Klartext von Harald Scholl

Künstliche Erregung um deutsche Weinpersönlichkeiten

Text: Harald Scholl

Mit der Liste unserer «25 Weinpersönlichkeiten» in Ausgabe 3|2021 haben wir in einigen weinaffinen Kreisen für ziemliche Aufregung gesorgt. Die Auswahl wurde zugegebenermassen auch in der Redaktion durchaus kontrovers diskutiert, aber was sie in den sozialen Medien für Wellen schlug, überraschte dann doch.

Das war tatsächlich in dieser Form nicht absehbar. Wobei die Grenze zwischen angemessener Kritik und blindwütiger Empörung mehr als einmal überschritten wurde. Dabei sollte die Liste nichts anderes dokumentieren als die objektive Darstellung von Personen, die mit ihrem Tun die deutsche Weinlandschaft prägen. Eine Wertung, ob dieser Einfluss positive oder negative Auswirkungen hat, wurde ausdrücklich nicht getroffen. Dennoch zog die Wahl von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Groll von Teilen der Social-Media-Community auf sich. Es war deutlich zu lesen, dass, wie so oft in Zeiten öffentlicher Erregungswut, die Auswahl nicht sachlich hinterfragt wurde oder unsere vorangestellten Auswahlkriterien überhaupt nicht gelesen wurden. Wir halten weiterhin daran fest, denn die Gründe für die Wahl Frau Klöckners sind aus Sicht der Redaktion objektiv gesehen nach wie vor richtig. Ob man etwa den umstrittenen Entwurf zur Novelle des Weingesetzes positiv oder negativ sieht, ist dabei nicht das Thema. Es geht darum, ob er einen deutlichen Einfluss auf den deutschen Wein hat. Und diesen abzustreiten, wäre nun wirklich ziemlich einfältig, dass sich Einiges verändern wird, ist völlig klar. Aber diese Wahl war nur ein Grund der Erregung.

«Viel zu wenig Frauen»-Kommentare

In unserer Liste tauchten nach Ansicht zahlreicher weiblicher Kommentatoren viel zu wenig Frauen auf. Was durchaus auf den ersten Blick, rein proportional betrachtet, auch richtig erscheint. Mit der schon angesprochenen Julia Klöckner, Monika Reule und Prof. Dr. Monika Christmann wurden drei Frauen ausgewählt, in der Liste «Die junge Garde» wurden mit Theresa Olkus, Stefanie Hehn und Juliane Eller drei weitere Frauen – bei nur zwei Männern – als für die Zukunft prägende Player in der Weinlandschaft genannt. Und zu guter Letzt wurde im zum Artikel gehörenden Interview mit Jancis Robinson über die Entwicklung der deutschen Weinlandschaft gesprochen. Das bedeutet, dass von den in der Summe 41 erwähnten Personen im gesamten Beitrag also sieben weiblich waren, was umgerechnet einem Anteil von 17,07 Prozent entspricht. Nur zum Vergleich eine andere Zahl aus der Weinwelt: 21 der insgesamt 200 VDP-Weingüter werden derzeit von Frauen geführt oder befinden sich im Prozess der Übernahme durch die Töchter. Macht genau 10,5 Prozent.

Geringer Frauenateil in der Weinwelt

Unsere Auswahl könnte man also auch als tendenziell frauenlastig bezeichnen. Natürlich ist das reine Erbsenzählerei, trotzdem zeigt es, dass wir nicht völlig danebenliegen in unserer Wahrnehmung und Auswahl, die wir notabene ohne Rücksicht auf das Geschlecht getroffen haben. Es zeigt aber auch offensichtlich: Der Anteil von Frauen in der Weinlandschaft ist nach wie vor zu gering. Eindeutig, das finden wir auch. Allerdings darf das kein Grund sein, die Tatsachen zu leugnen. Wir sind Journalisten, unsere Aufgabe ist die möglichst objektive und unabhängige Berichterstattung und Dokumentation. Wir wissen auch, dass Frauen wie Caro Maurer, Christina Fischer oder Romana Echensperger die deutsche Weinlandschaft massgeblich mitgeprägt haben. Aber genauso wie Joel Payne, Armin Diel oder Stuart Pigott sind die Genannten allesamt publizistisch tätig. Und solche Personen waren nun einmal ausdrücklich ausgenommen von der Auswahl.

Trotzdem wurde genau rechtzeitig zum Weltfrauentag abermals die verbale Keule aus der Mottenkiste geholt und der Artikel als Beispiel für eine, wenn nicht direkt frauenfeindliche, so doch frauenmissachtende Haltung hergenommen. Da wurde die Redaktion als stereotype Ansammlung «alter weisser Männer» gebrandmarkt, unsere Auswahl sei eine «Pimmelparade», da von Männern dominiert, wie von einem ehemaligen Mitbewerber unseres Magazins in den sozialen Medien kommentiert wurde. Auch wenn diese Wortwahl definitiv nicht unser Niveau ist, zeigt sie uns ganz eindeutig eines: Es scheint in der Weinlandschaft immer noch lohnend zu sein, sich auf Kosten von VINUM zu profilieren. Wer’s braucht…wir nicht.

Können, Wirkung und Tat ist das A und O

Jetzt und auch in Zukunft bleiben wir auf Kurs: Eine Gefälligkeitsquote in irgendeine Richtung wird es trotz aller Häme und Unverschämtheit von uns nicht geben, für uns zählen allein Können, Wirkung und Tat. Und nicht das Geschlecht. Oder die Hautfarbe. Oder die Landsmannschaft. Denn das sind wir unseren Leserinnen und Lesern schuldig. Und nichts anderes.

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