Klartext von Thomas Vaterlaus • Das ist die Höhe!

Verbot von Weinberg auf 1080 Meter

Text: Thomas Vaterlaus

Das Bundesverwaltungsgericht verbietet einem Teilzeit-Winzer im waadtländischen Château-d’Oex, 1080 Meter über Meer, einen Rebberg anzulegen. Die Lage sei zu hoch und deshalb ungeeignet für den Weinbau, verkündete das Gericht. Ach ja? Oder dient der Entscheid womöglich anderen Interessen?

Bis in die 80er Jahre befahlen staatliche Rebsitten-Wächter, was in den Schweizer Weinbergen wachsen durfte und was nicht. Legendär ist der Fall der Genfer Winzer Schlaepfer und Pillon. Als sie 1986 in Satigny erste Cabernet-Sauvignon-Stöcke pflanzten, kreuzte die Polizei auf, um die Stöcke wieder auszureissen. Vor Gericht gab ein Vertreter der Forschungsanstalt Changins damals zu Protokoll, dass der Cabernet Sauvignon in der Schweiz niemals ausreifen werde.

Sieben Jahre später erreichte exakt dieser Cabernet Sauvignon bei einem renommierten Wettbewerb mit 500 Cabernets aus aller Welt den dritten Platz. Auch der legendäre Bündner Winzer Thomas Donatsch hatte 1975 die Ordnungshüter am Hals, als er in Malans die damals verbotenen Chardonnay anpflanzte. Zum damaligen Kesseltreiben sagt der heute 71-Jährige: «Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass man vor 50Jahren fast kriminalisiert wurde, wenn man im Schweizer Weinbau etwas Neues ausprobieren wollte.»

Bundesverwaltungsgericht lehnte Rebberg in 1080 Metern ab

Doch ganz vorbei sind die dunklen Zeiten nicht. Darauf lässt zumindest ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts schliessen. Ein Teilzeitwinzer wollte im waadtländischen Château-d’Oex, 1080 Meter über Meer, eine Fläche von 0,5 Hektar mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten wie Solaris oder Léon Millot bepflanzen und den Rebberg biologisch bearbeiten. Die Gemeinde Château-d’Oex unterstützte das Projekt. Doch die Waadtländer Justiz und jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen verbieten dem Winzer, diesen Weinberg anzulegen.

Hauptargument: Die betreffende Parzelle liege zu hoch. Eine höchst erstaunliche Begründung. Der betroffene Winzer hatte in seinem Rekurs zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Höhenlage von 1080 Meter heute im Alpenraum nicht mehr ungewöhnlich hoch sei für Weinbau, werde doch im Wallis und im Aostatal schon seit langem bis auf 1150 Meter Weinbau betrieben. Und er hatte noch ein weiteres gutes Argument auf seiner Seite. Auf einem Teil der Parzelle baut er nämlich schon heute geringe Mengen Wein an. So schlug er vor, die Qualität des bereits vorhandenen Weins doch in die Wahrheitsfindung miteinzubeziehen. Doch die zuständigen Behörden und Gerichte hatten offensichtlich keine Lust, seinen Wein zu verkosten oder ihn von Fachleuten verkosten zu lassen... Oder hat der ablehnende Bescheid womöglich weniger mit der Höhenlage als mit ganz anderen Gründen zu tun?

Waadtländer Weinbau könnte innovative Impulse gut gebrauchen

Der Waadtländer Weinbau ist in der Krise. Nach der Rekordernte 2018 und den stockenden Verkäufen infolge von Covid-19 liegt zu viel unverkaufter Wein in den Kellern. Da käme es den einflussreichen Keyplayern in den Wein-Hochburgen am Genfersee wohl alles andere als gelegen, wenn in den nördlichen Gefilden des Kantons zusätzliche Lagen für den Weinbau erschlossen würden. Wurde hier also diesbezüglich ein Exempel statuiert und von den Gerichten abgesegnet? Dabei könnte der Waadtländer Weinbau innovative Impulse gut gebrauchen. Und das Projekt von Château-d’Oex hätte gleich zwei Innovationen in sich vereint: Es kombiniert den Trend zu pilzwiderstandsfähigen Sorten (die ohne Pestizideinsatz angebaut werden können und somit die Trinkwasserqualität nicht gefährden) mit dem Trend zur Erschliessung höherer Lagen, der – Gerichtsurteil hin oder her – in ganz Europa feststellbar ist.

Nicht bereit für Neues?

In Südtirol wurden 2013 beim Kloster Marienberg im Vinschgau auf einer Höhe von 1350 Metern stolze 2,2 Hektar mit pilzwiderstandsfähigen Sorten bestockt. Die Weine überzeugen mit viel Frische und Aromatik. Auch die Südtiroler Behörden haben Vorbehalte gegen solche Projekte. Man will verhindern, dass alpines Weideland im grossen Stil zu vermeintlich lukrativerem Rebland wird, mit unabsehbaren Folgen für das Marktgefüge. Aber man will die Entwicklung auch nicht verunmöglichen. Darum werden solche Höhenlage-Projekte als Versuchsanlagen genehmigt. Heute ist der Gang in die Höhe als Reaktion auf die Klimaerwärmung ein zentrales Thema in der Südtiroler Winzerszene. Im Waadtland stellt man sich solche Fragen offensichtlich nicht. Man feiert lieber mit monumentalen Festen die glorreiche Tradition. Und wenn’s Probleme gibt, wird’s der Bund mit seinen Millionensubventionen schon richten. Wie im letzten Jahr, als Wein im grossen Stil destilliert und dann zu Handdesinfektionsmittel verarbeitet worden ist…

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