Zwischen der Amalfi-Küste und den Campi Flegrei
Kampanien: Weine mit Meerblick
Text: Christian Eder

An der Küste Kampaniens – zwischen der Amalfi-Küste und den Campi Flegrei – gedeihen in einzigartigen Lagen mediterrane Weine mit dem Geschmack von Salz und schwarzem vulkanischem Sand.
Wenn Marisa Cuomo aus der Tür ihres Weinkellers blickt, breitet sich das Blau des Golfes von Sorrent unter ihr aus. Rund um ihr Haus an der schmalen kurvigen Strasse, die über den Berg nach Norden führt, stehen, von Trockensteinmauern an den steilen Hängen gehalten, die Reben. Fenile heissen sie, Ginestra, Ripoli oder Biancatenera, altes Rebgut, das an der Costa Amalfitana nur noch von Marisa und ihrem Mann Andrea Ferraioli gemeinsam mit ihrer Familie gepflegt wird.

Sie bewirtschaften rund 46 Hektar in Furore und den Nachbarorten: Kleine Stückchen Land von 64 unterschiedlichen Besitzern die an steilen Hängen in 400 oder 500 Metern Höhe über der Küste liegen. Daraus werden die Weissen Ravello Bianco, Furore Bianco oder der Furore Bianco Fiorduva gekeltert, ein langlebiger finessenreicher Tropfen aus gut ventilierten Rebbergen. Dazu gesellt sich noch der kraftvolle Ravello Rosso Riserva aus Piedirosso und Aglianico: Ein Wein, der im kühlen Keller reift, der tief in den Fels gegraben wurde. Der Weinbau sei heroisch an der Costa Amalfitan, erzählt Marisa Cuomo, die Rebberge sind steil, die Wege, um die Trauben in den Keller zu bringen, lang. «Das hat viele Amalfitaner schon dazu gebracht, ihre Rebberge aufzugeben», seufzt Marisa Cuomo, «aber wenn die Qualität passt und wir es uns leisten können, dann pflegen wir sie weiter.»
Auf dem italienischen Festland dominiert der Vesuvio hingegen das Panorama über dem Golf von
Neapel. Sein denkwürdigstes Lebenszeichen gab der Vulkan vor 2000 Jahren von sich, als er die Stadt Pompei zerstörte.
Die Familie Sorrentino kultiviert ihre 45 Hektar Rebberge in 200 bis 700 Metern Meereshöhe über den Resten von Pompei mit Blick auf das Meer: dort bewirtschaftet die Familie unter der Federführung der Weinmacherin Benny Sorrentino vor allem autochthone Rebsorten. Der schwarze vulkanische Sand, der sich meterdick unter den Reben aufgebau hat, sorgt so für die Mineralität und Salzigkeit der Weine, weisse wie rote. Am bekanntesten ist dabei der Lacryma Christi, die Tränen Christi, üblicherweise ein kompakter weisser oder roter Trinkwein, den Sorrentino auch in einer weissen Powerversion nach biologischen Kriterien in einer Einzellage keltert: Vigna Lapillo. Er vereint mediterrane Leichtfüssigkeit mit vulkanischer Seele.
Aber der Vesuv ist nur der kleinere Teil des vulkanischen Erbes im Golf von Neapel: Unter Neapel selbst brodelt ein wesentlich grösserer und gefährlicherer unterirdischer Vulkan vor sich hin, der sich nur schüchtern in den Geysiren der Campi Flegrei im Westen Neapels oder in den heissen Quellen Ischias bemerkbar macht.
Das Weingut La Sibilla der Familie Di Meo liegt in Panoramalage über der Bucht von Bacoli, einem kleinen Badeort im Westen Neapels. Rund um das Städtchen und nahe dem Meer verteilen sich die rund zehn Hektar Reben, die zum Teil noch auf der traditionellen Pergola gezogen werden.
Die Familie di Meo produziert hier Weine des DOC-Anbaugebietes Campi Flegrei und pflegt aussergewöhnliche Reblagen: Wie die Vigna Madre, ein fast 100 Jahre alter Rebberg, erzählt der Önologe Vincenzo di Meo, in dem sieben verschiedene Piedirosso- Klone die Basis eines langlebigen Rosso bilden. Das Paradepferd der Kellerei ist aber der Cruna del Lago, ein Bianco aus Falanghina: Mit seiner mineralischen Salzigkeit kombiniert er im Jahrgang 2022 die Frische des Meeres mit vulkanischer Seele.
Für Vincenzo ist gerade dieser Wein ein Beweis, welches Potenzial in den Rebbergen rund um Neapel steckt: «Wir haben hier zwar eine Jahrtausende alte Weinbautradition, aber so richtig beginnen wir erst jetzt, unsere Stärken auszuloten: Die Finesse, die Eleganz, den einzigartigen mineralischen Charakter.»
(Die Weine wurden im Rahmen der En-primeur- Veranstaltung Campania Stories im Mai 2025 verkostet)
Meeresrauschen im Glas
Ettore Sammarco – Costa d´Amalfi Ravello Bianco DOP Vigna Grotta Plana 2024
91 Punkte/2025 bis 2028
Seit 1962 ein Aushängeschild des Weinbaus an der Costa Amalfitana, mit Rebbergparzellen in allen Lagen und Meereshöhen: Verführt mit leichtfüssigen Aromen von Holunderblüten und Pfirsichen; gut ausbalanziert mit krokanter Säure und mediterraner Würze, das Finale ausgewogen und lang.
Marisa Cuomo – Costa d´Amalfi Furore Bianco DOP Fiorduva 2023
93 Punkte/2025 bis 2029
Wird aus einer Selektion der Rebsorten Fenile, Ginestra und Ripoli gekeltert: Komplexe floral-fruchtige Nase, Noten von heissem Stein; am Gaumen würzig, die Säure perfekt eingebunden, schöner Schliff bis ins mineralische Finale.
Abbazia di Crapolla - Campania IGT Bianco Sireo 2022
93 Punkte/2025 bis 2029
Fulvio Alifano und Giuseppe Cuticini gründeten 2007 das Weingut nahe der Stadt Vico Equense mit Blick auf den Golf von Neapel: Auf 300 Metern Meereshöhe kultivieren sie dort auf zwei Hektar unter anderem Fiano und Falanghina, die Basis des Sireo: Betörende Noten von hellen Früchten und florale Noten; geschliffene Machart, die Säure gut integriert, mineralisch-eleganter Verlauf hin zu Aromen von heissem Stein und frischen exotischen Früchten.
La Sibilla – Campi Flegrei Falanghina DOP Domus Giulii 2023
93 Punkte/2025 bis 2028
Von Rebbergen nahe dem Meer auf den vulkanischen Böden im Westen Neapels: In der Nase ein Potpourri von Zitrusfrüchten und Macchia, auch Nuancen von Akazienblüten und Tee; im Mund präzise, die Säure belebt, mediterran-salzig bis in den ellenlangen Abgang.
Sorrentino Vini - Lacryma Christi del Vesuvio Bianco Superiore DOP Vigna Lapillo 2022
92 Punkte/2025 bis 2030
Aus Caprettone mit etwas Greco und Falanghina, die Reben wachsen in einer gutventilierten Lage am Vesuv mit Blick auf den Golf von Neapel: Erfrischender Duft nach Zitrusfrüchten, Blüten, Tee; harmonische Evolution mit krokanter Säure, salzig-mineralisch bis ins lange Fruchtfinale.