Neue Pinot Noir Elite

Foto: Siffert / weinweltfoto.ch 

Der Pinot Noir ist die Königsdisziplin der Winzer in CHAD-Land. Ähnlich wie die «Grande Complication» für den Uhrmacher ist das Streben nach einem vollkommenen Pinot die grösstmögliche Herausforderung, der sich  ein Winzer stellen kann. Auf den folgenden Seiten porträtieren wir acht Weinmacher aus CHAD-Land, also aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die zu den neuen  Aficionados der roten Leitsorte aus dem Burgund gehören und mit den aktuellen Jahrgängen zum Sprung in die Champions League des Pinots ansetzen. «Fasten your seatbelts!»

Weingut Julia Bertram, Ahr (D)

Julia Bertram

Ihre Maschine geht in drei Stunden. Julia Bertrams Traumziel Südafrika liegt zum Greifen nahe. «Seit fünf Jahren hatte ich keinen Urlaub mehr. Aber ich befürchte, dieser wird eher ein halber», schmunzelt die 27-jährige Winzerin aus dem Ahrtal. In Stellenbosch, der Vorzeigeregion für Neue-Welt-Rotweine, winken Güter wie Meerlust. Zu faszinierend, um als Spätburgunder-Produzentin nur die Kap-Landschaft einzuatmen. Mit an Bord des Fliegers wird Julias Freund Benedikt Baltes sein. Auf seinem fränkischen Weingut vinifiziert auch der gebürtige Ahrtaler fast ausschliesslich Spätburgunder. Die beiden Betriebe an Ahr und Main leiten sie gemeinsam. «Es ist spannend, wie unterschiedlich sich Bennis Pinots vom roten Buntsandstein und meine aus von Schiefer und Grauwacke geprägten Steillagen entwickeln.» Nachdem sie den Bachelor of Science für Weinbau und Önologie in der Tasche hatte, setzte ihr eine 80-köpfige Expertenjury 2012 die Krone der Deutschen Weinkönigin aufs rotblonde Haupt. Weder die dezidierte Befragung zu Weinbau und Kellertechnik im englischen Fachjargon noch das Prüfen ihrer Schlagfertigkeit und Kamerapräsenz brachte Julia aus dem Tritt. An der Amtszeit als Weinhoheit im Fokus der Medien gewachsen, teilte sie die sechs familieneigenen Hektar mit der Mutter und schiebt ihre Spätburgunder seitdem unbeirrt ins öffentliche Interesse. Die meisten 2014er aus Lagen wie Mönchberg oder Rosenthal sind längst ausverkauft. Auf historisches Erbe, das manche Jungwinzer als Vorschussbonus mitbringen, kann die Tochter eines Vermessungstechnikers nur bedingt zurückgreifen. Zwar existiert das Weingut seit 1910, diente Julias Eltern aber als Nebenerwerbsquelle. Umso passionierter geht die Botschafterin von «Wine in Moderation», einer Non-Profit- Initiative, die sich für gescheiten Weingenuss starkmacht, zur Sache, experimentiert mit dem Einsatz von Spessart-Eiche und französischen Tonnellerien und späht schon mal Flächen für künftigen Bio-Anbau aus: «Rot ist nicht nur die Farbe der Liebe. Der deutsche Spätburgunder hat eine grosse Zukunft.» emd

www.juliabertram.de 

Weingut Julia Bertram

Spätburgunder Ahrweiler Forstberg 2014
17.5 Punkte | 2017 bis 2026
Ein Wein mit perfekter Balance zwischen samtigem Charme und animierender Frische. Aromen von dunklen Beeren, Pflaumen und Wiesenkräutern. Auch im Gaumen fruchtbetonte Fülle und edle Würze. Die saftige Säure verleiht dem Cru die nötige Subtilität.

Weingut Edelbauer, Langenlois (A)

Christoph Edelbauer

Es ist nicht ganz einfach, das Weingut in der badischen Ortenau, 2,5 Kilometer östlich von Sinzheim im Weiler Ebenung des Ortsteils Vormberg zu finden. Aber wer pfadfinderische Tugenden hat, wird belohnt und hier vom jungen, selbstbewussten Johannes Kopp oder von seiner Mutter Birgit begrüsst, deren beider Leben sich vor fünf Jahren schlagartig veränderte. Denn damals schied Ewald Kopp, der seit 1996 mit dem beruflichen Hintergrund Landmaschinentechniker das Gut langsam, mit zäher Arbeit aufgebaut hatte, auf tragische Art aus dem Leben, im Alter von nur 48 Jahren. Johannes (Jahrgang 1989), gerade 22 Jahre jung, musste früh Verantwortung für ein Gut mit 17 Hektar Reben und schon einiger Reputation (u.a. drei Trauben im «Gault & Millau») übernehmen. Aber er hatte bei Bürklin-Wolf in der Pfalz und beim alteingesessenen Rotweinspezialisten Bleasdale in Südaustralien eine gute Ausbildung genossen und konnte auf dieser Basis zu Hause schon eigene Akzente setzen. Der junge Mann war vom Riesling und von den Möglichkeiten der weissen Burgunderfamilie überzeugt, favorisierte aber trotzdem Spätburgunder. Dessen Rebfläche steigerte er von 6,5 Hektar im Jahr 2012 auf inzwischen knapp 11 von insgesamt 22 Hektar. Das lässt Spielraum für Extreme. Für die Topqualitäten wird der Ertrag auf 20 bis 30 Liter pro Ar begrenzt. Zwei Jahre Reifung in Barriques schliessen sich an. Von den neuen Fässern liegen 160 Exemplare im Keller. «Ich will Kraft, konzentrierten Geschmack und ein straffes Tanningerüst. Die Weine sollen einen eigenen, starken Charakter haben», nennt Kopp die Zielsetzung. Welches Potenzial in seinen Fluren steckt, zeigte sich schon beim Deutschen Rotweinpreis 2012, als ein noch vom Vater vinifizierter 2009er Klostergarten auf Rang drei einlief. Seitdem ist der Name Kopp mit Pinot Noir ganz vorne oder auf vorderen Rängen zu sehen. Der Weinsachverständige Otto Geisel bringt es auf den Punkt: «Eine faszinierend abgeklärte Rotweinstilistik.» rk

www.weingut-edelbauer.at

Weingut Christoph Edelbauer

Pinot Noir 2014
17.5 Punkte | 2018 bis 2028
Dunkler Waldboden, frische dezente Sauerkirsche, Walnussschale, Kräuter. Im Gaumen herrlich reintönig mit feinen röstigen Noten und saftiger Frische. Gewinnt, wenn man ihn zwei Stunden vor dem Genuss dekantiert. Feingliedrig, fast feminin im Charakter und sehr animierend.

Weingut Kopp, Sinzheim-Ebenung (D)

Johannes Kopp 

Es ist nicht ganz einfach, das Weingut in der badischen Ortenau, 2,5 Kilometer östlich von Sinzheim im Weiler Ebenung des Ortsteils Vormberg zu finden. Aber wer pfadfinderische Tugenden hat, wird belohnt und hier vom jungen, selbstbewussten Johannes Kopp oder von seiner Mutter Birgit begrüsst, deren beider Leben sich vor fünf Jahren schlagartig veränderte. Denn damals schied Ewald Kopp, der seit 1996 mit dem beruflichen Hintergrund Landmaschinentechniker das Gut langsam, mit zäher Arbeit aufgebaut hatte, auf tragische Art aus dem Leben, im Alter von nur 48 Jahren. Johannes (Jahrgang 1989), gerade 22 Jahre jung, musste früh Verantwortung für ein Gut mit 17 Hektar Reben und schon einiger Reputation (u.a. drei Trauben im «Gault & Millau») übernehmen. Aber er hatte bei Bürklin-Wolf in der Pfalz und beim alteingesessenen Rotweinspezialisten Bleasdale in Südaustralien eine gute Ausbildung genossen und konnte auf dieser Basis zu Hause schon eigene Akzente setzen. Der junge Mann war vom Riesling und von den Möglichkeiten der weissen Burgunderfamilie überzeugt, favorisierte aber trotzdem Spätburgunder. Dessen Rebfläche steigerte er von 6,5 Hektar im Jahr 2012 auf inzwischen knapp 11 von insgesamt 22 Hektar. Das lässt Spielraum für Extreme. Für die Topqualitäten wird der Ertrag auf 20 bis 30 Liter pro Ar begrenzt. Zwei Jahre Reifung in Barriques schliessen sich an. Von den neuen Fässern liegen 160 Exemplare im Keller. «Ich will Kraft, konzentrierten Geschmack und ein straffes Tanningerüst. Die Weine sollen einen eigenen, starken Charakter haben», nennt Kopp die Zielsetzung. Welches Potenzial in seinen Fluren steckt, zeigte sich schon beim Deutschen Rotweinpreis 2012, als ein noch vom Vater vinifizierter 2009er Klostergarten auf Rang drei einlief. Seitdem ist der Name Kopp mit Pinot Noir ganz vorne oder auf vorderen Rängen zu sehen. Der Weinsachverständige Otto Geisel bringt es auf den Punkt: «Eine faszinierend abgeklärte Rotweinstilistik.» rk

www.weingut-kopp.com 

Weingut Kopp

Spätburgunder Roter Porphyr 2014
17 Punkte | 2017 bis 2027
Purpurfarben; feine, animierende Cassis im Aroma; mittelgewichtige, fast schlanke Anmutung, im Alkoholgehalt moderat (13 «Volt»), dadurch viel Trinkfluss. Zarte Mineralik, merkliche, jugendliche Säure. Braucht noch etwas Zeit. Wurde unfiltriert abgefüllt.

Hauksson Weine, Hünenberg-See (CH)

Höskuldur Hauksson

Ein Isländer, hauptberuflich Fonds-Manager, der mit Trauben von alten Reben aus Weiningen im Kanton Zürich einen glasklaren Pinot nach burgundischem Vorbild in die Flasche bringt? Das ist kein Witz. Bei der Suche nach seinem Pinot-Konzept liess sich der 47-jährige Höskuldur Hauksson, kurz und einfach «Hoss» genannt, von der «Drei-Farben-Trilogie» des polnischen Filmregisseurs Krzystof Kieslowski inspirieren. Drei Jahre lang beschäftigte er sich dabei mit jeder Ernte unter einer speziellen Ausbauthematik. Mit den 2014er-Trauben experimentierte er zum Thema Konzentration, den 2015er-Jahrgang liess er in verschiedenen Hölzern mit verschiedener Toastung reifen, und den 2016er vergor er mit verschiedenen Hefen (auch Naturhefen) bei verschiedenen Temperaturen. Nach dem so gefundenen Pinot-Konzept möchte er künftig bis zu 10 000 Flaschen pro Jahr produzieren. Das wohl ungewöhnlichste Element im Ausbau ist das teilweise Dörren der Trauben. Hauksson wohnt mit seiner Familie in einem Bauernhaus im Kanton Zug, in dem sich eine alte Dörrerei für Birnen und Äpfel befindet. Darin dörrt er rund zehn Prozent der Trauben aus einer frühen Vorlese während eineinhalb Tagen bei 70 bis 100 Grad Celsius. Diese gedörrten Trauben werden dann während der rund sechswöchigen Maischengärung kontinuierlich zugesetzt. Ein anderer, kleiner Teil der Pinot-Ernte wird nach dem Saignée-Prinzip konzentriert. Für die Gärung setzt er auf einen Mix von selektionierten und natürlichen Hefen. Danach reift der Wein zwei Jahre grösstenteils in stark getoasteten Eichenfässern, zu einem kleinen Teil auch in Kastanienholz. Wer bei gedörrten Trauben und «Heavy Toasting» an einen Neue-Welt-Pinot denkt, liegt falsch. Der 2014er hat gerade mal 11,8 Volumenprozent Alkohol und fasziniert mit frischer Frucht und einer geradlinigen, strammen Säure. Der mutmasslich einzige isländische Winzer, der in Reykjavik schon als Student aus Moosbeeren erste Weine gekeltert hat, bringt frischen Esprit in die Schweizer Pinot-Szene. tv

hoskuldur.hauksson@gmail.com

Hauksson Weine

Pinot Noir 2014
17.5 Punkte | 2017 bis 2027
Trotz teilweisem Dörren der Trauben und Ausbau in mehrheitlich stark getoastetem Neuholz begeistert dieser Pinot mit seiner frisch wirkenden, ja fast kühl anmutenden Beerenfrucht. Dazu Kräuter, Erde und subtile Würznoten. Entwickelt im Gaumen viel Zug. Sehr präsente, belebende Säure.

Weingut Schnabel, Gleinstätten (A)

Karl Schnabel

Seit jeher finden sich in unseren Verkostungen immer wieder Weine, die als Querschläger charakterisiert und wenig typisch für die Region oder eine Rebsorte sind. Grandioser Chardonnay von der Ahr oder extravaganter Müller-Thurgau aus der Wachau. Sie haben indes eines gemeinsam: Sie sind richtig gut und haben Persönlichkeit. Weine mit Zivilcourage eben. Einer, von dem solche Crus kommen, ist Karl Schnabel aus dem Sausal in der Südsteiermark, im Grunde eine Weissweinregion. Pinot Noir gibt’s wenig, für Karl Schnabel aber ist dieser knackig kühle Landstrich genau das, was seine Pinots benötigen. Von ihnen verlangt er Filigranität und Eleganz. Nichts verabscheut er mehr als die wettbewerbsmedaillenverklebten Konfitüren-Pinots. Seine sind geradeheraus, originär und kommen aus den kalkfreien, aber silikatreichen Lagen Hochegg und Koregg. «Der hohe Gehalt an Silikaten ist die Stärke unserer Böden, dem Pinot Noir geben sie zusätzliche Komplexität. Und ich will den Boden in meinem Pinot schmecken», sagt Schnabel. Um das zu erreichen, verzichtet er auf alles, was diesem Transfer vom Boden über die Beere bis in die Flasche im Weg stehen könnte. Kein Schwefel, nur gebrauchte französische Fässer, keine Rappen und sowieso keine Hilfsstoffe. Die Nabelschnur des Weinmachens bleibt rein und makellos. Es dauert, bis seine Pinots «erwachsen» sind, wie Karl Schnabel es nennt: Erwachsen sind sie dann, wenn sie alle Prozesse in ihrem ureigenen Tempo durchlaufen haben. Währenddessen schnuppern sie immer wieder Luft. Darum bereiten sie auch ohne Schwefelzugabe sehr lange Trinkvergnügen. Mit der Reife gewinnen sie an Feinheit. Sie zeigen sich knochentrocken, mit moderater Kraft, vielschichtig und vor allem subtil strukturiert. Karl Schnabel ist ein Macher, ein intelligenter und authentischer Querdenker. Sein Fitnessstudio ist sein Weingarten. Er hat am Ende des Tages geackert wie ein Pferd, ist abgekämpft, aber rundum zufrieden und so glücklich, wie nur einer sein kann, der einen aussergewöhnlichen Pinot-Noir-Stil gefunden hat: seinen ureigenen. sh

www.karl-schnabel.at

Weingut Schnabel

Pinot Noir Hochegg 2015
17.5 Punkte | 2017 bis 2027
Zurückhaltende Nase mit etwas Kalkstaub und erdigen Noten, reifen Erdbeeren, aber auch salzig-nussigen Komponenten. Ein Touch von Rappen (positiv), extrem eigen, aber auch extrem gut. Sehr saftiger Stil, ungemein feines Tannin, trinkig mit mineralischem Fundament. Nerviger, lebendiger Stil.

Jost & Ziereisen, Riehen (CH)

Thomas Jost

Obwohl erst 29 Jahre alt, kennt sich Thomas Jost im Kosmos Pinot Noir schon so gut aus wie ein alter Fuchs. Geholfen haben ihm die fünf Jahre, in denen er als Kellermeister beim charismatischen Hanspeter Ziereisen im benachbarten Markgräflerland gearbeitet hat. «Bis du weisst, was ein grosser Pinot Noir ist, musst du den Wert eines Bauplatzes vertrunken haben», habe Ziereisen immer zu ihm gesagt. So war er bestens vorbereitet, als die Gemeinde Riehen im Jahr 2014 ihre 3,3 Hektar umfassenden Parzellen in der Lage Schlipf neu zur Pacht ausschrieb. Seither hat die Schweizer Weinszene mit Jost & Ziereisen ein neues Topweingut. Die Basis dazu ist die Transformation der Reben. Denn wo früher Offenwein produziert wurde, reift heute ein Grand Cru. «Ich will die Reben dazu bringen, dass sie ohne Ertragsreduktion nicht mehr als 600 Gramm pro Quadratmeter ergeben.» Zapfenschnitt, ein erstes Ablauben noch vor der Blüte, ein Ausblasen der Rebreihen mit Pressluft nach der Blüte, um schwache Triebe zu eliminieren, eine intensive flächendeckende Begrünung und biodynamische Anbaupraktiken tragen zu einer kleinen Ernte von kleinbeerigen Trauben bei. Produziert werden zwei Pinots: Le Petit ist vom Typ her ein Village-Wein, stammt aus einer Vorlese und wird im grossen Holzfass ausgebaut. Le Grand ist vom Anspruch her ein Grand Cru. Das bedeutet: sechswöchige Maischestandzeit mit einem kleinen Anteil Rappen, Spontanvergärung, Ausbau in neuen 450-Liter-Eichenfässern ohne Toastung, keine Filtration. Wer in der Abenddämmerung oben am Schlipf steht und auf die Skyline von Basel mit dem Roche-Turm von Herzog & de Meuron blickt, dem höchsten Gebäude der Schweiz, dem wird klar: Der Kanton Basel-Stadt hat nicht mehr nur Kunst und Architektur von Weltformat, sondern auch einen Grand Cru. «Das Burgund der Schweiz liegt für mich dort, wo der Pinot in Jurakalk wurzelt, also in jenem geologischen Gürtel, der vom Aargau bis nach Neuenburg reicht und bis in die Stadt Basel hinein», sagt Thomas Jost. tv

www.jost-ziereisen.ch

Jost & Ziereisen

Le Grand Pinot Noir 2014
18 Punkte | 2018 bis 2030
Zeigt sich in der Nase noch verhalten, lässt aber seine subtile Grösse schon klar erkennen. Aromen von roten Beeren, dazu Wiesenkräuter, Leder, Lakritze und eine kreidig anmutende Mineralität. Im Gaumen kraftvoll, aber geradlinig. Mit angepasster Säure und kernig-präsentem Gerbstoff.

Weingut zur Linde, Linn (CH)

Michel Jaussi

Ein Mann, ein Ort, ein Wein: Die Geschichte des 45-jährigen Fotografen und Winzers Michel Jaussi beweist beispielhaft die Richtigkeit jener Terroir-Definition, die nebst dem Boden und dem Mikroklima auch die Persönlichkeit und die Biografie des Winzers miteinbezieht. In Windisch aufgewachsen, konnte Michel Jaussi schon als Kind die legendäre Linde von Linn sehen, für viele einer der beeindruckendsten und wohlproportioniertesten Bäume der Schweiz. Später entdeckte er auch das kleine Bauerndörfchen Linn, vor allem das «Gasthaus zur Linde», ein spätbiedermeierlicher Hof, dessen Wirtin Erika Bossard für ihn nach der Scheidung seiner Eltern fast ein bisschen zur Ersatzmutter wurde. 1988 schloss das Restaurant, und 2004 kaufte Michel Jaussi, inzwischen längst ein international renommierter Werbefotograf, das Haus und restaurierte es stilgerecht. Doch damit war seine Hinwendung zum Terroir Linn noch lange nicht abgeschlossen. Bereits im Jahr 2000 übernahm er in der auf eindrückliche Weise von Wald umgebenen Sommerhalde unterhalb der besagten Linde eine 0,3 Hektar grosse Parzelle. Bestmöglich abgestimmt auf den tiefgründigen Lehmboden mit viel Jurakalk pflanzte er hier kleinbeerige Burgunderklone auf schwachwüchsigen Unterlagsreben. Die heute 15-jährige Anlage zeigt dank dem massgeschneiderten An- und Ausbau immer deutlicher ihr grosses Potenzial. Jaussi bringt rund zehn Prozent der Trauben in einer Vorernte ein und trocknet sie in einem mit vier Entfeuchtungsaggregaten ausgerüsteten Raum. Diese Trauben werden während der Maischengärung der Haupternte hinzugefügt. Die reifen Rappen der Trauben werden zu rund 30 Prozent der Maische beigegeben. Danach reift der Pinot rund zwei Jahre in neuen «Icon»-Barriques von Seguin Moreau, gefertigt aus Tronçais-Eiche. Auf diese Weise entsteht ein kräftiger, voluminöser Wein, der aber trotzdem seine Pinot-Charakteristik klar erkennen lässt. Selbst im Hitzejahr 2003 entstand nach diesem Konzept ein Cru, der sich 13 Jahre später in schönster Trinkreife zeigt. tv

www.weingut-zur-linde.ch

Weingut zur Linde

Pinot Noir Unter der Linde Grand Cru 2014
17 Punkte | 2017 bis 2027
Intensive Aromatik von roten und dunklen Beeren, dazu ein Anflug von Dörrpflaumen und edle Würznoten. Im Gaumen kraftvoll, mit warm wirkender Frucht und präsentem, feinkörnigem Tannin. Die saftige Säure sorgt für die nötige Balance. Gehaltvoller, verführerischer Pinot mit einer grossen Zukunft!

Weingut Daniel Twardowski, Neumagen-Dhron (D)

Daniel Twardowski

Es gibt keine Homepage und keinen Facebookeintrag, ja selbst eine Adresse von Daniel Twardowskis Trierer Raritäten-Weinhandlung sucht man im Internet vergeblich. Was daran liegt, dass sie enorm exklusiv ist und über verschickte Listen und Telefonanrufe funktioniert. «Ich habe rund 30 bis 40 Kunden international, Topgastronomie und Privatiers. Zu 90 Prozent verkaufe ich Spitzenweine aus Frankreich, vor allem gereifte.» Twardowski, Jahrgang 1978, kennt die grossen Weine der Welt, auch die des Burgund. Ob DRC oder Henri Jayer, er hat sie oft getrunken, weiss, wie ein grosser Pinot Noir schmecken sollte, der von kalkigen Böden kommt. Doch als er eigenen Wein machen wollte, ging er einen anderen Weg. «Ich habe viel an der Ahr probiert, war von vielen Weinen aber nicht so überzeugt. Stodden hat allerdings einen anderen Stil und tollen Wein gemacht, da wusste ich, es muss gehen auf Schieferboden.» Twardowski wollte nicht in Baden der Fünfte oder Zehnte sein, sondern an der Mosel einer der Ersten. «Ich will die Filigranität der Rieslinge vom Schiefer oder die feiner, trinkbarer Syrah von der Rhône in den Pinot bringen. Es soll kein Me-too-Produkt zum Burgund sein, sondern die beeindruckende Würze des Schiefers einbringen.» 2005 bestockte er erste Weinberge mit Pinot Noir und wurde belächelt – auch von der französischen Rebanstalt. Sie hatte ihm nicht das A-Material geliefert. Fast alles ging ein. «2006 haben wir dann alles richtig gemacht und bekamen Pflanzmaterial vom Feinsten.» Die Reben stehen in der Lage Dhroner Hofberg, pro Jahr wird nur ein Wein produziert, der kostet 70 Euro. «Es sind 2000 Arbeitsstunden pro Hektar notwendig, der Ertrag liegt bei 15 Hektolitern. Da verdiene ich mir selbst mit 70 Euro keine goldene Nase. Der Preis ist aber auch ein Statement und ein Ansporn für mich, den Spätburgunder richtig zu machen, und das ist das Schwierigste auf der Welt.» Deshalb stehen ihm die Domaines Armand Rousseau und Comte Liger-Belair stets für die telefonische Beratung zur Seite. Was für eine Hotline! csh

www.pinot-noix.com

Weingut Daniel Twardowski

Pinot Noix 2013
17 Punkte | 2017 bis 2026
Dass Daniel Twardowski jede freie Minute in Weinberg und Keller ist, schmeckt man bei diesem ungemein präzisen Pinot Noir mit kühler Stilistik. Das Holz der Barriques von Spitzenqualität verwebt sich harmonisch mit der Schieferwürze. Es ist, als würde die Mosel vom Burgund träumen.

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