VINUM-Profipanel | Alentejo

Die neue Eleganz des Südens

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Polari

Entstehen im heissen Süden zwangsläufig üppige Weine? Nicht unbedingt! Im Alentejo beweisen die Winzer seit einigen Jahren auf eindrückliche Weise, dass sie der Hitze und der Trockenheit nicht hilflos ausgeliefert sind. So wurden die 25 Alentejo-Topweine in dieser Panel-Verkostung von der Jury fast durchwegs als elegant und ausgewogen eingestuft. Mit feinem Beerenduft, weichem Tannin und präsenter Säure bieten sie auf fast schon exemplarische Weise das, was Weinliebhaber heute mögen.

Noch in den 90er Jahren begannen wir Mitte oder gar erst Ende September mit der Traubenernte. Heute sind wir in heissen Jahren wie 2017 zu dieser Zeit mit der Ernte schon längst fertig. Nur mit perfektem Timing ist es heute im Alentejo möglich, ausgewogene Weine zu keltern. Vor 20 Jahren haben wir in heissen Jahren mehrheitlich überreife Weine mit 16 oder 17 Volumenprozent Alkohol produziert, heute liegen wir trotz fortschreitender Klimaerwärmung bei 14,5 Volumenprozent», sagt der bekannte Winemaker und Consultant Luis Duarte und bringt damit die jüngste Entwicklung im Alentejo auf den Punkt. Wie gut es die Rebbauspezialisten und Kellermeister hier heute verstehen, in ihrem heissen und trockenen Terroir ausgewogene Weine zu produzieren, beweist dieses Profipanel. 13 der insgesamt 25 Weine wurden nämlich von der Jury als «elegant» eingestuft und nur deren vier als eher «füllig». Die frühe Ernte ist dabei nur ein wichtiger Faktor für dieses eigentliche Weinwunder. Eine angepasste Reberziehung, bei der mitunter das Blattwerk die Trauben vor der Sonne schützt, und eine moderate Bewässerung, um Hitzestress zu vermeiden, sind ebenso wichtig. Und im Keller wird mit einer behutsamen Mazeration bei eher kühlen Temperaturen und, wenn nötig, durch eine Korrektur des Säurewerts darauf geachtet, dass jene dunkle, aber frisch wirkende Beerenfrucht, die heute viele Topweine aus dem Alentejo kennzeichnet, möglichst unverfälscht, allenfalls unterlegt von einer moderaten Eichenholzwürze, in die Flasche kommt.

«Back to the Roots»
Noch vor 50 Jahren galt das Alentejo als tiefe Provinz. Der Wandel begann 1986 mit dem Eintritt Portugals in die EU. Dank der verbesserten Infrastruktur und den neuen Vermarktungsmöglichkeiten avancierte das Alentejo zur «Neuen Weinwelt» in Portugal. Denn das vergleichsweise einfach zu erschliessende, zumeist flache Hügelland und der Grossgrundbesitz machten es einfacher, hier neue Projekte zu lancieren als im kleinräumigen Douro oder Dão. Allerdings musste die Weinidentität des Alentejo erst neu gefunden und definiert werden. So setzten in den 90er Jahren viele Investoren auf internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon und vernachlässigten die alteingesessenen autochthonen Sorten. 1992 beispielsweise kaufte die in Bordeaux domizilierte Lafite-Rothschild-Gruppe die traditionsreiche Quinta do Carmo, damals legendär für ihre Alicante-Bouschet-Selektion von alten Reben. Doch die Franzosen setzten ganz auf Cabernet Sauvignon und Merlot. Mit mässigem Erfolg. 2008 beendeten sie ihr Engagement im Alentejo wieder. Eine kleine, von den Franzosen glücklicherweise nicht gerodete Parzelle mit sehr alten Alicante-Bouschet-Stöcken konnte sich der frühere Besitzer der Quinta do Carmo, Júlio Tassara Basto, sichern. Heute produziert er daraus den Júlio B. Bastos Alicante Bouschet, einen der neuen Ikon-Weine des Alentejo.

Assemblagen dominieren
In einer Mehrzahl der Top-Crus geben heute längst wieder die alteingesessenen Sorten den Ton an. Alicante Bouschet von alten Reben beispielsweise gilt im Alentejo wieder als ein Garant für gut strukturierte, konzentrierte Weine mit verschwenderischer Fruchtfülle, vorausgesetzt, der Winemaker weiss mit der schwierigen Sorte umzugehen. Das Gleiche gilt auch für die autochthone Sorte Trincadeira. In ganz Portugal verbreitete Qualitätssorten wie Touriga Nacional und Aragonez (in Spanien als Tempranillo bekannt) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und runden die Assemblagen ab. Internationale Gewächse wie Cabernet Sauvignon, Syrah oder Petit Verdot werden mehrheitlich ergänzend eingesetzt. Die entscheidende Rolle beim Qualitätsaufschwung der roten Alentejo-Spitzenweine spielen aber die Kellermeister. Dank ihrem kontinuierlich verbesserten Know-how zeigen ihre Blends heute nicht nur eine beeindruckende Balance zwischen dunkelbeeriger Fruchtfülle und angepasster Eichenholzwürze, sie bereiten Dank einer saftig-präsenten Säure und feinkörnigem Gerbstoff auch viel Trinkvergnügen. Angesichts dieser Qualitätsoffensive wurde im Rahmen dieses Profipanels die berechtigte Frage gestellt, wer denn nun eigentlich in Portugal bei den Rotweinen die Nase vorn habe, das Douro-Tal oder eben das Alentejo. Nun, das wäre dann irgendwann wohl ein interessantes Thema für eine weitere VINUM-Panel-Verkostung.

Die Region gewinnt an Kontur
Die Verkostung beweist aber auch, dass das Weinland Alentejo mit seinen acht DOC-Subregionen immer mehr an Kontur gewinnt. Unterschiedliche Bodentypen wie Granit, Schiefer oder kalkhaltiger Lehm pärgen dabei die Weine ebenso wie die Mikroklimata. Besonders beweisen das die eleganten Crus aus Portalegre, die im Nordosten des Alentejo auf bis zu 1000 Meter über Meer in granithaltigen Böden reifen.

Die Jury

Die Jury (von links nach rechts)

Thomas Vaterlaus Chefredakteur VINUM. Sein Favorit: Monte dos Cabaços Reserva Tinto 2010.

Mathias Born Fotograf und Weinfreak. Sein Favorit: Herdade da Malhadinha Nova Tinto 2015. 

Nicole Vaculik Sommelière. Ihr Favorit: Cortes de Cima Incógnito 2012. 

Carsten Fuss Weinhändler. Sein Favorit: Quinta de Dona Maria Júlio Bastos, Dona Maria Grande Reserva 2014.

Lidwina Weh Sommelière. Ihr Favorit: Monte da Raposinha Furtiva Lagrima Tinto 2015. 

Beat Caduff Gastgeber Caduff’s Wineloft. Sein Favorit: Quinta do Zambujeiro, Zambujeiro 2015.


«Der erste Eindruck zählt, nach diesem Motto agieren auch viele Weinliebhaber. Doch die Weinszene entwickelt sich so dynamisch, dass man sich von Zeit zu Zeit vergewissern sollte, ob das einstige Urteil noch zutrifft. Ich hatte die Alentejo-Weine als überreif und alkohollastig in Erinnerung. Doch diese Probe hat mich eines Besseren belehrt. Ich fand fast durchwegs elegante Weine mit Struktur, ja Finesse. Chapeau!»

Carsten Fuss Weinhändler und Consultant, Zürich


«Es ist schon erstaunlich, wie gut diese Alentejo-Top-Crus heute kom-poniert werden. Da werden alle Register gezogen. Klar herausgearbeitete Beerenfrucht, perfekt angepasste Eichenholzwürze und auch die Säure stimmt. Von Klimaerwärmung ist in diesen Weinen jedenfalls nichts zu 
spüren. Die Fortschritte sind augenscheinlich und basieren wohl in erster Linie auf einem über die Jahre stetig perfektionierten Winemaking.»

Nicole Vaculik Sommelière, Meersburg


«Das Alentejo hat es geschafft, eine Sensorik in seinen Rotweinen zu etablieren, die man fast schon als Markenzeichen bezeichnen kann, nämlich die stets präsenten Cassis-Noten. Das gibt den Weinen etwas Verführerisches, manchmal ist es aber auch ‹too much›. Besonders gelungen scheinen mir jene Crus, wo dieser Cassis-Touch von Brombeeren, Kirschen und anderen Beerennoten flankiert und von Röstnoten unterlegt wird.»

Mathias Born Fotograf und Weinfreak, Unterengstringen


«Allgemein war das für mich eine Probe mit sehr guten und interessanten Weinen. Besonders gut gefiel mir, dass man bei vielen Weinen gemerkt hat, dass sie sorgfältig und mit Bedacht ‹gemacht› worden sind, besonders was die Zusammensetzung der Assemblage anbelangt. Trotzdem schienen sie mir aber kellertechnisch nicht zu perfekt. Das machte sie für mich sehr reizvoll und variantenreich in Duft und Geschmack.»

Lidwina Weh Sommelière, Wohlen


«Wie meine Mitverkoster auch war ich sehr überrascht, wie ausgewogen sich die Mehrzahl der Alentejo-Weine heute präsentiert. Da ist viel passiert. Vier oder fünf Weine hatten für mich absolutes Topniveau, bei anderen ist immer noch Entwicklungspotenzial vorhanden. Denn seit die Preise gestiegen sind und manche Top-Crus deutlich über 50 Franken kosten, sind logischerweise auch die Erwartungen grösser geworden.»

Beat Caduff Gastgeber Caduff’s Wineloft, Zürich