Kulinarik

Weinvariationen zu: Erbsen!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Grüner Genuss im Frühsommer – wir schlafen uns den Rücken nicht blau, sondern drehen den Spiess um und erklären den Störfaktor zur Prinzessin und Hauptdarstellerin: Anmutig und charaktervoll verdient sie entsprechende Begleitung im Glas.

Die Erbse in ihrer frischen, süssen Form ist eine Erscheinung der Moderne. Sicher, die Welt hat sie in mehlig ausgereifter und getrockneter Form erobert. Aus Erbsenvorräten wurden schon im alten Mesopotamien und am Mekong Breie und Grützen gekocht, und im Mittelalter waren die runden Samen in ganz Mitteleuropa eines der günstigen, nahrhaften Grundnahrungsmittel. Aber wohlgemerkt, getrocknet (was auch aus der Weinsicht ein ganz anderes Thema ist), nicht als grüne, süsse Prinzessin. Die galt erst im 17. Jahrhundert in adligen französischen Kreisen als allerletzter Schrei. «Es gibt Damen, die nach dem Abendessen, und zwar einem ausführlichen Abendessen, zu Hause vor dem Zubettgehen trotz drohender Verdauungsbeschwerden Erbsen essen. Es ist eine Mode, es ist verrückt», schrieb Madame de Maintenon 1696 in Versailles. Optimaler, verführerischer Erbsenkick also nur mit eigenem Garten, womöglich eigenem Gärtner? Wahre Prinzessinnen haben ihre Ansprüche – denen die Konservenindustrie sehr frühzeitig und nicht sehr erfolgreich nachkam. Dosenerbsen sind eher ein Aschenputtel, früher war nicht alles besser. Das wahre Erbsenmärchen findet hier und heute statt, in der Tiefkühltruhe (siehe unseren Tipp). 

Wenn uns die ganz grosse grüne Lust überkommt, dann dämpfen wir, salzen zart, schwenken ein Stück gute Butter ein – und erinnern uns mit einem feinherbschwerelosen Riesling von der Ruwer, wie dem Kehrnagel Kabinett von Kesselstatt, dass unsere Schöne zur Familie der Schmetterlingsblütler gehört; beinahe heben wir selbst mit ab! Feinherber Riesling ist auch eine gute Wahl, wenn wir Erbsen und Zuckerschoten kurz blanchieren und mit einem Dressing aus saurer Sahne zum Salat mischen, den wir mit schwarzem Pfeffer und frischen, zerrebelten Schnittlauchblüten akzentuieren.

Servieren wir den als Miniportion zum Apéro, passt auch ein Riesling-Sekt brut bestens und anregend dazu. Ebenfalls Apéro-geeignet ist ein Erbsendip aus frischen (aufgetauten) Erbsen, mit Limettensaft und Olivenöl püriert und mit Koriandergrün, einem Hauch Chili und Kreuzkümmel aromatisiert. Macht sich gut auf einem Kroepoek-Garnelenchip und freut sich sehr über Scheurebe der etwas kräftigeren Art, wie von Lüthi vom Zürichsee.

Die kräftige Seite der grünen Prinzessin

Dann ist es an der Zeit, auch die kräftige Seite der grünen Prinzessin zu erkunden. Wir kochen Tagliatelle und Erbsen und verbinden beides mit Rucola-Pesto – und siehe da, unsere grüne Holde ist Rotwein keineswegs abgeneigt! Gereifter, reifer Spätburgunder aus einer warmen Ecke wie dem Kaiserstuhl verleiht der Begegnung elegante Gravitas. Betten wir die Erbsen hingegen mit Kräutern, Ei und Ziegenkäse in eine Quiche, dann gefällt uns dazu weisser, kräftiger Wein wie der Saint-Chinian Montmajou von Les Eminades aus Grenache und etwas Marsanne. Der sich wiederum in seiner mineralisch-erdigen Art auch gut mit Spätzle verträgt, die wir ungewöhnlicherweise mit grünem Spargel, Morcheln und viel Erbsen anschwenken und mit Butter abrunden. Auch eher ungewöhnlich: eine junge Ente, angebraten und im eigenen Fonds im Ganzen gegart. Gegen Ende geben wir Erbsen und grünen Salat in groben Streifen zu, reduzieren dann den Fonds und legieren ihn mit Sahne und Eigelb zur Sauce. Schliesslich: Fleisch tranchieren, Gemüse dazu, Sauce darüber. Löffel nicht vergessen! Und den Wein: gereifter, grosser Riesling wie vor kurzem ein zwölf Jahre alter Ölberg von St. Antony vom rheinhessischen Rhein. Sonntagstauglich, schmeckt aber auch an anderen Wochentagen. 

Da wir über Fleisch gesprochen haben, sollten wir auch über Fisch reden: Unsere Prinzessin ist diesem gegenüber mehr als aufgeschlossen. Sie mag Lachs schon allein aus farbtechnischen Gründen (dünne Scheiben mit Butter unterm Grill angegart, mit einer Estragon-Beurre blanc), und wir steigern das Vergnügen noch mit trockenem Silvaner aus Franken, vom Escherndorfer Lump. Scholle, im Ganzen mit dünnen Speckstreifen gebraten, liebt sie gleichermassen an ihrer Seite, und wir öffnen einen der vollmundigen Grünen Veltliner von Bernhard Ott aus Feuersbrunn am Wagram.

Aber unsere Schöne kann auch ganz ohne tierisches Protein und trotzdem kräftig, als gestandenes indisches Curry: Kurkuma, Kreuzkümmel, Koriander und Senfsamen anrösten, sehr fein gehackte Zwiebel, kleine grüne Chili, frischen Ingwer und Knoblauch mitbraten, mit geriebener Kokosnuss und Kokosmilch dick und sämig einkochen. Zum Schluss: Erbsen, reichlich. Klebreis ergänzt das Ganze aufs Beste, und wir trinken gereiften Cabernet Sauvignon – das widerspricht allen gängigen Empfehlungen, doch der 2004er La Stoppa von Elena Pantaleoni aus der Emilia-Romagna sprengt auch alle Erwartungen.

Nach diesem Abenteuer bringt uns der Klebreis noch auf die Idee, ihn süss-salzig mit Kokosmilch zu kochen und statt der in Thailand üblichen Mangoschnitze süsse Erbsen unterzumengen und Pistazien darüberzustreuen. Ungewöhnlich, aber gut, genauso wie der feinzitrusbittere Lulì von Mauro Vergano aus Asti, ein weisser Chinato aus Moscato. Traum- und märchenhaft!

Träublein: Der Vergnügliche – tanzt fröhlich mit der Erbsenprinzessin.

Träublein NV
Sektmanufaktur Schloss Vaux
Eltville, Rheingau (D)

0 Vol.-% | 2018 bis 2019

Ohne Alkohol wird es im Weinglas meist ziemlich süss. Nicht so hier: Im Träublein treffen Trauben auf Schwarze Johannisbeeren und wirklich feines Mousseux (dank glutenfrei verarbeitetem Gerstenmalz), und die Süsse ist feinherb auf den Punkt gebracht: genau die richtige Bühne für die lieblich-lebhaften Prinzessinnen.

Life from Stone Sauvignon Blanc: Der Strahlende – erfrischt und belebt an heissen Sommertagen.

Life from Stone Sauvignon Blanc 2017
Springfield Estate, Robertson (ZA)

12,5 Vol.-% | 2018 bis 2022

Blitzig grün im Aroma wie die nachtkalte Luft in der Klein-Karoo-Halbwüste in Robertson, dann jedoch keine grüne Säure, sondern die dunkle Tiefe der sonnengewärmten, steinigen Böden, wo die Reben neben alten Pfirsichbäumen wachsen, auf dem Weingut rund zwei Autostunden westlich von Kapstadt. 

Táganan: Der Herb-kräftige – eine Handvoll Mandeln und eine Prise Umami zur grünen Süsse. 

Táganan Blanco 2016
Envínate
Teneriffa, Kanarische Inseln (ES)

12,5 Vol.-% | 2016 bis 2027

Vier junge spanische Önologen, die am Atlantik nach alten Reben suchen, die Trauben per Hand ernten, mit den Füssen stampfen und ohne Zusatz von Hefe vergären lassen. In Táganan an der Nordostküste von Teneriffa wachsen Listan Blanco, Albillo Criollo, Marmajuelo, Gual, Malvasia und einige andere Sorten im gemischten Satz auf Vulkanboden und sorgen im Glas für rauchig-nussige, aber auch salzige Noten.