Amphora Days Portugal

Der Imperialismus der Eiche

Text und Fotos: Harald Scholl

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Diese Reportage finden Sie in der
Ausgabe 04 | 2025

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Tradition & Technik

Seit 250 Jahren werden bei Herdade do Rocim Tonamphoren für die Weinbe-reitung genutzt – eine Praxis, die ihre Wurzeln tief in der Geschichte Portugals hat. Die Region Alentejo ist eines der wenigen Gebiete in Europa, in denen die Herstellung von Wein in grossen Tonamphoren, den sogenannten Talhas, bis heute lebendig geblieben ist. Die Römer brachten diese Technik einst auf die Iberische Halbinsel, und während sie in vielen anderen Weinregionen der Welt in Vergessenheit geriet, blieb sie hier ein lebendiges Erbe. Das Befüllen der Amphoren folgt einem klaren, traditionsreichen Verfahren: Ganz unten liegen die Stängel, darauf eine Schicht mit Traubenschalen, darüber schliesslich der Most. Diese Anordnung wirkt wie ein natürlicher Filter, der auf einfache, aber äusserst effektive Weise den Klärprozess übernimmt. Die Maische verbleibt während der Gärung in der Amphore, wobei sich der feste Tresterhut nach und nach absetzt. Das Besondere: Der Wein wird nicht einfach abgepumpt oder umgefüllt, sondern direkt aus der Amphore abgelassen – mittels eines kleinen Hahns am Boden. Dabei passiert er kontinuierlich die Schicht aus Schalen und Stängeln, die unerwünschte Partikel zurückhält, während Aromen und Struktur bewahrt bleiben. Ganz ohne Pumpen, ohne moderne Filtration, allein durch Schwerkraft und jahrhundertealtes Wissen. Diese handwerkliche und minimalinvasive Weinbereitung unterscheidet sich grundlegend von modernen Kellertechniken, bei denen mechanische Filtration oder Klärungsmittel zum Einsatz kommen. Der Amphorenwein bleibt unberührt von technischen Eingriffen, was ihm eine einzigartige Klarheit, Struktur und Ursprünglichkeit verleiht. In Portugal haben einige Winzer, darunter Rocim, in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, diese alte Methode wieder ins Rampenlicht zu rücken. Das jährliche «Amphora Wine Day»-Festival in Vidigueira zeigt, wie lebendig diese Tradition heute noch ist und welche Zukunft sie hat. Die Amphorenweine von Rocim sind daher nicht nur ein Relikt der Vergangenheit, sondern auch eine zukunftsweisende Antwort auf den Wunsch nach unverfälschtem, terroir-betontem Wein. Ein perfektes Beispiel dafür, wie alte Techniken heute noch beeindruckend effizient funktionieren – und wie Portugal seine einzigartigen Weinbautraditionen bewahrt und neu interpretiert.

Der Ton machts

Bereits vor über 6000 Jahren nutzten die Menschen in Georgien, Armenien und dem östlichen Mittelmeerraum grosse, eingegrabene Quevris oder Pithoi, um ihre Weine zu vergären und zu lagern. Später übernahmen die Römer diese Technik und verbreiteten sie über ihr gesamtes Reich – von der Iberischen Halbinsel bis nach Gallien und Germanien. Doch warum gerade Ton? Die Antwort liegt in seinen einzigartigen physikalischen Eigenschaften. Ton ist porös und ermöglicht eine sanfte Sauerstoffzufuhr – ähnlich wie Holzfässer, aber ohne deren geschmacksgebenden Einflüsse. Das bedeutet: Der Wein kann sich langsam entwickeln, bleibt dabei aber frisch, mineralisch und terroir-geprägt. Zudem halten die Tempera-turstabilität der Amphoren und ihre Fähigkeit, Schwebstoffe sanft zu filtern, den Wein klar und strukturiert. Neben Georgien, wo diese Tradition nie un-terbrochen wurde, setzen auch Weingüter in Portugal, Spanien, Italien und Frankreich wieder auf Ton. Winzer schätzen diese Technik, weil sie den Wein unverfälscht belässt und ihm eine besondere Frische und Textur verleiht. Während Holz oft Würze oder Vanille-Aromen einbringt, bleibt der Wein aus der Amphore rein, klar und puristisch. Kein Wunder, dass immer mehr Naturwein-Winzer auf dieses uralte, aber zeitlose Verfahren setzen.

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