#genuss #weinzumessen

Der Trend geht zum heimischen Wild

Text: Marina Eger, Fotos: Daniel Schneider

Wer heutzutage nachhaltig genießen will, sollte unbedingt auf beste Fleischqualität achten. Regionales Wild aus dem Ländle ist die diesbezüglich perfekt. Es enthält jede Menge gute Nährstoffe und schmeckt viel besser, als man denkt. Das zeigen unsere Jäger und Wildexperten in dieser Ausgabe!

Tizian Reinwald hatte kürzlich ein paar Freunde zum Grillen eingeladen. Der begeisterte Jäger und Metzgermeister servierte saftige Wildschweinhals-Steaks. Alle waren begeistert – und niemand hat rausgeschmeckt, dass tatsächlich Wild auf dem Grill lag. Wer kennt sie nicht, die typischen Wildvorurteile? Wild schmeckt irgendwie muffig, man muss es umständlich zubereiten, ja sogar über Nacht in Buttermilch einlegen, damit es genießbar wird. Noch dazu ist es schwierig zu beschaffen – und überhaupt: Was ist mit den schlimmen Parasiten im Wildfleisch? Davor muss man wirklich keine Angst haben, Wild wird sehr streng gesetzlich kontrolliert. Von den Jägern selbst, die im EU-Lebensmittelrecht geschult sind und Krankheitsbilder sofort erkennen würden. Wildschweine werden immer gesetzlich untersucht. Und woher kommt dieses Vorurteil, dass Wild muffig schmeckt? Dieses «Gschmäckle» – auch «haut goût» genannt – entsteht, wenn Wild zu lange oder zu warm abgehangen wird. Und ist dank ausgezeichneter Kühlung heutzutage überhaupt kein Thema mehr. Früher musste man diesen Geschmack irgendwie überdecken. Mit Rotwein-Beize oder einem ausgedehnten Buttermilch-Bad. Heute macht das niemand mehr. Und auch angestaubte Kreationen wie einen Rehrücken Baden-Baden mit Preiselbeeren und Birne findet man nur noch selten in Restaurants.

Moderne Wildkreationen begeistern Feinschmecker – und vor allem auch Hobby-Köche. Es ist überhaupt nicht kompliziert und zeitaufwändig, Wildgerichte in der eigenen Küche zuzubereiten. Ein Wildschweinsteak aus dem Beefer ist in weniger als einer Minute zubereitet – dank den 900 Grad Power-Hitze. Eine Kruste aus Apfel und Semmelmehl gibt dem Fleisch ein fruchtig-knuspriges Topping. Oder wie wäre es mit einem saftigen Burger vom Sika-Schmaltier mit grünem Spargel und Brioche Burger Buns? Anregungen gibt’s jede Menge im Netz, wo Wildköche wie Jonas Baumgärtner Rezepte posten. Sein Jagdfreund Samuel Golter hat übrigens seit Jahren kein Fleisch mehr gekauft. Er isst ausschließlich heimisches Wildbret und tauscht höchstens mal Fleisch mit einem befreundeten Lammzüchter.

Der Wildbret-Verbrauch in Deutschland steigt langsam, aber stetig an – genau wie die Anzahl der Jäger. Mittlerweile sind es mehr als 380.000 Jagdschein-Besitzer. Viele davon wollen einfach ein gutes Lebensmittel essen, welches absolut regional, naturbelassen und somit sehr nachhaltig ist – und da gibt es keine Alternative zum heimischen Wild. 

Tipp 1

Der jagende TV-Koch

Wenn sich Timo Böckle aufs Fahrrad schwingt, dann garantiert ohne buntes Fahrradtrikot. Er will auch keine Höhenmeter-Rekorde knacken, sondern nutzt das spezielle Jagd-Bike, um in sein Jagdrevier zu kommen. Dort genießt er die Zeit in der Natur, um völlig abzuschalten – ein perfekter Ausgleich für den beliebten TV-Koch. Wenn er was geschossen hat, ist der Rückweg by Bike natürlich mühsamer. Doch Azubis und Gäste freuen sich. Metzger-Sohn Böckle zeigt dem Nachwuchs in der gläsernen Küche von der Pike auf, wie man Wild fachgerecht zerlegt. Und die Gäste freuen sich auf wunderbare Kreationen, wie das Wildbrettle. Das Quartett vom heimischen Schalenwild führt einen quer durch die «entstaubte» Wildküche. Wer Ragout vom Stadtwaldreh im Dornfeldersößle, Hirschmedaillon in Wildkräuterkruste, Wildschnitzel mit Preiselbeerrettich und Jägermaultäschle aus Wildfleisch probiert hat, ist verblüfft: So kann Wild also auch schmecken?

Das liegt auch an den Zutaten, die drum herum verwendet werden. Seit knapp 20 Jahren gilt bei Timo Böckle: 100 Prozent der Lebensmittel kommen aus der Region. Die ist im Gegensatz zu pseudoregionalen Restaurants und Supermärkten mit einem Radius von 100 Kilometern Entfernung klar definiert. In der Karte werden Lieferanten aller Produkte von A wie Apfel bis Z wie Zwiebel aufgeführt. Auch Weine und Spirituosen kommen ausschließlich aus dem Ländle – die erste zu 100 Prozent schwäbische Weinkarte hat Böckles ehemalige «Bareiss»-Kollegin und Top-Sommelière Natalie Lumpp zusammengestellt!

Mehr Infos:
www.reussenstein.com

 

Der passende Wein

Lauffener Weingärtner EG

Grauburgunder trocken

Poet Lauffener Katzenbeisser 2017

Der Grauburgunder begeistert mit viel Körper und Fülle. Im Bukett erinnert er an gelbe Früchte, dabei ist er delikat und voll, mit kräftig-würzigem Geschmack. 

Preis: 7,20 Euro | www.lauffener-wein.de

Lecker!

Sie wollten immer schon mal Schinken selbst zubereiten, haben aber keine Räucherkammer? Kein Problem. Spitzenkoch Timo Böckle verrät uns sein Rezept für einen Burgunderschinken aus der Keilerkeule (Wildschweinkeule). Den können Sie ganz einfach selbst in der heimischen Küche zubereiten. Lediglich zur Beschaffung der Fichtenspitzen sollten Sie einen Waldspaziergang einplanen ...

Rezept-Download: www.weinheimat-wuerttemberg.de/rezepte

 

Tipp 2

Make Wild
great again!

Gäbe es eine Art Tinder für Jäger, wäre klar: Die WildRebellen sind definitiv «a perfect match». «Schuld» an deren Gründung ist Samuel Golter. Der gelernte Weinbautechniker geht seit fast 20 Jahren begeistert auf die Pirsch und ist für die Vermarktung von Wildbret beim Landesjagdverband Baden-Württemberg zuständig. Schnell war ihm klar, dass das angestaubte Image von Jagd und Wildfleisch aufpoliert werden muss, wenn man neue Zielgruppen begeistern und etwas verändern möchte. Das geht natürlich am besten, indem man zeigt, wie es besser geht! Alleine ist sowas schwer – darum suchte sich Golter Komplizen für sein Vorhaben und gründete die WildRebellen.

Mit Jonas Baumgärtner ist ein Spitzenkoch im Team. Er betreibt das Catering-Unternehmen «Wild Cooking» und zeigt in Kochkursen und auf Online-Portalen, wie man Wildfleisch mal ganz neu interpretiert: zum Beispiel Crème brûlée von der wilden Leber mit Kürbis und Schokolade. Metzger und Ernährungsberater Tizian Reinwald ist begeisterter Jungjäger.

Er weiß genau wie sein erfahrener Jagdkollege, Metzger und Grill-Profi Marcel Martig, wie man Wild perfekt zerlegt und kulinarische Highlights daraus zaubert. So wie die Wildsau-Wurst mit Heidelbeer-Chutney, die auch Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch auf der diesjährigen Stuttgarter Gartenmesse begeisterte. Dort haben die vier Jagdfreunde direkt auf der Live-Bühne Wild zerlegt und informiert, wie gesund und nachhaltig regionales Wildbret ist. Und dass niemand vor der Zubereitung Bammel haben muss!

Der passende Wein

Bottwartaler Winzer

Großbottwar

8 Chardonnay trocken 2018

Dieser Chardonnay besticht durch gekonnten Holzfassausbau. Intensive Aromen von Melone, Banane, Zitrusfrüchten, Karamell, Toast und Vanille steigen in die Nase. Am Gaumen zeigen sich ein kräftiger Körper, Schmelz, Cremigkeit und eine feinwürzige Holznote.

Preis: 8,50 Euro | www.bottwartalerwinzer.de

Lecker!

Die WildRebellen haben für uns Wildschwein-Racks mit cremiger Trüffelpolenta auf dem Grill zubereitet. Doch wo kann man regionales Wildschwein eigentlich kaufen? Auf der Website www.wild-auf-wild.de findet man Wildbret-Anbieter und Wild-Restaurants in der gewünschten Region. Hier wird auf Qualität und Herkunft geachtet – und man bekommt garantiert ein nachhaltiges Produkt!

Rezept-Download: www.weinheimat-wuerttemberg.de/rezepte

 

Tipp 3

«Wilde» kulinarische Events

Was macht man wohl für eine Ausbildung, wenn man als kleiner Bub in der familieneigenen Metzgerei und Gastronomie beim Schlachten und Kochen mitgeholfen hat? Man studiert deutsche Sprachwissenschaft. Zumindest ein paar Semester. Bis sich die Gene dann doch durchgesetzt und laut geschrien haben: «Tobias Scheu, genug studiert – komm endlich in die Gastronomie!» So folgte auf die «TV-Kochausbildung» – das exzessive Schauen von Biolek-Kochsendungen als kleiner Knirps – dann doch noch eine seriöse Lehre in der «Traube Tonbach». Dort kam Scheu in Berührung mit den hochwertigsten Lebensmitteln – eine Leidenschaft, die ihn bis heute nicht loslässt.

Nach Jahren in der Sterne-Gastronomie und im Delikatess-Großhandel hat er nun seine Passion gefunden und verbindet seine Top-Skills «Schwätzen & Kochen». (Noch) nicht im TV. In der eigenen Kochschule «Kitchen Confidential» in Kirchheim unter Teck. In wunderbarer Umgebung holt er seine Gäste aus dem Alltag ab, um sie kulinarisch zu verwöhnen. Zum Beispiel mit Wildspezialitäten, die er von Jägern aus der Region bezieht. Seine Gäste lernen bei ihm nicht nur die Produkte besser kennen, sondern auch jede Menge Tipps rund um die Zubereitung. Zum Beispiel, dass zum Rehrücken neben «wilden» Gewürzen wie Wacholder auch mal ein Purple Curry mit Hibiskusblüte passt. Und Rotkraut als roh marinierter Salat zum Orangen-Gel grandios schmeckt. Das finden auch regionale Jäger, die immer wieder gerne gemeinsam mit Spitzenkoch Tobias Scheu ihr Wildbret zubereiten.

Mehr Infos:
www.kitchen-confidential.de

 

Der passende Wein

Heuchelberg

Weingärtner eG

Lemberger trocken 2016

Kräftiger, komplexer und voluminöser Wein mit Aromen nach frischen und vollreifen Brombeeren und Schwarzen Johannisbeeren.

Preis: 9,40 Euro | www.heuchelberg.de

Lecker!

Spitzenkoch Tobias Scheu bereitet am liebsten Wildbret aus der Region zu. Da hat er ein gutes Gefühl – schließlich wurde es von Profis geschossen, erlegt und kontrolliert. Noch dazu ist es nachhaltig – ein Fakt, der ihm als kulinarischem Unternehmer besonders wichtig ist. Für die Leser der «Wein Heimat» hat er das Rezept für einen Rehrücken mit wunderbar fruchtigen Aromen kreiert.

Rezept-Download: www.weinheimat-wuerttemberg.de/rezepte