KULINARIK

Weinvariationen zu: Lamm!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Um aber Einwände gleich vorwegzunehmen: Wir beschäftigen uns hier nicht mit Lammkoteletts und Rücken und Filet, denn damit wissen Sie selbst ausreichend anzufangen. Und selbst - verständlich ist eine Lammkeule, ein Gigot d’Agneau, ein wunderbarer  Braten. Entbeint, mit Dijon-Senf bestrichen, darüber eine Kruste aus  Brotkrume und Petersilie – da darf es gerne Sonntag sein, und natürlich  ist der rote Burgunder, der Ihnen als Klassiker jetzt vielleicht spontan  einfällt, perfekt dazu. Trotzdem plädieren wir eher für einen seiner  weissen Brüder. Probieren Sie mal einen nicht ganz jungen Puligny- Montrachet vom Château selbst dazu!  In ihrer ganzen Schönheit am Knochen langsam gebraten (und da- durch viel saftiger) orientiert sich die Keule mit Knoblauch, Zitrone,  Weisswein und Oregano auch gerne am griechischen Osterlamm. Noch  griechischer und sehr im Geschmack gewinnbringend wirkt sich das  Füllen mit einer Mischung aromatischer Kräuter von Oregano bis Minze in Kombination mit Fenchel und Feta-Käse aus. Und wenn schon auf dem Teller griechisch, dann auch im Glas: Der Tesseris Limnes von  Kir Yianni, eine Cuvée aus Chardonnay und Gewürztraminer, wird sich  sehr über die Kräuter freuen und Sie sich mit ihm. Warum wir uns so für Weisswein zum Lamm einsetzen? Weil das  Lamm an sich ja doch kein dunkles Kraftfleisch ist, sondern im Allgemeinen von jungen Tieren stammt und Rotweintanninen nur wenig  Fett entgegenzusetzen hat. Sie mögen nun einwenden, dass sich dieses  Fett als Gegenspieler zum Tannin durch Röststoffe und Fremdfett «er - setzen» lässt. Stimmt natürlich, und der beste Beweis dafür ist die klas-sische Begleitung des Osterlamms in Montefalco, mitten in Umbrien.  Die etwa sechs Monate alten Lämmer werden mit Schweineschmalz,  Fenchel, Knoblauch und Rosmarin gebraten. Früher, sagen die umbrischen Winzer, gab es dazu ein Glas vom kostbaren Sagrantino Passi- to, dem Süsswein aus den bis Weihnachten auf Stellagen getrockneten Trauben dieser extrem tanninreichen alten Sorte. Heute wird der  Hauptteil an Sagrantino-Trauben längst zu stoffigem trockenen Wein  verarbeitet, der überraschend elegant ausfallen kann und sehr gut zum  Lamm passt. Probieren Sie etwa den Fracanton von Fongoli. Von Umbrien in Richtung Nordafrika, zum Méchoui, also einem gan- zen, sehr langsam am Spiess gebratenen Lamm. Mit Olivenöl, gesalzener Butter und Kräutern immer wieder bepinselt, lässt es sich zu guter,  duftender Letzt mit den Fingern essen, weil es saftig-zart beinahe vom  Knochen fällt. Wer das je erleben durfte, der weiss, dass in dieser Situation, unter freiem Himmel, die Finger im Fleisch, am besten ein ganz  einfacher roter Landwein schmeckt. An einem gedeckten Tisch auf der  Terrasse verlangt eine ähnliche Zubereitung hingegen nach Eleganterem, weil Kulisse und Situation unser Gesamtgeschmacksempfinden  mit beeinflussen. Und da sind wir wieder beim Weisswein, allerdings  einem, der es mit an duftendes Harz erinnernden Noten und einer über  80-jährigen weissen Grenache-Reben geschuldeten unglaublichen  Aromendichte mit unzähligen Rotweinen an Statur aufnehmen kann:  der Sentits Blanc des katalanischen Weinguts Puiggròs. Der sich auch  bestens mit einem klassischen Couscous verträgt, wenn wir schon in  Nordafrika sind, mit Rosinen, mit Safran, mit Tomaten, mit Harissa und  Hals, Nacken oder Rippchen, in der Brühe gekocht.

 

Grechetto-Weine zu Geschmortem

Zurück nach Norden: Hals und Nacken machen sich auch hervorragend in einem Lancashire Hotpot, dem nordenglischen Pendant zum elsässischen Baeckeoffe, einem Gericht, das im Ofen langsam vor sich hin schmort. In Lancashire werden dafür Kartoffel- und Zwiebelscheiben mit dem Fleisch geschichtet (zuletzt Kartoffeln), mit Salz und Pfeffer gewürzt, bis zur Hälfte mit Wasser aufgefüllt, mit Butterflocken obenauf. Klingt simpel (und lässt sich mit Lammnieren aufpeppen), schmeckt aber so oder so überraschend köstlich und verdient einen wirklich guten Tropfen. Suchen Sie nach einem der aussergewöhnlichen Grechetto-Weine von Roberto di Filippo, dessen feine Herbe und dichte Frucht die warmen Schmoraromen beleben. Hoffentlich versorgt Ihr Metzger Sie auch mit anderen köstlichen Innereien, die so ein Lamm zu bieten hat, wenn es nicht als tiefgefrorenes Teilstück um die halbe Welt gereist ist. Bitten Sie ihn, den Nieren ihren Fettmantel zu belassen. Salz, schwarzer Pfeffer, heisser Ofen – nur nicht zu lange, eine rosa gebratene Niere ist eine gute Niere, die dann hocherfreut ist über einen gereiften, klassischen Rotwein aus Bordeaux. Lammherz: in dicke Streifen schneiden, kurz braten. Lammzunge: wässern, häuten, in Scheiben schneiden, kurz braten. Lammleber: häuten und am besten im Ganzen braten. Alles äusserst delikat und überaus weinaffin, auch in Rot! Greifen Sie nach etwas nicht zu Jungem, gut Ausbalanciertem, Elegantem wie dem Pinot Noir No. 3 vom Thurgauer Schlossgut Bachtobel. Nicht lammfromm, sondern lammgut.

DIE WEINE

Le Blanc du Mas

Jullien 2013

Olivier Jullien

Jonquières, Languedoc (F)

14 Vol.-% | 2017 bis 2020

Carignan Blanc und Grenache Blanc plus einige andere Languedoc-Sorten, am Rand des Plateau von Larzac so schlicht ausgebaut, wie die landweinartige Flasche anmutet – im Glas grosser Wein, noch ganz am Anfang, erste Reife führt komplexe Blütenaromen (Fenchelduft in der Sonne) mit Zitrusfrucht und Erde zusammen. Sehr lang und gelassen.

Grauburgunder

Weitwinkel 2015

Alexander Gysler

Weinheim, Rheinhessen (D)

13 Vol.-% | 2017 bis 2025

In Weinheim, zwischen Bad Kreuznach und Worms, kommt Rotliegendes zum Vorschein, ein schieferartig komprimierter Sandstein, der den Weinen eine ganz besondere Würze verleiht – vor allem wenn sie so einfühlsam ausgebaut werden wie bei Gysler. Leise Töne sind hier Programm, Honigcreme ohne Süsse und steinige Tiefe.

Kadarka 2015, Heimann

Szekszárd (H)

12 Vol.-% | 2017 bis 2020

Unter dem ersten Anflug von Erdbeere verbirgt sich transparente, herbe Kräuterwürze, die sich mit reifer Säure und Mineralik verbindet und nahezu weissweinartig anmutet. Von einem der Kadarka-Spezialisten Ungarns: Heimann hat 2015 auch erstmals eine Kadarka- Cuvée aus eigenen Klonen abgefüllt (die zum Lamm allerdings noch zu jung ist).

Ossobuco vom Lamm mit Karotten und Tahini

Wir lieben Ossobuco und wir schätzen das saftige Fleisch der Lammhaxen – hier kombinieren wir beides mit traditionellen Ingredienzien wie Knoblauch, Petersilie und Zitronenschale sowie Exotischem wie Tahini. So schmeckt der Frühling!

Für 4 Portionen

• 1 bis 1,2 kg Lamm-Hinterhaxen, in 3 cm dicke Scheiben gesägt • Salz • Weisse Pfefferkörner, grob geschrotet • 50 ml Olivenöl • 300 g helle Zwiebeln • 3 Knoblauchzehen • 250 ml Weisswein (trocken, nicht zu säuerlich) • 2 Bund glatte Petersilie, Blätter und Stängel getrennt • 500 g Karotten • 75 ml Olivenöl • ½ kleines Glas Anchovis in Öl (ca. 12 Filets) • 1 unbehandelte Zitrone • 4 TL Tahini (Sesampaste) 1)

Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen, in einem flachen Schmortopf im heissen Öl auf beiden Seiten bräunen, herausnehmen. Die Zwiebeln in grossen Würfeln und die halbierten Knoblauchzehen ebenfalls leicht anbräunen, das Fleisch daraufgeben und mit dem Weisswein angiessen. Kurz aufkochen, mit Wasser auffüllen, so dass das Fleisch gerade noch herausschaut, Petersilienstängel darauflegen, mit einem Deckel verschliessen und im vorgeheizten Ofen bei etwa 160 Grad ungefähr eine Stunde leise schmoren. Das Fleisch zwischendurch einmal wenden; die Flüssigkeit kocht etwa auf die Hälfte ein. 2) In der Zwischenzeit die Karotten schälen und grob raspeln, in Olivenöl ohne Farbe anbraten. Die grob gehackten Petersilienblätter und die fein geschnittenen Anchovisfilets untermischen und kurz mitbraten. Mit der frisch geriebenen Zitronenschale und Salz abschmecken. 3) Das Fleisch aus dem Schmorfond nehmen und auf einer Platte warmstellen. Die Petersilienstängel entfernen und den Fond mit den Zwiebeln durch ein nicht allzu feines Sieb giessen, dabei die Zwiebeln mit einer Kelle fest ausdrücken, so dass sie den Fond leicht binden. Die Sauce über das Fleisch geben, darauf die Petersilienkarotten anrichten, mit dem Tahini beträufeln und mit grob geschrotetem weissen Pfeffer bestreuen.

PROFI-TIPP

Lamm, Schaf oder Hammel? Und woher? Schafe sind sie allesamt: als Lamm maximal 12 Monate alt (in der Schweiz 14), als Jungschaf, Hammel oder Bock 12 bis 24 Monate, dann endgültig Schaf. Doch wann haben Sie das letzte Mal das kräftigere Fleisch von Hammel oder Schaf (die entgegen dem allgemeinen Sprachverständnis beide männlich oder weiblich sein können) angeboten bekommen? Wir essen vor allem Milchlamm, häufig um die Jahreswende geborene, für Ostern geschlachtete Tiere, mit acht Wochen noch sehr hell im Fleisch (Weisswein!), mit sechs Monaten schon ausdrucksvoller. Mastlämmer (englisch übrigens «hoggets») sind hingegen bis zu ein Jahr alt und werden zum Herbst geschlachtet, in der Schweiz auch als Alplämmer. Auf den Britischen Inseln heisst es, das Fleisch von Tieren aus den Bergen (in Wales, im Lake District, in Schottland, ganz zu schweigen von Irland) sei süsser, jenes aus den Tälern jedoch fetter, beides habe seine Vorteile, vorausgesetzt, es handle sich um eine gute Rasse und einen verantwortungsvollen Züchter und Schäfer. Die Herkunft sorgt also für einen geschmacklichen Unterschied, und das gilt nicht nur auf den Britischen Inseln.