Zeit für Gäste

Gosset

mit Odilon de Varine

Die charaktervollen Gosset-Champagner passen zu zahlreichen Speisen und sind daher ideale Begleiter eines Mahls. Noch umwerfender munden die lange gereiften Spitzen-Cuvées, wenn man sie aus der Karaffe geniesst! 

Es ist schon schwierig genug, allein eine Flasche stillen Weins zu geniessen. Eine Flasche Champagner ohne Begleitung? Unmöglich. Champagner gehört geteilt, gehört auf die Tafel. Ein Glas Champagner begleitet den Moment der ersten Begegnung, erleichtert den Kontakt zwischen Gästen, die sich nicht kennen oder sich lange nicht gesehen haben. Mit einem Glas Champagner wird die Zeit nie lang. Es gehört für Gosset zur Tradition, Gäste zu empfangen, etwa unsere Partner und deren Mitarbeiter. Man kann nicht von Leuten verlangen, weltweit Gosset-Kultur zu vermitteln und sie dann einfach vor die Türe setzen, wenn der Magen knurrt! Gosset-Champagner sind für die Tafel gemacht. Foodparing mit unseren Weinen ist eine besonders spannende Sache. Doch ich glaube, Gosset-Champagner passen zu vielen Speisen. Jeder reagiert anders auf Geschmackskombinationen. Darum warte ich jedes Mal gespannt darauf, was unsere Gäste zu einer Mariage sagen, anstatt ihnen den Geschmack zu diktieren. 

Ich mag diesen Moment bei Tisch, wenn man sich entspannt zurücklehnt und sich austauscht, wenn man erfährt, wie Kunden unsere Weine aufnehmen, wie sie auf Neuheiten reagieren. Bei Gosset gibt es fast jedes Jahr etwas Neues! Eben kommt die erste Cuvée der Serie «Celebrissime» heraus. Es handelt sich um eine Celebris 1995, die zuerst über zehn Jahre auf der Hefe schlummerte und nach dem Degorgieren weitere zwölf Jahre im Keller verbrachte. Wir wollten so den Einfluss der Flaschenreife illustrieren und demonstrieren, dass grosse Champagner zuerst einmal grosse Weine sind und wie solche bestens reifen. Natürlich handelt es sich dabei um eine absolute Rarität. Mein Vorgänger bei Gosset, der legendäre Kellerchef Jean-Pierre Mareigner, hat damals nur 1200 Flaschen weggeschlossen. Einige haben wir laufend verkostet, 1000 kommen jetzt in den Verkauf, in einer Verpackung, die sich bewusst von unseren anderen Weinen unterscheidet und ihre Exklusivität und Besonderheit signalisiert. 

Ich denke und fürchte, nur Eingeweihte sind sich bewusst, wie grundlegend und unumgänglich die Zeit der Kellerreife für den Champagner ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Reife einer der wichtigsten Faktoren seiner Identität darstellt, im gleichen Rahmen wie Terroir, Klima oder Sorten. Wenn etwas den Champagner von anderen Schaumweinen unterscheidet, ist es doch genau die Tatsache, dass er reifen kann und sollte. Eine der wichtigsten Eigenschaften unserer Kalkböden ist es, selbst bei grosser Traubenreife die Säure in den Beeren zu bewahren und damit den Glanz in unseren Weinen. Die Kreide sorgt aber auch für diesen schwer zu beschreibenden, besonderen Ausdruck der Mineralität oder Salinität, der ebenfalls für Frische sorgt und die Komplexität fördert und das Reifepotenzial. Doch wer denkt denn schon beim Öffnen einer Flasche Champagner, die fröhlich sprudelt und Fruchtigkeit und Jugendlichkeit vermittelt, daran, dass deren Grundweine nicht vor ein paar Monaten abgefüllt wurden, sondern vor Jahren und manchmal Jahrzehnten! Stillweine reifen im Keller des Konsumenten. Champagner im Keller des Produzenten. Wir nehmen dem Weinfreund diese Arbeit ab. Für Gosset-Weine gilt das noch mehr. Unsere Weine reifen noch länger als die meisten anderen. Die Ausgewogenheit, die durch ausgedehnte Kellerzeit gewonnen wird und nicht nur durch Assemblage oder Dosage, ist unser Markenzeichen, ist unverkennbarer Teil unseres Stils. Ich rate echten Liebhabern sogar, unsere Spitzenchampagner kurz zu dekantieren, oder besser gesagt, kurz zu belüften. Denn beim Champagner gibt es ja nichts zu entfernen und wegzuschütten wie beim Dekantieren alter Rotweine. Es geht nur darum, für eine kurze Phase der Belüftung zu sorgen, bevor der Wein, der 8, 10 oder 20 Jahre von der Umwelt abgeschlossen war, ins enge Glas kommt. Er soll etwas atmen und sich öffnen. Dabei soll möglichst wenig Kohlensäure verloren gehen. Eine hohe und schlanke Karaffe ist ideal dafür: Wir haben viel Zeit in die Entwicklung unserer hauseigenen Karaffe gesteckt und zahlreiche Tests durchgeführt. 

Alles beginnt damit, die Flasche behutsam zu entkorken, mit sanften Bewegungen. Zuerst entfernt man die Kapsel (und reisst sie nicht gewaltsam weg, sondern lässt sich Zeit und bewahrt die Ruhe dabei). Man knüpft das Muselet auf, lasse es aber auf dem Korken, halte diesen fest und drehe die Flasche, nicht umgekehrt, das geht besser von der Hand. Beginnt der Korken zu gleiten, hält man ihn zurück: Die Flasche soll sich mit einem leichten Seufzer öffnen. Ich gebe immer nur die Menge an Champagner in die Karaffe, die ich auch servieren will und wiederhole den Prozess bei jedem Einschenken neu. Noch einmal, der Wein soll nur kurz belüftet werden! Ich lasse die benötigte Menge Wein ganz gemächlich dem Glas entlang in die Karaffe gleiten. Ich halte die Flasche dabei fast waagerecht und die Karaffe in einem möglichst flachen Winkel dazu. Dann giesse ich den Wein umgehend ins Glas. Versuchen Sie es am besten gleich selber, zum Beispiel mit einer Cuvée Celebris 2007: Sie werden sehen, das Resultat ist verblüffend.