Top-Biowein 2014: Winzer des Jahres

Der gute Malanser

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Pollari

Er ist der Inbegriff des ehrlichen Winzers, der ohne Tricks und fern aller Moden herrschaftliche Tropfen in die Flaschen bringt. Diese haben am Biowein-Concours 2014 von VINUM die höchste Durchschnittswertung erzielt. Damit ist der 80-jährige Louis Liesch aus Malans der «VINUM-Biowinzer des Jahres 2014».

 

«Die Vegetation geht auch nicht in Pension», sagt Louis Liesch. Und weil das natur- oder gottgegeben nun eben mal so ist, macht auch er weiter. Obwohl er dieses Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, klingelt bei ihm noch immer morgens um halb sieben der Wecker. Im Frühling ist er aber um diese Zeit meist eh schon wach. Es zieht ihn einfach magisch nach draussen zu seinen Reben. Den einzigen Luxus, den er sich heute im Vergleich zu früher gönnt, ist ein etwas ausgiebigeres Morgenessen mit seiner Frau Margrit. Spätestens um halb acht aber steht Louis Liesch im Rebberg. Und das immer ohne Handy, denn das würde ihn nur vom Wesentlichen, eben von der Arbeit, ablenken. Wer ihn telefonisch erreichen will, muss halt wie er früh aufstehen oder dann warten, bis er abends wieder zu Hause ist.

Seinen Rebparzellen in Malans sieht man die minuziöse Pflege an. Die Begrünung tadellos, auch direkt am Stock ist das Gras perfekt zurückgeschnitten. Selbst im wachstumsintensiven Spätfrühling hat er seine Reben bestens im Griff. Mitte Mai sind schon alle Neben- und Kümmertriebe eliminiert. Und doch: Gerade wenn Louis Liesch über seine kerngesunden Rebstöcke blickt, gibt es etwas, was ihn nachdenklich, ja fast traurig stimmt: «Seit nunmehr 25 Jahren bewirtschafte ich meine Reben hier in Malans kontrolliert biologisch. Jeder Winzerkollege, der an meinen Parzellen vorbeispaziert, kann sehen, dass es tadellos funktioniert. Und trotzdem machen sie immer weiter mit ihren Herbiziden und Fungiziden.» Vor allem den noch immer üblichen Einsatz von Herbiziden, um im Unterstockbereich das Gras wegzubrennen, versteht er nicht. «Mit meinem Bodenbearbeitungsgerät mit Schwenkscheiben kann ich diese Arbeit problemlos mechanisch erledigen. Und all jene, die inzwischen ihren Pinot für weit über 30 Franken verkaufen, könnten es sich weiss Gott auch leisten, jemanden mit einem Fadenmäher in die Reben zu schicken...»

Vom Winzer zum Landjäger

Angefangen hat aber auch er urkonventionell. In den 50er Jahren half Louis Liesch seinem Vater, der für verschiedene Bauernfamilien in Malans spezifische Rebbergsarbeiten ausführte und daneben seinen eigenen Rebberg bewirtschaftete. Es waren die Zeiten, wo man ungeschützt mit der Rückenspritze hantierte und nichts dagegen hatte, wenn etwas von diesem Gift im Haar oder im Gesicht klebte, damit der Auftraggeber sah, dass man wirklich «gut gespritzt» hatte…

1953 besuchte er den ersten berufsbegleitenden Weinbaukurs in Wädenswil, es war der erste Ausbildungslehrgang für Winzer in der Deutschschweiz überhaupt. Später arbeitete er als Rebmeister für die Familie von Tscharner in Chur. Dort halfen bei der Ernte jeweils Stadtpolizisten mit. Dem jungen Winzer gefielen die Männer mit den schicken Uniformen, und so ging er zur Kantonspolizei. Als Landjäger in Flims, Zernez und Küblis hatte er es nicht mehr mit Pinot-Rebstöcken, sondern mit Verkehrssündern und manchmal sogar Mördern zu tun. Die brenzligste Situation, an die er sich erinnern kann, war die Festnahme eines Wilderers im Prättigau. Der Mann schoss aus dem Fenster, als er vorfuhr. Louis Liesch kletterte über ein Vordach ins Haus, hatte plötzlich den Mündungslauf einer Pistole vor sich, konnte den Mann aber schlussendlich entwaffnen. 1971 bekam er die Möglichkeit, die Reben des Weinhauses Cottinelli in Malans zu bewirtschaften, und kehrte in sein ursprüngliches Metier zurück. Mit der Zeit konnte auch er verschiedene Rebgärten pachten.

1982, im Alter von 48 Jahren, füllte er erstmals Wein unter seinem eigenen Namen ab. Und seit 1992 keltert er seine Weine kontrolliert biologisch. Inspiriert dazu hat ihn seine Frau. «Als Frau und als Mutter von vier Kindern hinterfragt man den Gifteinsatz bei der Produktion von Genussmitteln vielleicht stärker als ein Mann und Winzer, für den der Umgang mit diesen Mitteln zur Routine geworden ist»,sagt Margrit Liesch.

Familien-Teamwork

Die Weine von Louis Liesch spiegeln seinen Charakter wider. Sie sind ehrlich, geradlinig. Tricks und Kniffs hat er nicht nötig. Sein «einfacher» Malanser Blauburgunder ist keine Kopie eines Crus aus Beaune, obwohl er von der Struktur und der Finesse her durchaus mit einem solchen vergleichbar wäre, und sowieso kein Neue-Welt-Pinot. Nein, er ist sofort als Herrschäftler erkennbar, als hochwertiger Herrschäftler, der trotz seiner trinkigen Samtigkeit auch Säure und Tannin hat. Die Spätlese, die zehn bis 15 Tage später geerntet wird, ist ein wuchtiger, aber ausgewogener Wein mit grosser Fruchtfülle. Und obwohl dieser Wein schon sehr reif in die Flasche kommt, hat er ein erstaunliches Entwicklungspotenzial, selbst der 2003er bereitet noch immer viel Trinkvergnügen.

Eine höchst positive Überraschung sind auch die weissen, im Stahltank ausgebauten Crus von Louis Liesch. Der Chardonnay überzeugt mit seiner Frische, Dichte und Finesse, und auch der Grauburgunder zeigt viel Biss und eine klare Struktur. Diese beeindruckende Leistung ist heute das Resultat eines gut eingespielten Familien-Teamworks. Sein 38-jähriger Sohn Louis-Heinz, der die Ausbildung zum Winzer und Weinküfer durchlief, vinifiziert heute die Liesch-Weine und arbeitet daneben als Agent, Scout und Spielerbetreuer im Eishockey. Sein zweiter Sohn, Martin Liesch, hauptberuflich als leitender Arzt im Kantonsspital Chur tätig, hilft genauso bei der Rebarbeit wie Lieschs Bruder, ein pensionierter Lehrer. Ein dritter Sohn lebt heute als Psychiater und Biobauer im Bergdorf Stierva. Von ihm stammt der Salsiz, der vorzüglich mit dem Malanser Blauburgunder 2012 aus dem Stahltank harmoniert.

Wenn Louis Liesch sich ein Gläschen Wein genehmigt, dann immer seinen eigenen, meistens die Blauburgunder-Spätlese aus dem Stahltank. Der Grund ist einleuchtend: «Meine Weine sind die einzigen, von denen ich wirklich genau weiss, was drin oder glücklicherweise eben nicht drin ist», sagt er.

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