Dossier Abruzzo 2020 • Consorzio Vini d'Abruzzo

Valentino Di Campli im Interview

Interview: Christian Eder, Foto: z.V.g.

Signor Di Campli, worin sehen Sie die Stärken des Weinbaus in den Abruzzen?

Die Abruzzen sind ein sehr vielfältiges Territorium, von den Sandstränden der Provinz Chieti über die hügeligen Lagen der Provinz Pescara oder des Teramano bis zu den Steillagen der Provinz L’Aquila. Das Klima ist beeinflusst durch das Meer auf der einen Seite und die Gebirgszüge der Majella und des Gran Sasso auf der anderen Seite. Die hier produzierten Weine sind aber auch ein Ausdruck von lokalen Traditionen. Als Konsortium wollen wir diese Unterschiede in Zukunft noch mehr herausarbeiten.

Für uns ist daher die Erhaltung der Biodiversität der Abruzzen sehr wichtig, vor allem die Kultivierung von autochthonen Rebsorten: Unser önologisches Erbe liegt daher nicht mehr nur bei Montepulciano d’Abruzzo oder Trebbiano d’Abruzzo, sondern auch bei unseren weissen Rebsorten Pecorino, Passerina, Cococciola oder Montonico.

Gewinnen dadurch Unterzonen immer mehr an Bedeutung?

Ja, im Augenblick sind allerdings nur Unterzonen für Montepulciano d’Abruzzo in Verwendung. In den nächsten Monaten hoffen wir aber, die Basis für weitere Unterzonen voranzutreiben. Wir haben in der Region Abruzzen Ursprungsbezeichnungen, die das gesamte Gebiet umfassen, aber in diesem grossen Gebiet gibt es viele Terroir-Unterschiede, an denen wir arbeiten und die wir auch propagieren müssen. Neben den Varietäten sind das der Mensch, das Klima, die Böden, die zum Terroir beitragen. Bislang haben wir diese Vielfalt nicht kommuniziert, dies werden wir in Zukunft tun.

Geht es dabei auch um weisse Varietäten, die zunehmend an Bedeutung gewinnen?

Trebbiano d’Abruzzo ist eine historisch wichtige Rebsorte, die optimale Ergebnisse hervorbringt, allerdings werden unsere Weine nach den Rebsorten benannt und Weine mit der Bezeichnung Trebbiano gibt es in Italien viele, und nicht immer in der Qualität wie der Trebbiano d’Abruzzo. Deshalb haben wir begonnen, mit anderen Rebsorten zu arbeiten: Pecorino war eine der ersten, und ist schon bislang die Basis für einen sehr interessanten, qualitativ hochwertigen Wein. Wir werden auch immer besser in der Interpretation von Rebsorten wie Passerina, Cococciola oder Montonico. Diese Varietäten besitzen auch Charakteristiken, die sehr gut zu Schaumweinen passen.

Wird die Schaumweinproduktion immer wichtiger in der Region?

Seit zwei Jahrzehnten arbeiten wir an Schaumweinen aus autochthonen Rebsorten. Schaumweinkellereien aus dem Norden Italiens oder auch dem Ausland haben Jahrzehnte lang unsere Weissweine als Schaumweinbasis verwendet, Montonico zum Beispiel. Die Ursprungsbezeichnung Abruzzo DOC sieht aber bereits seit 2010 Schaumweine nach der Metodo Classico oder der Metodo Martinotti vor. Unsere weissen Rebsorten sind hervorragend dazu geeignet spumantifiziert zu werden, ebenso wie Chardonnay oder Pinot Noir. Das ist auch eine Chance für die Region. Aber das ist erst der Anfang...

Mit dem Cerasuolo d’Abruzzo DOC sind Sie Teil des Istituto Vino Rosa Autoctono Italiano, das den italienischen Roséwein propagiert...

Noch ist der Roséwein in Italien etwas unterbewertet, wird aber immer wichtiger. Das ist ein positiver Trend, den wir sechs Konsortien des Istituto nun auch in Italien gemeinsam propagieren. Wir wollen die grosse Vielfalt und Qualität des italienischen Roséweines kommunizieren: Und da steht natürlich der Cerasuolo ganz zu vorderst in der Reihe: 2010 war Cerasuolo d’Abruzzo DOC die erste Ursprungsbezeichnung eines Rosé in Italien. Heute produzieren wir zehn Millionen Flaschen davon. Der Cerasuolo d’Abruzzo ist aber auch nicht mit anderen Rosati, zum Beispiel den provenzalischen Weinen, vergleichbar: Er besitzt mehr Struktur, mehr Charakter, ist vielseitig einsetzbar. Er passt zu Fisch- und Fleischgerichten gleichermassen, zu Primi und Secondi und ist besonders im Sommer ein hervorragender Aperitif.

Platzhirsch der regionalen Produktion ist aber natürlich der Montepulciano d’Abruzzo DOC?

Montepulciano d’Abruzzo ist eine der grossen Rebsorten Italiens. Sie ist terroirempfindlich, stark beeinflusst durch das Gebiet, in dem die Trauben wachsen, an den Riserve sieht man das besonders. Deshalb arbeiten wir auch daran, die Charakteristiken der Unterzonen immer besser herauszuarbeiten.

Sind die Kooperativen im abruzzesischen Weinbau nach wie vor sehr wichtig?

Die Kooperativen zählen inzwischen – qualitativ, nicht nur mengenmässig – zur Speerspitze der Produktion der Abruzzen. Mit mehr als 30 Kooperativen sind sie natürlich auch ein wichtiger Teil der Weinwirtschaft der Region. Das ist auch eine grosse soziale Verantwortung den vielen Genossenschaftsmitgliedern und ihren Familien gegenüber.

Wie haben die Schwierigkeiten mit der Covid-19-Pandemie den Markt beeinflusst?

Wir diversifizieren unsere Vertriebskanäle mehr: National und international. Wir müssen verstärkt zusammenarbeiten, im Konsortium, aber auch darüber hinaus. Die Abruzzen sind ein Gebiet, das auch immer mehr von den Italienern entdeckt wurde, das haben wir im Sommer 2020 bemerkt, als wir von italienischen Gästen quasi überrannt wurden. Wir sind aber auch eine einzigartige Region, die viele gerade erst entdecken..