Travel like a Pro

48 h in Torino

Text: Christian Eder, Fotos: gettyimages.ch / ALEKSANDAR GEORGIEV, shutterstock / Tish11, gettyimages.ch / rarrarorro, gettyimages.ch / Amanda Goehlert, z.V.g.

Von der mondänen Residenz der Savoyer über die industrielle Motorenschmiede von Fiat bis hin zur luftigen kleinen Weltstadt mit Flair, die sie heute ist: Turin hat viele Facetten. Dabei kann sie in ihrem piemontesischen Hinterland kulinarisch aus dem Vollen schöpfen. Auch während und nach der Corona-Pandemie ist sie eine Reise wert.

Turin ist ein Stück besonderes Italien: Zuerst Hauptstadt des Königreichs der Savoyer, später Motor der industriellen Revolution Italiens, war die Stadt am Po stets mehr als eine Provinzhauptstadt. Als Antipode zum geschäftigen Mailand und Rom ist Turin bis heute für viele Italiens Capitale del Cuore geblieben. Im Herzen des Piemont kann sie auch kulinarisch aus dem Vollen schöpfen: Wein, Trüffeln, Pasta unterschiedlichster Form und Provenienz, hervorragende Fleischspezialitäten sind allgegenwärtig. Natürlich dominiert die piemontesische Küche: Agnolotti dal Plin, Carne Cruda, Vitello tonnato, und im Oktober und November sind die weissen Trüffeln aus Alba fixer Bestandteil der täglichen Kost. Hier hat auch Eataly, das italienische Gourmetmekka, seine erste Niederlassung eröffnet, und Bars und Restaurants findet man nicht nur rund um den Ausgehbezirk «Quadrilatero Romano », das römische Viertel.

Prachtbauten wie der barocke Palazzo Madama oder der Palazzo Reale mit seinen opulenten Sälen, vergoldeten Wohnräumen und dem königlichen Museum laden ebenso zum Sightseeing wie das Turiner Grabtuch in einer Kapelle des Turiner Doms (das allerdings erst 2025 wieder ausgestellt werden soll). Turin nennt aber auch einzigartige Museen sein Eigen, allen voran das Ägyptische Museum mit einer der besten Sammlungen weltweit; oder das Filmmuseum in der Mole Antonelliana, dem imposanten Wahrzeichen der Stadt; nicht zu vergessen das Mauto, das Museo del Automobile in Lingotto, der Heimat von Fiat. Dort, auf dem Dach des Fiat-Gebäudes, war einst sogar die Teststrecke für die hauseigenen Boliden in Betrieb. Wer schicke Flaniermeilen mag, ist auf der Via Roma richtig, wo sich die Läden von Vuitton, Prada und Ferragamo aneinanderreihen.

Danach ruht man sich ganz nach Turiner Art bei einem Aperitif in einer der Bars oder einem im Liberty-Stil, der italienischen Variante des Jugendstils, gehaltenen Caffè wie dem Mulassano oder dem Baratti & Milano aus. An Abenden, wenn Juventus Turin – die kultigere der beiden Stadtmannschaften – gespielt hat, kreist allerdings auch hier die Diskussion um die Vereinsfarben Schwarz und Weiss. Und das bis spät in die Nacht.

Tag 1

9 h Macchiato im Mulassano 1

Zum Start in den Tag ein Muntermacher in einem der schönsten Kaffeehäuser der Stadt: Im Liberty-Stil gehalten, verströmt das Lokal das Flair von anno dazumal, dazu kann man in den ausgedehnten Spiegelflächen die Turiner betrachten, die wegen des hervorragenden Kaffees und der Tramezzini – der belegten Brotschnitten – herkommen, die hier vor hundert Jahren erfunden wurden. Zum Abschluss empfiehlt sich ein Gläschen Mulassano Vermouth, wie es einst auch die Schauspieler und Sänger des nahen Teatro Regio – des Turiner Opernhauses – taten.

Caffè Mulassano
Piazza Castello, 15
+39 011 54 79 90
www.caffemulassano.com 

10 h Riso und Robiola2

Piemontesische Köstlichkeiten findet man neben Kleidung, Schuhen und (jeden Samstag) Antiquitäten auf dem Mercato Porta Palazzo im Herzen der Stadt, dem grössten Freiluft-Markt Europas. Kenner bekommen bei Spezialitäten wie Riso Gigante di Vercelli (Reis aus Vercelli), dem Robiola di Roccaverano (einer Käsespezialität) oder dem Sedano Rosso di Orbassano (einer roten Sellerie-Variante) leuchtende Augen und knospende Geschmackspapillen. Nach einem Bummel hat man sich das Glas Arneis in einer der kleinen Bars an der Piazza verdient.

Mercato Porta Palazzo
Piazza della Repubblica
+39 011 089 80 40

13 h Rabezzani im Rabezzana3 

Ein Hort der piemontesischen Küche: Die Pasta – wie die hauseigenen Rabezzani (grosse Tortellini mit Trüffeln) oder die Agnolotti – wird hausgemacht und gleich auf der Terrazza oder im Kellerlokal serviert. Dazu gibt’s Weine aus eigener Produktion (Grignolino und Barbera) sowie eine breite Auswahl piemontesischer Kreszenzen aus der angeschlossenen Enoteca. Aber Vorsicht: Sollten Sie die deliziöse, aber mit Knoblauch angereicherte Bagna Cauda auf der Karte finden, meiden Sie einige Tage den Kontakt zu Ihren Mitmenschen!

Osteria Enoteca Rabezzana
Via San Francesco d’Assisi, 23/C
+39 011 54 30 70
www.osteriarebazzana.it 

15 h Film und Fernsicht4

Die Mole Antonelliana ist nach ihrem Erbauer Alessandro Antonelli benannt und mit ihren 167,50 Metern das Wahrzeichen Turins. Mit dem Panoramalift gelangt man mühelos bis in die Laterne über der Kuppel: 85 Meter über der Stadt hat man einen herrlichen Blick bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Alpen. Ein paar Meter tiefer lohnt eines der schönsten Filmmuseen der Welt den Besuch: das Museo Nazionale del Cinema mit seinen allein 37 700 Titeln in der Videothek. Im eigenen Kinokomplex finden drei Filmfestivals pro Jahr statt.

Museo Nazionale del Cinema
Via Montebello 20/A
+39 011 813 85 64
www.museocinema.it 

18 Uhr Aperitif am Po5

Rund um die ausgedehnte Piazza Vittorio Veneto nahe dem Ufer des Po wird der Aperitif aus tiefster Überzeugung gepflegt. Chef- Barmann Jacopo in La Drogheria empfiehlt als passende Medizin für jede Art von Weltschmerz seinen Daiquiri oder den klassischen Americano. Die Auswahl an Hochprozentigem ist gross und fantasievoll, dazu werden hausgemachte Appetithäppchen serviert. Später verwandelt sich La Drogheria übrigens in eine Nachtapotheke: Hochprozentige Medizin gibt’s bis zur Morgenstunde.

La Drogheria Cocktail Bar
Piazza Vittorio Veneto, 18/D
+39 011 812 24 14
www.la-drogheria.it 

20 Uhr Tonno vitellato6

Tonno vitellato con maionese di bottarga (Thunfisch in Kalbfleisch mit Fischrogen-Mayonnaise): Die Neuinterpretation des piemontesischen Klassikers Vitello tonnato (Kalbfleisch mit Thunfischsauce) ist der Signature Dish des Cannavacciuolo Bistrot, für den sich ein Spaziergang an das westliche Ufer des Po lohnt. Der Chef, Antonino Cannavacciuolo, hat sich schon am Lago di Orta seine Michelin-Sterne erkocht, bevor er sein stilvolles Bistrot in Turin eröffnete. Auch die Weinkarte lässt kaum Wünsche offen, was Bollicine, Barolo und Barbaresco betrifft.

Cannavacciuolo Bistrot Torino
Via Umberto Cosimo, 6
+39 011 839 98 93
www.cannavacciuolobistrot.it 

Tag 2

9 h Cappuccino und Cornetto7

Den Tag beginnen wir mit einer Shopping- Tour entlang der Via Roma, der wichtigsten Einkaufsmeile der Stadt. Die 700 Meter lange Fussgängerzone mit ihren Arkaden reicht von der Piazza San Carlo bis zum Palazzo Reale. Bevor wir uns aber auf Mode von Prada oder Schuhe von Salvatore Ferragamo stürzen, gibt es noch Cappuccino und Brioche im Caffè Torino, einer der Kaffeehausinstitutionen an der zentralen Piazza San Carlo. Hier sassen schon Brigitte Bardot und Cesare Pavese und genossen die hausgemachte Pasticceria.

Caffè Torino
Piazza San Carlo, 204
+39 011 54 51 18
www.caffe-torino.it

11 h Il Bicerin8

Alexandre Dumas, Nietzsche oder Puccini haben ihn hier schon genossen: den Bicerin, den kräftigenden Turiner Muntermacher aus Kaffee, Schokolade und Sahne, wie er im gleichnamigen Kaffeehaus gegenüber der kleinen Kirche der Consolata – der Stadtheiligen – ausgeschenkt wird. Besitzer Alberto Landi sieht sich dabei als Kurator des 1763 gegründeten Etablissements und seines Getränks. Die beste Aussicht auf die Zubereitung des Bicerin hat man übrigens am Tisch neben der Marmortheke, wo man das Procedere hautnah verfolgen kann.

Caffè al Bicerin
Piazza della Consolata, 5
+39 011 436 93 25
www.bicerin.it

13 h Natur pur9

Vor allem Anhänger von Naturweinen kommen im Magazzino 52 auf ihre Rechnung – aber nicht nur: Auch Giacomo Conterno oder Bartolo Mascarello finden sich in den Regalen, die als Begrenzung zwischen den Tischen im stylishen Backsteinbau dienen. Wir wählten einen Rossese di Dolceacqua von Testalonga aus dem nahen Ligurien zu unserer Pasta mit Fisch und zum hervorragenden Steak Tartare. Nur beste Materia Prima, vorwiegend von lokalen Produzenten, wird verwendet, bis hin zum Fisch aus Ligurien.

Magazzino, 52
Via Giolitti 52/A
+39 011 427 19 38
www.magazzino52.it 

15 h Gianduia und Cioccolato10

Die Turiner Gianduia entstand, als in den Zeiten Napoleons auf Waren aus den englischen Kolonien – darunter Kakao – Zölle erhoben wurden: In Turin wurde die Schokolade daher mit gerösteten und gemahlenen Haselnüssen gestreckt – und wird es bis heute: Die wohl beste Gianduia der Stadt kommt aus dem Laboratorium von Guido Castagna, erwerben kann man sie in seinem kleinen Shop nahe dem Ägyptischen Museum. Versuchen Sie in jedem Fall auch den Gianduia-Brotaufstrich, der jede Nutella verblassen lässt.

Guido Castagna
Via Maria Vittoria, 27/C
+39 011 19 88 65 85
www.guidocastagna.it

18 h Auto und Aperitif11

Nach einem Besuch im Mauto, dem Turiner Automobilmuseum in Lingotto, ist ein Besuch bei Eataly Pflicht: Das erste Gourmetmekka wurde von Oscar Farinetti 2007 in einer stillgelegten Vermouth-Fabrik eröffnet. Der Schwerpunkt von Shops und Restaurants liegt natürlich auf piemontesischen Spezialitäten. Auf der Grande-Dehors-Terrasse lockt dann noch ein Aperitif: ein klassischer Spritz oder ein Wein aus Farinettis Kellerei-Imperium, das auch die eleganten Perlen der Franciacorta-Kellerei Monterossa umfasst.

Eataly Via Nizza, 230/14
+39 011 19 50 68 01
www.eataly.net

20 h Pasta und Bagna Cauda12

Claudio Vicina verfeinert in seinem Restaurant alte, einfache Rezepte zu einem Potpourri an Aromen und Geschmäckern. So gibt es die Bagna Cauda – eigentlich ein deftiges Hauptgericht – als Drink vorab. Aber das michelinbesternte Casa Vicina ist nur eine der Möglichkeiten, hervorragende piemontesische Küche bei Eataly zu geniessen: Im La Pasta e il Fritto wird die Pasta des Pastificio Afeltra zu Agnolotti dal Plin und zahlreichen anderen Kreationen verfeinert. Für Freunde von Carne Cruda ist hingegen das Restaurant La Carne die ideale Lösung.

La Pasta e il Fritto
Via Nizza, 230
+39 011 19 50 68 01
www.eataly.net 

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