einem anderen Auktionshaus?
Wir werden unseren traditionellen Auktionsstil, der sich ein wenig von dem traditionellen Stil hier oder anderswo unterscheidet, auch nach Europa bringen. Bei uns dreht sich alles um das Erleben von Weinen, das Verkosten und den Austausch. Bei jeder Auktion öffnen wir eine Menge grossartiger Weine und servieren den Teilnehmern Kollektionen, die wir in der jeweiligen Auktion anbieten werden, um das Interesse zu schüren.
Sie haben über die Jahre viele grosse Weine getrunken. Welcher Wein ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Es gibt eine Menge grossartiger Weine aus 1945, für mich der grösste Jahrgang aller Zeiten. Und ganz speziell drei Weine: Romanée-Conti, Petrus und Mouton. Diese drei Weine sind einfach unglaublich. Die wirklich grossen Weine können jahrzehntelang reifen, und es geht nichts über eine grosse Flasche alten Weines.
Können Sie «einfache» Weine überhaupt noch begeistern?
Auf jeden Fall. Wenn ich in ein Restaurant gehe, dann nehme ich einfach ein Glas. Zum Beispiel Grünen Veltliner. Oder denken Sie an Italien, für mich ist Italien unglaublich preiswert. Da gibt es eine Menge. Beaujolais aus dem Burgund ist so gut, einfach köstlich. Es gibt einige grossartige Weine, die 30, 40 Dollar pro Flasche kosten und einfach fabelhaft sind. Ja, sie sind nicht lagerfähig und sammelbar. Sie sind nicht die besten, aber trotzdem sehr lecker.
Werden Sie selbst bei der Premiere in Zürich dabei sein?
Ja, ich werde die ganze Woche vor Ort sein und freue mich sehr darauf.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.