Interview mit Dominik Huber: Weinmacher und Inhaber des Weinguts Terroir al Limit im Priorat

«Kochen ist wie Weinmachen»

Text: Andrin C. Willi, Fotos: z.V.g.

Dominik Huber ist als Winzer ein Quereinsteiger. Eigentlich wollte der gebürtige Deutsche 1996 im Priorat «nur» Spanisch lernen. Daraus ist mehr geworden. Huber gilt als Qualitätsmotor der Region, sein Weingut - Terroir al Limit - braucht keine Vorstellung. Er lebt das Weinmachen. Und liebt das Essen. Das Kochen. Und den Genuss. Ein Gespräch über die Sinnhaftigkeit von alledem.

Haben Sie als Metzgerssohn beim «Veganuary» mitgemacht?

Bitte, was ist das?

Der sozialmediale Trend zu demonstrieren, dass man sich im Januar vegan ernährt und wie das geht.

Die Bewegung ist nicht bis zu uns durchgedrungen, aber klar würde ich als begeisterter Gemüseesser mitmachen. Wenn wir Fleisch essen, dann ausschliesslich in Bioqualität. Mein Luxus ist der Markt in Reus. Kochen ist für mich wie Weinmachen. Es ist derselbe Akt.

Koch wollten Sie aber nie werden?

Ich wäre gerne Koch geworden, nur habe ich gemerkt, dass das einer der härtesten Berufe überhaupt ist. Vor zwölf Jahren bin ich aus dem Gastronomiebusiness in München ausgestiegen, wir hatten sieben Filialen der Münchner Suppenküche und grosse Pläne. Ehrlich gesagt, war mir das zum Schluss aber zu viel Management und zu viel Bank. So habe ich mein Hobby - das Weinmachen - zum Beruf gemacht.

Was haben Sie dabei gelernt?

Sehr viel. Die Basis war ein Wirtschaftsstudium an der European Business School. Während des Studiums habe ich immer wieder im Service und in der Küche des Restaurants «Preysinggarten» in München gearbeitet. Das hat mich fast mehr interessiert als Excel-Tabellen und die Geldbesessenheit meiner Studienkollegen. Trotzdem: Ich habe die Schule abgeschlossen, auch, weil ich einmal etwas durchziehen wollte (lacht). 

So wie die verrückte Idee, in Spanien Winzer zu werden?

In der Seele bin ich ein Unternehmertyp.

«Mich interessieren Klarheit und Präzision.»

Wenn Sie Ihre Weine als Träumer betrachten würden, wären Sie ein «Alimento», ein Nahrungsmittel, wie die Italiener zu sagen pflegen, oder ein «Vi de Poble», ein Dorfwein, wie die Spanier sagen?

Mir gefällt das Wort «artisanal», aber wir befinden uns in einer Region, in der es sehr teuer ist, Weine herzustellen. Wenn man es also tut, müssen die Weine top sein. Darum betrachte ich sie als Fine Wines…

…die das Priorat auf die Weinkarten der besten Restaurants der Welt gebracht haben…

…wobei ich ein totaler Anti-Priorat-Produzent bin. Meine Weine sind in Beton ausgebaut, sie strotzen weder vor Alkohol noch vor Extraktion. Mich interessieren Klarheit und Präzision.

Gehen Sie gerne an die Limits?

Ja. Vor zwei Jahren habe ich zum Beispiel alle Holzfässer verkauft. Heute bauen wir alle unsere Weine in Zement aus. Das ist schon am Limit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kellerwandlänge von 15 Metern mit Stockinger-Fässern bestückt war. Das war mein grosser Stolz. Die Fässer haben ein Vermögen gekostet, und vom einen auf den anderen Tag habe ich sie alle verkauft.

Na ja, eine Entscheidung ist schnell umgesetzt. Der Weg zur Entscheidung steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Klar, der Prozess erfolgte Schritt für Schritt, und ich habe mir viele Gedanken gemacht und auch gewisse Praktiken, wie den Ausbau in Amphoren, bewusst verworfen. Ich möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden. Ich produziere keine Natural Wines.

Trotzdem halten Sie sich an die Ansätze der Biodynamie.

Biodynamisch ja. Dogmatisch nein. Ich bin nicht religiös. Wichtig ist für mich der Wein. Bei manchen Weinproduzenten frage ich mich allerdings, ob die ihren eigenen Wein vor lauter Biodynamie überhaupt noch probieren.

Themenwechsel: Deutschland, Spanien oder Italien?

Italien! War und ist für mich eine grosse Inspiration. Dieses Lebensgefühl, aber auch die Versessenheit auf Präzision, das haben die Spanier nicht. Hier ist alles etwas lässiger. Es ist wunderbar, aber mir fehlt hier manchmal ein bisschen die Besessenheit zur Perfektion. Die Italiener haben diesen leidenschaftlichen Hang dazu, etwas ganz natürlich zu verkörpern und zu verkaufen. In diesem Punkt sind die Italiener Stars.

Wo essen Sie am liebsten in Italien?

Bei Enrico Crippa, «Piazza Duomo», Alba. Das Restaurant gehört der Winzer-Familie Ceretto.

Ihr liebstes Restaurant in Spanien?

Ist keine Sternebude. Eher ein gehobenes Gasthaus.

Und das nennt sich…

…«Etxebarri». Das Lokal liegt nur etwa fünf Autostunden von hier entfernt, in Richtung San Sebastian.

Wann wurde Essen für Sie zu einer professionellen Sache?

Seit ich denken kann, habe ich exzessiv viel Geld für Restaurantbesuche ausgegeben, und es ist und bleibt mir eine persönliche Freude. Aber es stimmt schon, heute ist es auch wichtig fürs Geschäft. Man muss sich sehen lassen!

Sicher ist der Austausch mit Sommeliers wichtig, Josep Roca hatte jedoch einen entscheidenden Einfluss auf Ihre Arbeit. Was beeindruckt Sie bei Josep Roca vom Restaurant «El Celler de Can Roca» am meisten?

2008 hat er mich, nachdem wir bei ihm meine Weine degustiert hatten, zum Mittagessen eingeladen. Diese Geschichte habe ich schon hundert Mal erzählt. Ich hätte mir ein Mittagessen dort damals kaum leisten können. Ich sass also da, am Küchentisch, und er servierte mir, dem kleinen Rotweinproduzenten aus dem Priorat, 13 Weissweine und zwei Rotweine. Klar war ich irritiert. Aber ich habe gemerkt, dass die Weine im damaligen Priorat-Style nicht mehr zum Essen in diesen Restaurants gepasst haben. Die Köche haben uns abgehängt, sie sind viel weiter als wir Winzer. Ich musste mich umorientieren und an elegante, leichte, filigrane Weine im Gamay-Stil denken.Solche Weine zeichnen uns heute aus.

Josep Roca hat Sie auf Ihrem Weg bestärkt.

Eindeutig! Er hat viele Qualitäten, aber dieses Humanistische, seine warme Herzlichkeit und seine ehrliche, authentische Art machen ihn nicht nur zu einem aussergewöhnlichen Berufsmann, sondern auch zu einer ganz grossen Persönlichkeit.



Und da kriegen Sie immer einen Tisch?

Nein, so einfach ist es nicht mehr. Aber einmal im Jahr klappt’s.

Was muss ein Wein bieten, damit er auf den Tischen der weltbesten Restaurants seinen Platz verdient?

Keine einfache Frage, weil es viele Weine gibt, die sich dank der Gäste durchgesetzt haben, die mir aber nicht gefallen und die, wie ich finde, meistens auch nicht unbedingt zum Restaurant und den angebotenen Speisen passen. Gäste kaufen das, was sie kennen, und die Winepairings sind zugegebenermassen auch nicht immer empfehlenswert. Serviert wird, was weg muss, dabei könnten Pairings eine wunderbare Sache sein.

Die ins Geld geht, wenn Ihr Les Manyes serviert wird.

Wein wird erst zu Fine Wine, wenn die Kunden bereit sind, Geld dafür auszugeben. Das ist wie in der Kunst. Sie hat nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn jemand bereit ist, diese finanziell zu unterstützen.

Ist man sich seiner Wirkung als Winzer bewusst?

Mich motiviert und ehrt es enorm, wenn ich realisiere, wie viel Geld Menschen bereit sind auf den Tisch zu legen, um einen erinnerungswürdigen Wein zu geniessen.

Wenn die Kraft der Erinnerung an ein Erlebnis in einem Restaurant mit einem spezifischen Wein verknüpft ist, dann könnte man Sie als Rockstar bezeichnen.

Na ja, das wird ja eher auf die Köche projiziert. Im Weinbusiness ist es so, dass vor allem der Handel Stars braucht, die er verkaufen kann. Wir Winzer haben das nicht erfunden.

Wenn Sie ein Künstler wären, wer wären Sie so?

Picasso. Ich bewundere, wie der locker nebenbei gemalt hat. Seine Kapazität, zu kommunizieren und die Leute zu begeistern, seine Werte, seine Visionen, diese Mischung finde ich schon sehr attraktiv. Hier hinten, schauen Sie. Da hängt ein Porträtfoto von ihm.

Würden Sie auch alles unterschreiben?

Na ja, wir machen ja auch Weine im Montsant (lacht).

«Man muss mit dem Boden in Verbindung stehen.»

Das ist kein Spass?

Natürlich! Und ich bin sehr überrascht, denn Montsant-Weine sind kein billiger Abklatsch vom Priorat. Mir erscheint die Region Montsant beinahe interessanter zu sein als das Priorat selbst, ferner ist sie noch «freier», man kann sich dort besser einbringen, seinen eigenen Stil ausleben, weil man machen kann, was man will.

Sie möchten, dass Ihre Weine emotional berühren. Wie äussert sich das?

Einerseits gibt es Wein als Getränk. Andererseits gibt es Erlebnisse. Man denkt, man beginnt zu fliegen. Man bekommt Gänsehaut, es läuft dir kalt den Rücken hinunter, und plötzlich fühlt man sich mit sich selbst und der Erde komplett verbunden. Ich bin weder gläubig noch religiös, aber es gibt definitiv mehr als das, was wir erklären können.

Wie entsteht so ein grosser Wein?

Nur mit einer Vision! Und natürlich: Mit wahnsinnig viel Arbeit, Disziplin, Erfahrung und einer guten Portion Entspannung. Man muss gelassen bleiben. Alles muss fliessen. Es ist, wie wenn ein Koch seinen dritten Stern bekommt. Man muss locker bleiben, ja. Bloss nicht verkrampft versuchen, hundert Punkte zu erreichen. Das gesamte Unterfangen muss ferner menschlich bleiben, es darf nicht überintellektualisiert und abgehoben werden oder zu kühl daherkommen. Man muss mit dem Boden in Verbindung stehen. Und noch etwas: Ich muss Löhne bezahlen, Rechnungen begleichen, Investitionen in die Zukunft tätigen können. Entscheidend ist auch die Summe der unternehmerischen Entscheide.

Was sind Sie für ein Typ?

Ich bin ein dynamischer, unternehmerisch denkender, genussreicher Naturmensch.

Hat das Winzersein oder Winzerwerden diesen Typ verändert?

Nein. Wobei ich jetzt schon ein anderes Standing geniesse als noch vor zehn Jahren. Wer eine gewisse Intelligenz besitzt, hinterfragt sich, man bleibt selbstkritisch und in Bewegung. In den letzten drei Jahren ist bei mir glücklicherweise eine angenehme Sicherheit eingetreten. Ich habe hart gekämpft für das, was wir hier haben.

Sie waren nicht willkommen im Priorat, 2011 gab es einen fiesen Anschlag auf Ihre Weinproduktion.

Das steckt mir immer noch tief in den Knochen. Diese Verletzbarkeit. Ich hatte keinen Plan B. Das Weinmachen war mein Plan B. Plan A war die Suppenküche, davon hatte ich mich ja erfolgreich abgewendet. Es gab also nur den Wein, und ich musste das Beste daraus machen.

Was waren önologisch-philosophisch die wichtigsten Erkenntnisse, die zu Ihrer jetzigen Handschrift geführt haben?

Das Erkennen der Weinberge. Les Manyes, Les Tosses, das sind Grand-Cru-Lagen, die muss man als solche erkennen, behandeln und würdigen. Gerade kürzlich bin ich wieder auf einen Weinberg gestossen, den ich als Grand Cru einordnen könnte. So eine Entdeckung, das ist ein grosser Moment. Man riecht am Tank und merkt - hoppla -, da drinnen entsteht etwas ganz Besonderes. Das ist unheimlich faszinierend, aufregend und ein grosses Glück im Leben.

Danke für dieses Gespräch, Dominik Huber.

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