World of Champagne 2023 • Ist Champagner nur so teuer, damit Ölscheiche darin baden können? Leserin Frau Sonnenschein ist sich da offenbar sicher.

Leserbrief: «alles Unsinn, was sie da erzählen!», Frau Dr. Spark weiss Rat

Text: Barbara Schroeder

Mühe mit der Sprache des Champagners? Fachbegriffe, die Sie gerne erklärt haben wollen? Generelle Fragen zum laszivsten Wein der Welt.
Frau Dr. Spark bleibt keine Antwort schuldig.

Hallo Frau Dr. Spark, ich lese Ihre Champagnerbeilage seit Jahren, darum kann ich guten Gewissens sagen: alles Unsinn, was sie da erzählen! Champagner ist nur so teuer, damit Ölscheiche und anderes Gesindel darin baden können. Sie sollen es doch mal mit Seife versuchen! Das einzige Wertvolle am Champagner ist das Etikett! Champagner mache ich selber, kostet mich nur ein müdes Lächeln. Das Rezept habe ich der Grossmutter abgeluchst. Ich sammle Holunderblüten, gebe sie mit genügend Zucker, etwas Zitronensaft und kaltem Wasser in einen Kübel, rühre gut um (sechs mal im Uhrzeigersinn, einmal in der Gegenrichtung, und das so lange, bis der Zucker aufgelöst ist), lasse das Ganze über Nacht ziehen, fülle alles durch ein Sieb in gut gespülte Flaschen, verkorke diese luftdicht, stelle sie auf den Balkon an die Sonne und warte, bis sie explodieren! Dann schmeckt mein Champagner eben richtig! Ich bin sicher: Ihre famosen Winzer können das auch nicht viel besser! Emma Sonnenschein, Bonn

Danke, werte Frau Sonnenschein, für das originelle Rezept, das ich gleich testen werde. Eines hat es schon mit echtem Champagner gemein: Da explodierten früher auch die Flaschen! Erfunden wurde der Champagner im ausgehenden 17. Jahrhundert. Die Kunst der Glasherstellung war damals nicht so perfektioniert wie heute. Der Druck in einer Flasche mit gärendem Wein erreicht bis zu sechs Bar, der kleinste Fehler im Glas führt zu Scherben. Manchmal ging die halbe Ernte flöten! Arbeiter mussten einen Kopfschutz tragen, bevor sie sich in den Keller wagten. Auch auf dem Transport vom Keller zum Kunden ging so manche Flasche verloren, auch wenn nicht klar ersichtlich ist, ob sie explodierten oder durstigen Fuhrleuten zum Opfer fielen. Doch nicht das ist der Grund, warum Champagner relativ teuer ist. Man erhält auch einigen Gegenwert dafür. Der Preis mag mit Prestige und Luxuskultur zu tun haben, doch vor allem mit einer extrem aufwendigen Fabrikation und der besonderen Struktur der Champagne, in der echte Arbeitsteilung herrscht.

Das Anbaugebiet ist beschränkt und kann nicht beliebig ausgeweitet werden. Champagnerlagen sind gesucht, rar und sehr teuer. Dennoch stehen die Rebberge bis heute massgeblich im Besitz der Winzer, die oft nur ein paar Aar Rebland ihr Eigen nennen. Für Herstellung, Ausbau und Kommerzialisierung ist hingegen weiter vorab der Handel zuständig (selbst wenn selbstkelternde Winzer und Genossenschaften in den letzten Jahrzehnten zunehmend Marktanteile erobern), der folglich einen Grossteil seiner Trauben beziehungsweise des benötigten Mostes, manchmal hundert Prozent, bei Winzern besorgen muss, mit denen er längerfristige Verträge abgeschlossen hat. Nicht nur der Preis für Trauben, auch die einschlägigen Löhne sind in der Champagne höher als anderswo, und Pressvorgang sowie Weinbereitung unterliegen streng kontrollierten Regeln. Champagner besteht tatsächlich ausschliesslich aus Trauben, die schonend gepresst und zu Stillwein vergoren werden. Der wird, wenn es sich um einen Brut ohne Jahrgang handelt, mit so genannten Reserveweinen früherer Jahre assembliert und unter Beigabe von wenig Zucker und Hefe in eine garantiert bruchsichere Flasche gefüllt, wo er ein zweites Mal vergärt, ganz ähnlich wie Ihr Holunderwein. Ausgeliefert werden kann er frühestens 15 Monate nach der Ernte. Zuvor muss er degorgiert, das heisst, mittels einer kontrollierten Miniexplosion vom Hefedepot befreit und wieder ganz aufgefüllt werden.

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