Legendäre Lagen: Die Conca d’Oro von Panzano

Chaos im Goldenen Becken

Text: Christian Eder, Foto: Digital Movie s.n.c.

Die Conca d’Oro von Panzano, einem Ortsteil von Greve in Chianti über dem Val di Pesa: Gerade im Herbst ist der Blick in das Goldene Becken ein Spektakel, dann, wenn sich die Blätter in dem natürlichen Amphitheater gelb und rot verfärben. Aber nicht nur wegen ihrer Farbenpracht hat keine andere Lage in der Toskana einen solch legendären Ruf wie die Conca: Einige der renommiertesten Chianti Classico und Supertuscans stammen aus diesen Rebbergen, die für Sangiovese ebenso geeignet sind wie für Cabernet und Co.


Delizioso schmeckt das saftige Rindfleisch, das aus dem Brötchen lugt. Dazu gesellt sich ein Glas Wein, ein roter, der auf der schmalen Theke des Foodtrucks in Panoramaposition serviert wird. Unser Blick streift über ein paar Wohnhäuser, aber dahinter erstreckt sich ein Meer bunter Reben, die in der herbstlichen Nachmittagssonne glänzen. Wir gönnen uns ein schnelles Pranzo an «Darios Cart», dem Foodtruck des Panzaneser Bistecca-Königs Dario Cecchini. Er ist an der Strasse, die nach Radda führt, geparkt. Offeriert werden der Dario Burger, der Dario Dog (Hotdog auf Panzanesisch) oder das Panino Pancia di Manzo, das Rinderbauch-Sandwich. Dazu wird Darios Cecchini-Bier oder ein Gläschen Rotwein aus den nahen Rebbergen serviert.

Denn Rebberge gibt es hier en masse: Von den 70 000 Hektar des Chianti Classico sind rund 10 000 mit Reben bestockt. Vor uns, in der Conca d’Oro, sind immerhin noch 155 Hektar zu finden. Hier liegt das Filetstück der Lagen von Panzano, die historische Conca, wie sie Giovanni Manetti, Besitzer des Weingutes Fontodi, nennt. Mit ihm spazieren wir durch die Rebberge seiner Crus: Die Vigna del Sorbo (Basis der klassischen Gran Selezione von Fontodi) liegt auf 400 Metern Meereshöhe, San Leolino, benannt nach der Kirche oberhalb des Weingutes Fontodi, sogar noch etwas höher. Hier wird seit dem Jahrgang 2019 eine Gran Selezione namens Terrazze San Leolino gekeltert. «Das ist nur eine Renaissance dieses Rebbergs», versichert Giovanni Manetti, der auch Präsident des Consorzio Chianti Classico ist, «schon vor Jahrhunderten war San Leolino für die Qualität seiner Trauben bekannt, dann wurden sie durch Olivenbäume ersetzt, die jetzt wieder Reben weichen mussten.»

Wenn man von der Kirche von San Leolino über die Conca d’Oro blickt, dann erkennt man gleich, dass die Grosslage ein culla, ein Gitterbett, für einige der renommiertesten Weine aus dem Chianti Classico ist. Vorne liegt die Vigna del Sorbo, die Trauben für Vigna d’Alceo und Sammarco von Castello dei Rampolla wachsen am gegenüberliegenden Hang, dahinter erstrecken sich die Rebberge von La Massa, an den Aussenmauern des Dorfes Panzano kommt noch die Vigna delle Bambole von Il Palagio hinzu, unten, über dem Pesa-Tal, gedeihen Sangiovese und Co. des Gutes Candialle – um nur einige zu nennen.

Einzigartiges Terroir der Conca d’Oro

Die historische, seit Jahrhunderten geschätzte Conca d’Oro liegt geografisch zwischen Fontodi im Osten und und Castello dei Rampolla, dem Weingut von Maurizia und Luca Di Napoli, im Westen. Für den Journalisten und Kartographen Alessandro Masnaghetti, der in Zusammenarbeit mit dem Konsortium Chianti Classico ein detailliertes Werk über die UGA (Unità Geografiche Aggiuntive – die geografischen Zusatzbezeichnungen) des Chianti Classico geschrieben hat, sind besonders drei Güter der perfekte Ausdruck dieses Rebamphitheaters: Fontodi (mit rund hundert Hektar Fläche bei weitem der grösste Produzent der Conca d’Oro), Castello dei Rampolla (eines der Weingüter, das die Geschichte des Qualitäts-Chianti-Classico geprägt hat) und der Neuzugang Candialle des deutsch-finnischen Besitzerpaares Josephin und Jarkko Peränen, das in den Lagen nahe dem Val di Pesa Weine mit grosser mineralischer Frische kreiert.

Die sonnendurchflutete Conca d’Oro hinterlässt ohne Zweifel ihre Spuren in den Weinen, vom Jahrgangs-Chianti-Classico aufwärts, meint Masnaghetti: «Gerade die Weine von Fontodi und Castello dei Rampolla haben eine grosszügige Tanninstruktur, sind auch manchmal erdig, geprägt von dunklen Früchten, aber niemals überreif. Die Weine von Candialle sind hingegen geschliffener und stromlinienförmiger, weisen immer noch die Typizität der Conca d’Oro auf.»

Die meisten der Rebberge der Conca stehen in Höhen zwischen 150 und 375 Metern Meereshöhe, einige auch darüber. In einer der höchsten Positionen der Conca d’Oro zwischen 400 und 500 Metern liegt Il Palagio, das Weingut von Monia Piccini und ihrem Mann Franco. Monia hat vor mehr als einem Vierteljahrhundert dort gemeinsam mit ihrem Vater begonnen, Chianti Classico zu produzieren, und nennt auch ein elegantes Agriturismo mit Blick über die Rebberge ihr Eigen.

Acht Hektar werden bewirtschaftet, fast alles ist Sangiovese, abgesehen von einigen Rebzeilen mit Canaiolo. Die Eignung der urtoskanischen Sangiovese für dieses Terroir hätten auch die pedologischen Untersuchungen ergeben, sagt sie. «So können hier dank der guten Ventilation sehr elegante Weine entstehen», meint sie, «selbst wenn die Rebberge in warmer Süd- und Südwestposition liegen.» Zwischen 2016 und 2018 hat sie eine Reihe neuer Sangiovese-Reben gepflanzt, für die sich der karge Boden besonders eignet: «Hier oben sind die Böden von Pietraforte geprägt, einer harten Steinformation, die auch für den Bau der Palazzi Pitti und Strozzi in Florenz verwendet wurde», erzählt sie. Pietraforte ist neben Galestro und Alberese eine der bestimmenden Bodenformationen in der Conca d’Oro. «Gerade dieser Mix macht die Conca d’Oro so besonders», hat uns schon Giovanni Manetti erklärt.

Vorbereitet auf den Klimawandel

So liegt nördlich der historischen Lage Sant’Eufrasino unterhalb von Panzano die bereits erwähnte Pietraforte. Pietraforte findet man aber auch auf den Terrassen der Vigna d’Alceo des Castello dei Rampolla oder in Quercetos Poggio. Aber auch auf Schieferton und Silan stösst man, genau so wie in der östlichen Hälfte der Conca d’Oro auf Alberese und Galestro, typisch auch in anderen Teilen des Chianti Classico. Panzano sei deshalb auch ein Chianti-Gebiet im Kleinen, sagt man: Fast alle wichtigen Bodenformationen des Gebietes findet man hier auf engstem Raum, manchmal sogar in einem drunter und drüber.

Wie bei Giampaolo Motta auf seinem Weingut La Massa im Westteil der Conca d’Oro. Seit mehr als 20 Jahren setzt der Bordeaux-Liebhaber dort auf die Ergebnisse einer Zonation seiner Rebberge. «Damals wurde mir schnell klar, welche Vorteile die sogenannte disordine panzanese, die panzanesische Unordnung der Böden, für die Qualität der Trauben bringt.» Durch die Zonation entdeckte er drei verschiedene Bodenformationen, die sein Gut dominieren: Lehm und Sand, Galestro (komprimierter Lehm) sowie Sand und Mergel (Alberese). Dazu kommen noch undifferenzierte Komplexe: hauptsächlich aus Ton und grünen oder grauen Mergelkalken mit häufigen Einfügungen von feinen Quarz-Kalk-Sandsteinen und Kieselkalken. Oder sogenannte chaotische Komplexe: inhomogene Massen aus grauen und grünlichen Mergelkalken, eingebettet in eine tonige Matrix, die ebenfalls sehr typisch sind. Marne di San Polo (Oligozän): gelblicher und grauer Mergel mit schuppiger Form. Und Macigno (Oligozän): Quarzsandsteine mit Calcit und Schichtsilikaten im Wechsel mit Tonschiefern. In Mikrovinifikationen einzelner Rebsorten wie Cabernet von verschiedenen Böden geht Giampaolo auf die Besonderheiten der einzelnen Böden ein und vermählt das Endresultat erst zum Schluss. So entsteht zum Beispiel sein vom Bordeaux inspirierter Supertuscan Giorgio Primo: «Die Arbeit daran ist fast Mikrochirurgie», meint er. 

Der grosse Vorteil der sonnigen Conca d’Oro lag in den 1980er und 1990er Jahren auch darin, dass die Trauben perfekt ausreifen konnten, meint Giampaolo, anders als in anderen Teilen des Chianti. In Zeiten des Klimawandels ist das natürlich anders: Die Gefahr überreifer Trauben ist in den sonnigen Südpositionen der Conca d’Oro gross. Entlaubt wird schon lange nicht mehr, auch Bodenarbeiten zielen darauf ab, den Wasserhaushalt der Pflanzen zu regulieren. «Das macht uns das Leben schwer», sagt auch Cosimo Gericke, Winzer auf der Fattoria di Rignana.

Der Westteil der Conca d’Oro ist nicht mehr Teil des natürlichen Amphitheaters, weist aber weitgehend die gleichen geologischen Gegebenheiten auf wie das historische Goldene Becken. Die Rebberge von La Massa, der Fattoria di Rignana, Vecchie Terre di Montefili oder Le Cinciole – um nur einige der Güter zu nennen – umfassen hier insgesamt rund 190 Hektar.

Cosimo Gerickes Weingut Fattoria di Rignana liegt in einer der höchsten Positionen der Anbauzone. Die Weine demonstrieren auch hier einen filo conduttore, einen roten Faden, der Conca d’Oro: «Sie sind elegant», meint Cosimo, und das gilt sowohl für Sangiovese – reinsortig die Basis der Gran Selezione – wie für den Cabernet Franc im Rosso Toscano IGT Il Riccio, eine der besten Interpretationen dieser Rebsorte in der Toskana.

In der Conca d’Oro seien die Auswüchse des Klimawandels aber auch nicht schlimmer als in anderen Teilen der Toskana oder Italiens, ist Giovanni Manetti überzeugt. Ganz im Gegenteil, dank der Vielfalt der Bodenformationen seien die Reben und die Winzer gut darauf vorbereitet.

Dazu kommt noch ein anderer wichtiger Aspekt, meint Giovanni: «Die Weine der Conca d’Oro zeichnet eine hervorragende Säure aus, vor allem auf Galestro- und Alberese-Böden, aber ebenso in den Zonen mit Silan. Nur zum Vergleich: In Lamole – einer der höchsten Lagen des Chianti Classico – erreichen unsere Weine 5,5 Gramm pro Liter Säure, hier in der Conca hingegen sogar 6,5 Gramm pro Liter. Plus: Die Kernzone weist nach Westen, ist also gut ventiliert. Und zwischen 2019 und 2022 sind auch die Temperaturen durchschnittlich niedriger gewesen als in den Jahren davor – daher ist die Alkoholgradation der letzten Jahrgänge niedriger.»

Noch ein Aspekt verbindet die Winzer in Panzano: 80 Prozent der Weinbaubetriebe und 90 Prozent der Rebberge sind biologisch oder biodynamisch zertifiziert. «Damit sind wir ein Vorreiter in Italien», meint Giovanni Manetti mit einem Blick über die Conca, «und wir produzieren nicht nur gesündere Weine, sondern haben auch gesündere Rebberge. Ich würde fast sagen: Das sieht und spürt man, wenn man nach Panzano kommt.»


Facts & Figures

Buchtipp Chianti Classico – The Atlas of the Vineyards and UGAs

Von Alessandro Masnaghetti und Paolo De Cristofaro, 70 Euro

Das erste Buch, das nur dem Gebiet des Chianti Classico, seinen Gemeinden und den UGA gewidmet ist. Recherchiert und geschrieben von Alessandro Masnaghetti, Degustator, Journalist und Kartograph, den der «Wine Spectator» einst den «Map Man» genannt hat und der unter anderem auch die piemontesischen Langhe kartographiert hat.

www.enogea.it


Das Terroir

Seit Jahrhunderten ist der Südhang Panzanos unter dem Namen Conca d’Oro für die Fruchtbarkeit und die goldene Farbe der Kolben des angebauten Getreides bekannt. Nach dem Ende der Halbpacht wurde aber Getreide immer mehr durch Reben ersetzt.

Die Conca d’Oro ist ein Chianti Classico im Kleinen und besteht aus drei vorherrschenden Bodenformationen: Pietraforte plus Galestro und Alberese, die auch in anderen Teilen des Chianti vorkommen. Pietraforte ist eine harte kalkhaltige Gesteinsformation, die auch als Baustoff verwendet wurde, Alberese ist karger Untergrund aus verwittertem Sandstein und Galestro blaugrauer Kalkstein-Schiefer-Boden.

Von 490 Hektar Gesamtfläche im Amphitheater der historischen Conca d’Oro sind 155 mit Reben bestockt, der grösste Teil davon liegt in einer Meereshöhe zwischen 150 und 375 Metern. Die Hauptrebsorten sind Sangiovese, Cabernet und Merlot.


 

Seitenblick; Bistecca bei Dario

Das Bistecca alla Fiorentina ist eine Legende: Die bis zu 1300 Gramm schweren und bis zu sechs Zentimeter dicken Scheiben werden aus dem Filet, dem Knochen und dem flachen Roastbeef geschnitten, so dass ein T-förmiges Knochenstück in dem Steak verbleibt. Nach kurzer Grillzeit wird das Steak gewendet und auf der gegarten Seite gesalzen. Nachdem die andere Seite ebenso lang gegrillt wurde, salzt man auch sie. Jetzt wird das Fleisch mit einem Stück frischer Butter belegt oder mit Olivenöl beträufelt, sofort angerichtet und nach Wunsch mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle gewürzt.

Eine Legende des Bistecca ist Dario Cecchini. Touristen aus aller Welt pilgern in sein Lokal im Ortszentrum von Panzano, die «Officina della Bistecca», um seine Spezialität zu geniessen: ein auf dem Holzkohlengrill gebratenes Fiorentina, saftig, gut mit Fett durchzogen und geschmackvoll, wie es sein soll. Den Metzger selbst findet man allerdings gegenüber hinter der Theke seiner Metzgerei: «Ich bin schliesslich der Macellaio von Panzano, wie schon mein Vater und Grossvater vor mir», sagt er.

Für Dario ist allerdings das Fiorentina nicht das beste Stück vom Rind: Er zieht das Panzanese vor, das auf der Kuppe des Rindes etwas hinter dem Bistecca liegt – kerniger noch, aber kaum bekannt.


Die Preisspanne

Die Weine kosten zwischen 15 und 30 Euro für den einfachen Chianti Classico DOCG aus Rebbergen in der Conca d’Oro bis hin zu circa 50 Euro für eine Gran Selezione (auch mit der Vigna-Bezeichnung). Supertuscans/Toscana IGT liegen noch drüber: Der Flaccianello von Fontodi geht für circa 150 Euro über den Ladentisch, der Giorgio Primo von La Massa für mehr als 100 Euro, der Vigna d’Alceo von Castello dei Rampolla für rund 140 Euro.


(Fast) Alles bio

80 Prozent der Weinbaubetriebe in Panzano und 90 Prozent der Rebberge sind biologisch oder biodynamisch zertifiziert. Die Unione Viticoltori di Panzano hat darüber hinaus bereits 2008 eine Überwachung der Rebberge eingeführt, um Rebkrankheiten und Schädlingen vorzubeugen. Zum Vergleich: Im gesamten Gebiet des Chianti Classico werden aktuell 52,5 Prozent der Rebberge biologisch bewirtschaftet, 65 Prozent der Betriebe sind biologisch zertifiziert.


Die UGA des Chianti Classico

Das Chianti Classico wird bald um elf UGA reicher: Das sind die Unità Geografiche Aggiuntive – geografische Zusatzbezeichnungen –, die Unterzonen im Chianti-Gebiet. Sie charakterisieren Zonen mit eigener Identität und gelten vorerst nur für die Gran Selezione, die Spitze der Qualitätspyramide des Chianti Classico. Eine Gran Selezione mit UGA darf in Zukunft nur aus mindestens 90 Prozent Sangiovese und für den Rest aus autochthonen Rebsorten gekeltert werden. Acht Gemeinden plus drei Ortsteile ergeben die aktuellen UGA: Castellina, Castelnuovo Berardenga, Gaiole, Greve, Lamole, Montefioralle, Panzano, Radda, San Casciano, San Donato in Poggio, Vagliagli. Ab 1. Juli 2023 sollten die UGA in Kraft treten. Die erste Gran Selezione mit UGA-Bezeichnung würde der Jahrgang 2020 sein.

chianticlassico.com/territorio/uga/

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