Esser Vineyards : Wein- und Weltenbummler „Mänfred“

08.04.2010 - R.KNOLL

USA (Napa Valley) - Im Alter von 71 Jahren brauchen selbst Leute, die ihr Leben lang unter Wein-Strom stehen, gelegentlich eine Auszeit. Manfred Esser, geboren in Köln, aber seit 1974 in Amerika lebend, macht derzeit Urlaub in der Heimat seiner Frau Barbara in Oberbayern, wickelt aber nebenbei von seinem Zweitwohnsitz in Murnau noch ein paar Geschäfte in Deutschland ab. Denn bei Esser Vineyards im Napa Valley soll der Export nicht schlummern, wenn der Chef mal nicht da ist.

 

Für ein Gespräch hat er einen 2008er Chardonnay mitgebracht, auf den er sehr stolz ist, weil dieser Wein beim Test eines Fachmagazins vor Gewächsen von renommierten Häusern wie Hess und Mondavi landete, obwohl er erheblich weniger kostet. „Einige Verkoster haben den Wein auf 25 bis 30 Euro Einkaufswert geschätzt“, erzählt Esser und lacht: „Dafür bekommt man im Fachhandel einige Flaschen.“ Einen Großteil seiner Deutschland-Geschäfte wickelt der unermüdliche Unternehmer mit Hawesko in Tornesch bei Hamburg ab, einem der großen deutschen Händler.

Seine ersten Kontakte zum Wein knüpfte „Mänfred“ (so nennen ihn seine deutschen Freunde wegen dem herrlichen Sprachmix zwischen Deutsch und Englisch, das er sich im Lauf der Zeit angewöhnt hat) für ein Unternehmen namens Pieroth, das in den siebziger Jahren in der Aufbauphase der Direktvermarktung war und im Export ebenfalls erfolgreich sein wollte. Der damalige Berliner Wirtschaftssenator Elmar Pieroth, Miteigentümer des Hauses und angetan von Essers Qualitäten als Wahlkampf-Manager, schickte ihn nach Chicago, um eine Verkaufsorganisation aufzubauen. Ein paar Jahre später gab es 30 Büros in den USA. Esser fand, er müsse noch etwas lernen und machte ein mehrjähriges Management-Studium an der Harvard Business School.

Dann wurde der reiche Schweizer Industrielle Alexander Schmidheiny, der sich gerade das schlecht laufende Weingut Cuvaison im Napa Valley geleistet hatte, auf ihn aufmerksam. Als die erste Anfrage kam, soll „Mänfred“ noch gefrozzelt haben: „Was ist denn das für eine Heini?“. Kurz darauf war er Direktor der Cuvaison Winery und machte in einigen Jahren, auch Dank guter Leute im Keller, daraus einen Musterbetrieb. Nach etwas mehr als zehn Jahren war er satt geworden. „Wir hatten alles erreicht, was wir wollten.“ Er verkaufte seine Anteile, wurde Marketing Consultant und betreute einige namhafte Betriebe in Südafrika.

Aber das war auf die Dauer langweilig, zumal er wenig Einfluss auf die Unternehmenspolitik hatte. Also auf eigenen Füßen stehen. Barbara Esser, die für ihren rastlosen Gatten immer Halt war und die beiden hoffnungsvollen Töchter Julia und Sophie aufzog, hatte nichts dagegen. Mit Partner Paul Moser, einem Winemaker, der vorher in Frankreich wirkte, gründete er Esser Vineyards, zwar mit Keller, aber ohne eigene Reben. „Das ist eine ganz nüchterne Rechnung“, klärt er auf. „Wenn wir kein Geld in die Fläche stecken, sondern uns gute Traubenproduzenten aussuchen, können wir günstiger produzieren und unsere Weine zu besseren Preisen als die kalifornische Konkurrenz anbieten“.

So werden seit einigen Jahren Chardonnay, Merlot und Cabernet Sauvignon erzeugt, die im deutschen Handel für einen Endverbraucherpreis von knapp unter 10 Euro angeboten werden können. „Wir haben zwar auch die weltweite Krise gemerkt, die am Wein nicht vorbei geht“, erzählt Esser und beziffert das aktuelle Minus allerdings auf „überschaubar.“ Den Winerys, die hochpreisig auftreten, bläst dagegen nach seinen Erkenntnissen der Wind ganz schön ins Gesicht. „Es gibt zu viele davon. Im Weingeschäft dabei zu sein, wurde zur Mode. Gelangweilte Millionäre von der Ostküste wollten unbedingt im kalifornischen Westen einsteigen und ihre Weine dann aus Prestigegründen teuer verkaufen. Das konnte langfristig nicht gut gehen. 2009 gab es Betriebe, die ihre Keller so voll hatten, dass sie nicht abernteten“, hat Manfred Esser mitbekommen.

Solche Probleme hatte der „Jungwinzer“ nicht. Er konnte sich im letzten Herbst wieder bestes Traubenmaterial aussuchen. Bald wird Tochter Julia, neben Winemaker Moser, hier mitbestimmen. Sie ist die potenzielle Nachfolgerin. „Irgendwann will ich mal etwas locker lassen“, stellt „Mänfred“ fest. „I like das Bergsteigen in the Bavarian Mountains.“

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