Dossier Olivenöl • Natives Olivenöl Extra

Echt und gut: Olivenöl-Wissen

Konzept: Claudia Stern; Text: Eva Maria Dülligen; Fotos: z.V.g.

Wie beim Winzer spielt der direkte Kontakt zum Olivenbauern, der nicht nur selbst anbaut, sondern die Oliven auch in der eigenen Ölmühle verarbeitet, eine tragende Rolle für die Qualität. Nennen wir unseren Olivenbauern stellvertretend für alle guten Produzenten dieser Zunft «Olivier». Dieser fiktive Olivier erntet und produziert sein Öl und füllt es selbstredend eigenhändig ab. Genauso wie wir uns direkt beim Winzer informieren, haben wir uns mit Oliviers ausgetauscht, die ihre Olivenbäume und deren Früchte behandeln wie rohe Eier und alles über sie wissen. Ob ein guter Winzer oder Olivier – er gibt sich erst zufrieden, wenn seine Früchte die perfekte physiologische Reife besitzen. Jahr für Jahr begeistert er sich an seinen wohl geratenen Naturprodukten, entstanden durch geschliffenes Handwerk.

Der Erntezeitpunkt und die Ernte

Seit der Antike bestimmen Olivenbauern den Geschmack ihres Öls durch die Wahl des Erntezeitpunkts: Der Fächer reicht von unreifen grünen bis zu ausgereift dunkeloliv-schwarzen Exemplaren. Einige Spitzenproduzenten aus Ligurien etwa ernten um den Jahreswechsel herum, wenn aus den winzigen hellgrünen Steinfrüchten der Sorte Taggiasca dunkelviolette Kugeln geworden sind. Für das native peloponnesische Olivenöl aus der Sorte Koroneiki wiederum werden im November grüne kleine Früchte von den Ästen geschlagen. Grob lässt sich festhalten, dass das Olivenöl umso intensiver und schärfer wird, je früher – also grüner – die Oliven geerntet werden. Der Gehalt an wertvollen, gesundheitsfördernden Stoffen fällt bei diesen Ölen tendenziell höher aus. Je später – ergo je dunkler – die mediterranen Steinfrüchte eingeholt werden, desto milder trifft der zähflüssige Saft später auf den Gaumen. Um den idealen Zeitpunkt zu erwischen, bedienen sich manche Olivenbauern – wie dies auch Winzer tun – chemischer Analysen, die Aufschluss über Zuckergehalt und enzymatische Aktivität geben. Olivenproduzenten kauen die Olive vor der Ernte, um den Reifegrad zu erschmecken, und erwischen auf diese Art den perfekten Moment der Aromen und bioaktiven Pflanzenstoffe.

Einfach vom Baum schütteln lassen sich die Oliven übrigens nicht, sie sind zu fest mit dem Astwerk verbunden. Auf kleineren Olivenhainen benutzt man traditionell eine lange Stange und schlägt die reifen Oliven damit von den Ästen. In Italien nennt man diese Stange «trappa». Doch nicht überall reicht die Manpower für eine aufwändige Handlese, und es werden Hochernter eingesetzt. Weil alle Früchte unverletzt geerntet werden müssen, um Spitzenöle zu erzielen, kommt man an der manuellen Methode kaum vorbei. Maschinen können unversehrte Oliven nur begrenzt lesen. Spitzenqualität bringen direkt vom Baum gelesene Oliven – solche, die am Boden oder gar mehrere Tage in den Auffangnetzen liegen, verschlechtern das Öl. Unmittelbar nach dem Pflücken muss die Ernte in der Ölmühle verarbeitet werden. Je mehr Zeit zwischen Ernte und Verarbeitung vergeht, desto geringer die Öl-Qualität. Wie beim Wein transportieren gewissenhafte Produzenten ihr wertvolles Gut ohne Gewichtsdruck in durchlüfteten Erntekisten. Während der Ernte darf die Aussentemperatur nicht über 16 Grad Celsius liegen, da die Prozesserwärmung in der Mühle nur bei vier Grad liegt und die Schwankung sonst zu gross wäre. Absolute Priorität hat jetzt, eine beginnende Fermentation zu verhindern. Durch Oxidation und somit den mikrobiologischen Zerfall werden die Inhaltsstoffe der Oliven gefährdet. Wenn es optimal läuft, haben sich die frisch geernteten Oliven nach ein bis zwei Stunden in Öl verwandelt.

Qualitätsproduktion

Die alte Steinmühle, die von Eseln gezogen Olivenfrüchte zu Öl zermalmt, kann man heute wohl eher in Olivenölmuseen rund ums Mittelmeer betrachten. In der Moderne angekommen, findet die Verarbeitung von Qualitätsolivenölen ausschliesslich in Edelstahlsystemen statt. Nur innovative Mühlen können gebündelte Aromen und unverfälschte Qualität aus dieser besonderen Frucht hervorbringen. Eine aufwändige Reinigung der Oliven mit viel sauberem Wasser ist der Auftakt ihrer Verarbeitung. Nachdem sämtliche Blätter entfernt und die Oliven getrocknet wurden, wandern sie in den Malaxeur, in dem die Zellstrukturen aufgeknackt werden. Es ist eine Kunst, die Enzyme in den Oliven und den Sauerstoff zu beherrschen, also beides gezielt zuzulassen und dann wieder zu unterdrücken. Sowohl die Dauer der Verarbeitung und die Sauerstoffmenge als auch die herrschende Temperatur spielen entscheidende Rollen beim Prozess der Ölherstellung. Sobald die Maische zu glänzen beginnt, teilt sich die Masse in flüssige und feste Bestandteile. Von den Richtlinien vorgegeben, darf die Verarbeitungstemperatur maximal 27 Grad Celsius betragen. Optimalerweise liegt sie zwischen 19 und 21 Grad. Wobei die unterste Grenze 18 Grad sein sollten, weil sich die Enzyme ansonsten nicht freisetzen. Das Gemisch aus Fruchtflüssigkeit und Fettsäuren, sonstigen Inhaltsstoffen und öliger Substanz wird in der Folge  zentrifugiert, so dass sich ein trübes, intensives Öl absetzt. Anschliessend wird die Substanz gefiltert, um die Feinstoffe, potenzielle Wasserreste und vor allem die Enzyme auf ein Minimum zu reduzieren. Denn Wasser und Enzyme lassen das Olivenöl oxidieren, also altern, und müssen deshalb so weit wie möglich herausgefiltert werden. Es gibt allerdings auch Öle, bei denen eine grobe Filtrierung ausreicht, da sie äusserst stabil sind. Die bringen zwar einerseits ein einzigartiges Aroma sowie gesunde Fettbegleitstoffe hervor, sind allerdings auf der anderen Seite nicht sehr lange haltbar. Die professionelle Aufbewahrung aller Olivenöle geschieht unter Sauerstoff- und UV-Ausschluss.

Olivensorten

Spanien Picual, Hojiblanca, Arbequina
Griechenland Koroneiki, Manaki, Kolovi, Makri, Psiloelies, Kalamata
Italien Moraiolo, Frantoio, Leccino, Pendolino, Taggiasca, Grignano, Casaliva, Nocellara dell Belice, Biancolilla, Tonda Iblea, Coratina, Ogliorola...
Frankreich Cailletier (Niçoise) Picholine, Tanche, Arboussane
Türkei Endremit, Gemlik, Memecik, Susam
Portugal Cobrançosa, Madural, Negrinha, Verdeal

Etwa 500 verschiedene Olivensorten gibt es im Mittelmeerraum. Jede wächst auf ihrem speziellen Boden und auf unterschiedlichen Breitengraden, so entsteht aus jeder Sorte ein Öl mit eigener Typizität. Gute Oliviers kennen ihr Terroir, etwa Böden vulkanischen Ursprungs mit Anteilen von Schiefer und Marmor. Sortenabhängig gestaltet sich der Gehalt an phenolischen Verbindungen und bestimmt die Stabilität des Olivenöls. In seiner ursprünglichen Wuchsform war der Olivenbaum ein Busch, der Baum ist seine Kultivierungsform: Daher ähnelt die Olive botanisch eher einer Beere als einer Baumfrucht.

Inhaltsstoffe und was dahintersteckt

Zuverlässiger als Noten, Punkte oder Beschreibungen sind beim Olivenöl die analytischen Daten. Sie geben Aufschluss über die Professionalität und Sorgfalt, mit der es hergestellt wurde, und sagen Essentielles über den Wert des Öls. Manche Konsumenten tun sich schwer mit einer Analyse auf dem Etikett. Aber der Nährwert (Öl ist und bleibt ein Fett) und wenig Säure stellen wichtige Parameter dar. Meist fehlen die wichtigen Angaben der Polyphenol- und Peroxidzahlen. Nicht die Nährwerttabelle sagt etwas über die Qualität aus, sondern Informationen über die sensorische Qualität sowie die wertvollen sekundären und bioaktiven Begleitstoffe.

Gesundheitlicher Vorteil: sekundäre Pflanzenstoffe

Nicht die ungesättigte Fettsäure an sich, die je nach Olivenöl 68 bis 85 Prozent der Fettsäuren ausmacht, sondern die in ihr eingelagerten sekundären Pflanzenstoffe erzeugen gesundheitliche Vorteile. Vitamine bleiben bei den ganz sorgsam verarbeiteten Oliven erhalten. Olivenöl enthält zwischen 12 und 400 mg/l Vitamin E (Alpha-Tocopherol). Vitamin E schützt als antioxidatives Vitamin vor Arteriosklerose. Vitamin E und C sind u.a. wichtige Komponenten der mediterranen Ernährung, die möglicherweise auch vor Krebserkrankungen schützen.

Im Fruchtfleisch der Olive befinden sich zahlreiche Biophenole. Sie schützen vor Bakterien und Pilzbefall. Je nach Qualität der Olive und ihrer Sorte, schwankt der Anteil zwischen 15 und 800 mg/l. Hier lässt sich eine Parallele zum Rotwein knüpfen. Die Kraft der Polyphenole speist sich aus antioxidativen biologischen Substanzen, die den Körper vor der schädlichen Wirkung von Sauerstoffradikalen schützen. Sie verhindern die Oxidation des LDL-Cholesterins und schützen damit vor der Entstehung oder dem Fortschreiten der Arterienverkalkung.

Der Wert sollte nicht unter 200 mg/l sein. Eingefleischte Olivenölfreaks lieben diese extremen Olivenöle. Aber es mag auch nicht jeder Weintrinker extrem extrahierte Rotweine: Es gibt durchaus Geniesser, die Frische und Leichtigkeit wertschätzen. Die Polyphenole beeinflussen wesentlich den geschmacklichen Eindruck: Polyphenolgehalt 200 bis 300 mg/l = würzig, 300 bis 400 mg/l = rassig und leicht bitter, über 400 mg/l = scharf und bitter.

Olivenöl sollten im Produktionsprozess keinen hohen Temperaturen ausgesetzt werden

Besonders wichtig sind Informationen, die auf einen optimalen natürlichen Anfangszustand des Olivenöls hinweisen und nicht nachträglich mit chemischen Verfahren geschönt werden können. Das sind insbesondere Daten der 1,2 Diglyceride. Von ihnen sollten noch über 90 Prozent erhalten sein, und der Chlorophyllabbau sollte nicht mehr als ein Prozent betragen. Erst anhand dieser Werte lässt sich darauf schliessen, ob die Informationen zum Anteil freier Fettsäuren (berechnet als Ölsäure), der unter 0,3 Prozent liegen sollte, sowie die Peroxid- oder Reifezahl, die nicht über 5 mg/l liegen sollte, natürliche Werte darstellen. Und nur sehr kleine Werte der Summe der Fettsäureethylester (FAEE) weisen darauf hin, dass das Olivenöl im Produktionsprozess keinen hohen Temperaturen ausgesetzt war.

Die ganz milden Olivenöle weisen geringe Polyphenolwerte auf und können für geübte Verkoster ranzig wirken, obwohl sie vielleicht noch gar nicht alt sind. Jede Reifung ist ein Abbauprozess. Beim Olivenöl führt der Abbau der Aromen und sekundären Pflanzenstoffe zur Reduzierung des Ölgeschmacks. Solange der Gaumeneindruck ein buttriger ist, ist dies tolerabel. Leider schlägt das Buttrige schnell in den Geschmack von altem Fett um. Es gibt Sorten und Typen, die insgesamt eher floral und weniger intensiv pfeffrig-fruchtig anmuten. Nahezu alle Olivensorten in den nördlichen mediterranen Regionen bringen nur eine schwache bis mittlere Intensität an herben und pfeffrigen Noten hervor. Auch das Gros der Insel-Oliven erbringt nur geringe Bitter-, oft aber ausgeprägte Pfeffernoten.

Wie lange ist ein Olivenöl haltbar?

Der Alterungsprozess des Olivenöls, der quasi schon bei der Olivenernte beginnt, lässt sich verzögern, aber nicht aufhalten. Wie lange man die Alterung hinauszögern kann, hängt von der Stabilität der Sorte und der Qualität des Öls ab. Kontraproduktiv ist auf jeden Fall, das Olivenöl grossen Temperaturschwankungen auszusetzen. Ein Fünf-Liter-Kanister macht nur Sinn, wenn man ihn schnell verbraucht. Schon nach drei Monaten beginnt die Qualität durch den Sauerstoff im Kanister zu leiden. Wie beim Wein ist das Erntedatum von Relevanz. Sowohl Trauben als auch Oliven müssen am Tag der Ernte verarbeitet werden. Das Abfülldatum und die darauf geltende gesetzliche Regelung von weiteren 18 Monaten Haltbarkeit ist ein Dilemma der internationalen Olivenöl-Lobby. Für preiswerte Industrieware ein Glücksfall. Für Sie als Konsument eine Katastrophe.

VINUM-Tipp:

Kaufen Sie nur bei Händlern, bei denen das Erntedatum des Öls auf den Flaschen steht. Die Angabe der Haltbarkeit sagt nichts aus: Wer unsauber arbeitet, füllt schon in der Ölmühle ranziges Öl ab. Altes Olivenöl wird von Grossunternehmen auch gern mit frischem Öl gepanscht. Oder Öl von veralteten Ölmühlen, das schon ranzig aus der Presse läuft, wird noch etwas mit «guter» Ware aufgemischt. Wir empfehlen, im Jahresrhythmus der Ernte immer wieder frisch zu kaufen.

Olivenhain an der Ahr

Aus einer Weinlaune heraus fand sich Oliver Heimermann auf der Suche nach Gleichgesinnten im Olivenölgeschäft wieder. Denn aus der Idee entstand ein Olivenhain an der Ahr. Peter Kriechel besass eine passende Fläche oberhalb des berühmten Kräuterbergs in der Weinlage Alte Lay. Gemeinsam begannen die beiden, das Terroir, den kompatiblen Boden und das vor Wind schützende Wäldchen dahinter zu nutzen und mit den Olivensorten Moraiolo, Frantoio, Leccino, Pendolino (als Bestäuber), Picual, Hojiblanca und Arbequina zu bepflanzen. Im Olivenhain an der Ahr dauern die Kälteperioden nur kurz an. Es ist ein Projekt der Zukunft: Bis die ersten verwertbaren Oliven hier wachsen, dauert es zwar noch einige Jahre, doch das schmälert die Euphorie der deutschen Oliven-Pioniere keinesfalls. Beim nächsten Spaziergang an der Ahr bietet es sich an, dieses Projekt in Augenschein zu nehmen.

Geiz ist ein schlechter Ratgeber

Im Gespräch mit Olivenöl-Experten, die seit Jahren vor Leidenschaft für dieses grossartige gesunde Lebensmittel brennen, wurde immer klarer, welch hohen Stellenwert die Natur und hierbei der Respekt vor Olivenbaumlandschaften hat. Diversität und Terroir sind die Basis für guten Geschmack. Zum Glück bewegt sich viel, und die Revolution der schnellen Verarbeitung von Oliven ist in vollem Gang: Immer mehr professionelle Oliviers teilen ihr Wissen mit Quereinsteigern. Es gibt mittlerweile selbst grössere Produzenten, die trotz stattlichen Literzahlen in der Produktion – ähnlich wie bei renommierten Weingütern– Jahr für Jahr gute Qualität abliefern. Leider gibt es auch die «bösen Buben», die wenig kontrolliert die Nachfrage nach Billigöl mit allen Tricks und vorrangigem Wettbewerbsgedanken bedienen. Und der Ausdruck «Natives Olivenöl Extra» ist kein Garant für Qualität. Die biologische und naturnahe Bewirtschaftung birgt eine grosse Freiheit in sich. Wer sich mit naturbelassenem Land, gesunden Olivenbäumen und seiner Tradition für reinen Geschmack einsetzt, wird sicherlich zufriedener.

In den LifevisionLab-Kristallisationsbildern wird die subtile Lebensenergie abgebildet. Man betrachte den Vergleich einer konventionellen Kalamata-Olive im Vergleich zu einer Bio-Kalamata-Olive (siehe Foto). Bei Nicht-Bio-Lebensmitteln weist ein ganzer Tropfen (50-fache Vergrösserung) in der Mitte immer ein grosses Loch auf, in dem keine Informationen gestaltet werden konnten. Eingesetzter Kunstdünger und Pestizide zerstören die feinstoffliche Energie, und «das Leben» wird an den Rand bedrängt. Ausserdem weisen die Details starre, stark industriell geprägte rechteckige Formen auf, mit 90°-Verästelungen. Bei Bio-Lebensmitteln sind alle Tropfen mit pflanzlichen Formen gefüllt und weisen keine Löcher auf, was ihre kraftvolle Energie aufzeigt. Zu sehen sind feine Verästelungen, filigranes Gewebe und weiche Linien. Oft ist auch die Sechsblättrige Blume als höchste energetische Form zu sehen oder, wie zum Beispiel bei Bioäpfeln, deutlich sichtbare Baumstrukturen. Auch bei Bio-Oliven können Olivenblüten, Olivenfrüchte und Baumstrukturen erkannt werden. Dadurch wird sozusagen eine Korrelation zwischen Mikro- und Makrokosmos hergestellt.

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