Überraschend kombiniert

Gebeizter Lachs mit Chasselas

Text: Benjamin Herzog, Foto: Martin Hemmi

Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von Wein und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen in dieser Serie vor. Zu rohem, gebeiztem Fisch serviert Benjamin Herzog Chasselas.

 

Ich bekenne: Ich mag Chasselas nicht besonders. Es ist mir schleierhaft, warum man in der Schweiz dem ohnehin schon säurearmen Gutedel den letzten Nerv mit einem biologischen Säureabbau nimmt. Doch ich habe längst akzeptiert, dass diese Weine zu gewissen Schweizer Gerichten ganz einfach dazugehören – etwa zum Papet Vaudois, zum Fondue oder zum Raclette. Wenn so etwas auf den Tisch kommt, trinke auch ich Chasselas, und das sogar gerne. Bei traditionellen Wein-Speise-Kombinationen überlegt man sich ja oft gar nicht, warum der Wein zum Essen passt oder nicht. Es ist ganz einfach so – die beiden gehören zusammen. So ging mir das auch lange mit den Chasselas-Kombinationen.

Welcher Logik Chasselas-Weine bei der Vermählung mit Speisen tatsächlich folgen, zeigte mir vor einiger Zeit ein ganz anderes Getränk: japanischer Sake. Ich nahm in einer Zürcher Weinhandlung an einer Reiswein-Degustation teil. Ein Importeur wollte unsere Meinung zu verschiedenen Produkten erfahren und servierte uns unter anderem eine kleine gelbe Flasche mit einer Illustration eines Stücks Käse darauf. Er erklärte, dass Sake hervorragend zu Käse passe, und versicherte, dass ihm ein Fondue mit Sake angerührt noch besser schmecke als das Original mit Schweizer Weisswein.

Beim Kosten dieses Käse-Sake ging mir ein Licht auf: Der Gaumeneindruck dieses überdurchschnittlich weichen, geschmeidigen Reisweins erinnerte eindeutig an einen klassisch gekelterten Chasselas, einen Weisswein also, der den biologischen Säureabbau zu hundert Prozent durchlebt hat.

Durch das Käse-Sake-Erlebnis wurde mein kulinarisches Interesse am Chasselas geweckt. Ich ahnte, dass es möglich sein müsste, Gerichte, zu denen traditionell Reiswein getrunken wird, mit Chasselas zu kombinieren. Schon meine ersten Experimente verhiessen Gutes: Ich kombinierte den Morges La Côte AOC Vieilles Vignes 2011 der Genossenschaft Uvavins mit Sushi. Die Kombination gefiel zwar, und der Wein tat dem Gericht nicht weh, jedoch fehlte noch das gewisse Etwas, die Geschmacksexplosion, die mich das Experiment auch hätte wiederholen lassen. Ich vergass die ganze Geschichte also wieder.

Darauf zurück kam ich erst einige Monate später, als ich von einer Reise aus Chile heimkehrte. Dort war mir oft Ceviche serviert worden: ein Gericht, bei dem Fisch, Jakobsmuscheln, Garnelen oder andere eiweisshaltige Speisen in Limettensaft gebeizt werden. Mit diesem Vorgehen wird das Eiweiss denaturiert – ähnlich wie beim Kochen. Zu Hause wollte ich mit der Technik experimentieren und kaufte ein frisches Lachsfilet und Limetten, dazu öffnete ich eine Flasche klassischen, jugendlichen Chasselas...

Seit diesem Tag habe ich immer ein paar Flaschen Chasselas zu Hause – man weiss ja nie, wann einen die Lust auf Exotisches überkommt.

Versuchen Sie’s!

Die Speise

Die Grundzutat dieser Kombination ist rohes Lachsfilet, das in kleine Würfel geschnitten und in Limettensaft gebeizt und so denaturiert wird. In Südamerika existieren verschiedene Versionen dieser sogenannten Ceviche. Sie wird etwa mit Zwiebeln, Chili, Koriander oder auch Staudensellerie angereichert, zudem werden verschiedene Meeresfrüchte und Fischarten verwendet. Für die hier beschriebene Kombination sollte aber Lachsfilet der Vorzug gegeben werden. Bei der Zubereitung nur so viel Limettensaft verwenden wie wirklich nötig (maximal eine halbe Limette auf hundert Gramm Fisch), 15 Minuten ziehen lassen, mit Salz und Pfeffer würzen und je nach Geschmack Frühlingszwiebeln, Schnittlauch oder auch ein wenig Chili oder Koriander beifügen.

Der Wein

Am besten macht sich zum gebeizten Fisch ein ganz klassisch ausgebauter, leicht gereifter Chasselas (Gutedel), bei dem der biologische Säureabbau zu hundert Prozent stattgefunden hat. Wir haben mit einem 2011er aus dem Kanton Neuenburg experimentiert, der Wein war bei unserer Verkostung also gute zwei Jahre alt. Das gewählte Gewächs sollte nicht allzu aromatisch sein. Bitte darauf achten, dass der Chasselas im Auftakt nicht nur von der Kohlensäure getragen wird und einen präsenten, spürbaren Weichteil aufweist.

Die Mariage

Dass leichte Weissweine zu Fisch passen, ist selbstverständlich. In diesem Fall trifft aber eine südamerikanische Zubereitungsmethode auf die urschweizerische Weinspezialität Chasselas. Mit ihrem weichen, leichten Charakter erinnern diese Weine zuweilen an japanischen Sake, und somit ist es kein Wunder, dass sie mit Gerichten aus rohem Fisch ebenso gut harmonieren wie der Reiswein mit Käse. Behalten Sie bei der Zubereitung der Ceviche unbedingt etwas unbehandelten Lachs zurück, um damit und mit dem Wein zu experimentieren. Dabei zeigt sich deutlich, dass der Limettensaft in der zubereiteten Ceviche dazu beiträgt, dass der Fisch noch besser mit dem Wein harmoniert. Darüber hinaus gewinnen die meisten Chasselas-Weine an Frische und Spiel.