World of Champagne 2023 • Golden wie das Licht der Sonne

Veuve Clicquot

Mit Didier Mariotti, Fotos: Nathaniel Goldberg

Sie strebte nach Exzellenz und Fortschritt. Doch sie wusste auch, wie wichtig der Mensch im Weinbau ist. Für Kellermeister Didier Mariotti bleibt der Geist der legendären Witwe Clicquot bis heute aktuell.

Das erste, was mir aufgefallen ist, als ich meine Arbeit als Kellermeister bei Veuve Clicquot in Reims aufgenommen habe, ist die besondere Atmosphäre in diesem Unternehmen. Wir sind gross und weltbekannt und mittlerweile genau 250 Jahre alt – doch der Mensch bleibt im Zentrum. Als Mitarbeiter fühlt man sich hier geschätzt und gut aufgehoben. In unseren Kreidekellern hängen zahlreiche Schilder, die Namen tragen. Sie erinnern an Mitarbeiter, die 40 Jahre und länger im Maison Veuve Clicquot mitgewirkt haben. Diese Tradition illustriert sehr gut den sozialen Aspekt des Hauses. Wer hier ankommt, egal, ob es sich um einen Pressevertreter, einen künftigen Mitarbeiter oder einen «einfachen» Touristen handelt, wird gut aufgenommen und zuvorkommend behandelt. Das nennen wir den «Esprit Veuve Clicquot», den Geist des Hauses, wie ihn Madame Clicquot begründet hat, mit ihrem Streben nach Exzellenz, ihrem fortschrittlichen Denken und Handeln. Ihr verdanken wir unter anderem die Erfindung des Rüttelpultes, den Champagner mit Jahrgang, den sie als Erste produzierte, den Rosé-Champagner als Assemblage von roten und weissen Grundweinen. Sie war nicht nur die erste Frau, die erfolgreich ein Unternehmen dieser Grössenordnung leitete und sich auf die Exportmärkte wagte. Ihr war auch schon früh bewusst, wie wichtig der Mensch in unserem Metier ist. Das Wohl ihrer Mitarbeiter lag ihr nicht weniger am Herzen als das Wohl des Konsumenten. «Was hätte wohl die Witwe Clicquot an meiner Stelle getan?» ist eine Frage, die ich mir oft stelle, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.

Der Ausdruck und die Besonderheit von Veuve Clicquot – damit meine ich das Haus und die Weine – beruhen auf einem Fundament mit mehreren Säulen, die sich auf unsere Geschichte stützen, den Geist, wie oben beschrieben. Zum Sinnbild und verbindenden Element ist die gelbe Farbe geworden. Sie ist zuerst einmal ein durch und durch positives, universell verständliches Symbol. Sie repräsentiert die Sonne, das Licht, die Energie. Die Energie, mit der die Witwe auf den Erfolg hingearbeitet hat und die Energie, mit der ihre Nachfolger die Marke durch Krisenzeiten gebracht haben. Ausserdem steht die Farbe Gelb für die tonische, lebhafte, sonnige Art unserer Weine.

«Unsere feinsten Weissweine stammen aus unseren roten Pinot-Noir-Trauben!»

Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin

Ein weiteres Element, auf das wir uns stützen, ja, geradezu ein Axiom des Hauses, ist die Sorte Pinot Noir. Doch der Pinot Noir ist keine einfache Varietät. Man muss richtig mit ihm umgehen. Seine Ausgewogenheit, seine Harmonie und seine komplexe, delikate Art kommen im Wein erst voll zum Ausdruck, wenn er bei optimalen Bedingungen reifen konnte und zum genau richtigen Zeitpunkt gelesen wurde. Nur in diesem Fall ergibt er Weine, die sowohl Fülle als auch Biss und Frische besitzen, sowohl Fleisch als auch Rückgrat und Eleganz. Er drückt ferner optimal sein Terroir aus, mit einer erstaunlichen Bandbreite an Nuancen. «Unsere feinsten Weissweine stammen aus unseren roten Trauben», wusste bereits Barbe-Nicole Clicquot.

La Grande Dame: ein echter Gourmet-Wein

Auch ich mag diese rote Sorte, die bis heute alle unsere Assemblagen prägt, und schätze mich glücklich, damit arbeiten zu können. In La Grande Dame, unserer legendären Spitzencuvée, beträgt der Pinot Noir-Anteil stolze 90 Prozent. Mit dem Jahrgang 2012 bieten wir eine besonders harmonische, elegante Grande Dame an. Ein Brut soll in der Champagne Jahr für Jahr gleich ausfallen. Für einen Jahrgangschampagner gilt grössere Freiheit, das Weinjahr soll und darf voll zur Geltung kommen. Jeder Vintage besitzt seinen eigenen Charakter. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner für die «La Grande Dame»-Qualität: den Pinot Noir, vorwiegend aus unseren hauseigenen Grand-Cru-Lagen. Er sorgt für die besondere aromatische Komplexität, die schiere Eleganz, die Struktur, aber auch die Rundheit, die Vollmundigkeit. «La Grande Dame»-Weine eignen sich bestens für die Tafel. Wir arbeiten aktuell mit einer ganzen Anzahl von Spitzenköchen in der ganzen Welt zusammen, die exklusive Gerichte zu La Grande Dame entwickeln und servieren. Diese Gerichte basieren auf frischem Saisongemüse. Wir nennen das «Garden Gastronomy». In Verzy unterhalten wir dazu sogar unseren eigenen Permakultur-Gemüsegarten! Wir sind überzeugt davon, dass frisches Gemüse in unserer Ernährung immer wichtiger wird. Frisches Gemüse ist der eigentliche Luxus der Zukunft! Und zu kreativer Gartenküche gibt es keinen besseren Begleiter als einen grossen Champagner.

Brut Yellow Label: der ideale Aperitif

Doch nicht nur in unserer Prestige-Cuvée, auch in unserem Brut ohne Jahrgang, dem Yellow Label, dominiert diese Sorte. Sie macht zwischen 50 und 55 Prozent der Assemblage aus. Diese besteht aus Grundweinen, deren Trauben in 50 bis 60 verschiedenen Dorflagen oder Crus der Champagne geerntet werden. Der Anteil der Sorte Meunier liegt bei 15 bis 20 Prozent, der Chardonnay-Anteil bei rund 30 Prozent.

Seinen zeitlosen Charakter und seine Harmonie erhält der Brut auch durch einen ausnehmend hohen Anteil an Reserveweinen. Er beträgt 30 bis 45 Prozent, was für einen Brut wohl einmalig ist. Die Reserveweine dienen einerseits dazu, Jahrgangsschwankungen auszugleichen, sorgen aber auch für den besonderen Stil, die Seidigkeit, den Schliff, die Harmonie unseres Brut. Der Brut gilt als unsere Visitenkarte, als der Wein, der am meisten zum Ruf von Veuve Clicquot beigetragen hat.

Unsere ausgedehnte Sammlung an Reserveweinen (die Collection Label Réserve) ist einmalig in der Champagne. Wir lagern getrennt buchstäblich hunderte von Crus und Jahrgängen. Dahinter steckt enorm viel Aufwand und Arbeit, besonders, wenn es gilt, zweimal im Jahr 400 oder 500 Reserveweine zu verkosten. Für mich als Önologe ist das jedes Mal eine echte Herausforderung, ein Abenteuer für Gaumen und Nase. Wir teilen die Reserveweine in drei Familien ein: die Jungweine, ein bis drei Jahre alt, mit denen die meisten Champagnerhersteller arbeiten; die reifen Weine im Alter von vier bis zehn Jahren, wie sie nur wenige Häuser verwenden; ferner Weine, die älter sind als zehn Jahre. Letztere setzen wir nur in kleinen Dosen ein und behandeln sie ähnlich wie Gewürze. Unser ältester Reservewein stammt aus dem Jahrgang 1988.

Der beste Vergleich, der mir einfällt, wenn ich unseren Brut, unseren Yellow Label zu beschreiben versuche, ist der einer saftigen, reifen Frucht, die man vom Baum pflückt und in die man fröhlich die Zähne schlägt. Der Yellow Label ist ein ungezwungener, erfrischender Schaumwein für viele Gelegenheiten, ganz besonders als Aperitif geeignet. Die Reserveweine, mit denen ich arbeite, lagerten meine Vorgänger ein, so wie ich das mit meinen Weinen tue, auf die meine Nachfolger zurückgreifen werden. Welches Symbol für Beständigkeit! Selbst wenn ich meine ganze weitere Karriere hier verbringe, bin ich nur vorübergehend da. Doch Veuve Clicquot hat Bestand und wird weiter Geniesser in der ganzen Welt verwöhnen.