Rosé - eine (Hass-) Liebe fürs Leben

LA VIE EN ROSE

Text: Barbara Schroeder und Rolf Bichsel, Fotos: Rolf Bichsel, Tellerdesign und Foodstyling: Barbara Schroeder

Barbara Schroeder und Rolf Bichsel arbeiten seit über 15 Jahren zusammen und verstehen sich wie eineiige Zwillinge. Nur wenn es um den Rosé geht, sind sie gar nicht gleicher Meinung. Ein fröhliches Streitgespräch.

 

Barbara Schroeder (B.S.): Rolf, du musst da doch noch dringend diesen Artikel über Rosé schreiben.

Rolf Bichsel (R.B.): Ich? Ist doch deine Sache!

B.S.: Du weisst doch, dass ich keinen Rosé mag.

R.B.: Ja, natürlich, Rosé ist kein Wein für starke Frauen mit schwachen Nerven.

B.S.: Wie witzig! Wenn du unbedingt streiten willst: Rosé ist gar kein Wein, weder für starke Männchen noch für schwache Weibchen.

R.B.: Vorurteil, komm hervor, du bist umzingelt! Zwar gibt es rein technisch gesehen gar keinen Rosé, sondern nur leichten Rotwein. Doch das, was wir heute Rosé nennen, ist ein absolut vollwertiger Wein, sogar der Urwein an und für sich, die eigentliche Heimat des Rebensafts!

B.S.: Es folgt nun, liebes Publikum, ein Geschichtsmonolog, der kann Stunden dauern... Darf ich mich wenigstens setzen?

R.B.: Nimm Platz und spitz die Ohren: Was passiert, wenn du rote Trauben in einen Kübel gibst, an den Beeren deine Wut auslässt, bis sie bluten, sie dann für 24 Stunden vergisst und zu guter Letzt den Saft durch ein Sieb in ein Glas abfilterst

B.S.: Dann kann ich meinen Salat damit würzen.

R.B.: Dein Jungwein mag nach der Spontangärung wie Essig riechen, doch er ist von rosa Farbe. Genau so war Rotwein während einer kleinen Ewigkeit. Stockdunkel wurde er erst in den letzten 150 Jahren. Seine kristallene Transparenz, sein funkelnder, hellrot glänzender Teint waren wichtige Zeichen für seine Qualität. Ungetrübte Weine wiesen auf saubere Kelterung hin.

B.S.: Bis de Pontac auf Haut-Brion im 17. Jahrhundert den modernen, kräftigeren, neuen Bordeaux erfand... Ich kenn die Leier – du indoktrinierst mich ja nicht erst seit gestern.

R.B.: Richtig. Um gegen die Konkurrenz von Kaffee, Tee und Südweinen anzukommen. Durch den Spanischen Erbfolgekrieg schlossen französische Offiziere mit Iberiens Rebensäften Bekanntschaft, die zum Konkurrenten für leichte nordfranzösische Weine wurden – weisst du, dass der erste Blindverkoster der Weingeschichte Sancho Pansa war, Don Quichottes Knecht? Bei Cervantes nachzulesen, der…

B.S.: Rolf, du schweifst ab und aus! Was hat das mit meiner Allergie gegen Rosé zu tun?

R.B.: Alles und nichts. Ich versuche dir beizubringen, dass du nicht eine Allergie gegen Rosés hast, sondern gegen schlecht gemachte solche. Nimm einen Tavel…

B.S.: Der südfranzösische Tavel ist kein Rosé, betonst du selber immer, Tavel ist ein vollmundiger Wein hellroter Farbe, der von einem ausgesuchten Weinbau-Terroir stammt. Er wird durch präzises Abpressen nach einigen Stunden an der Maische erzeugt, nicht wie viele Rosés durch Ablassen des Saftes von der Rotweinmaische.

R.B.: Richtig. Tavel galt lange als einer der grössten Weine Frankreichs. Weisst du, warum die Winzer in Tavel auf ihren Böden nur das herstellen dürfen, was wir als Rosé bezeichnen?

B.S.: Schluck runter und spuck aus…

R.B.: Ab dem 17. Jahrhundert war der kleine Flecken einer der wichtigsten und bekanntesten Weinproduzenten Frankreichs. Gemeinsam mit ein paar anderen Dörfern der Umgebung erfanden seine Winzer sogar bereits eine Art Ursprungsschutz. Denn ihr damals als besonders duftig und «geistreich» bezeichneter vollmundiger Wein war gesucht und teuer. Bis 1870 war Tavel eine blühende und glückliche Gemeinde. Dann brach die Reblaus aus und trieb Tavel in den Ruin. Die Schuld an der Misere trugen nach Ansicht der Tavelaner einige Winzer, die ein paar Jahre zuvor begonnen hatten, hier auch dunklen Rotwein anzubauen, um mit der Mode zu gehen. Dazu hatte man mit aus den USA stammenden Färbertrauben experimentiert, und diese hatten, so glaubte man, die Laus eingeschleppt und vorher die neuen Pilzkrankheiten. Der Wiederaufbau dauerte Jahrzehnte. Doch die (echten oder scheinbaren) Gründe für die Krise prägten das Kollektivgedächtnis. Tavel gehört mit Châteauneuf-du-Pape zu den Gründern moderner Ursprungsbezeichnung. In seinen Statuten verzichtete Tavel (und das ist bis heute so) jedoch darauf, seinen Böden auch Rot- und Weissweine abzugewinnen, und bekannte sich kompromisslos und voll zum hellroten Wein, dem es seinen Ruf verdankte und den man in der neuen Weingesetzgebung mangels eines anderen Begriffs als Rosé bezeichnete.

B.S.: Okay, Tavel ist ein Sonderfall. Doch Burgunder und grosse Bordeaux sind seit de Pontac Rotweine dunkler Farbe, hast du vorhin selber gesagt.

R.B.: Denkste. Die New French Clarets waren zwar gerbstoffreicher und farbkräftiger als die alten, doch bis Ende des 19. Jahrhunderts besassen selbst die besten Crus Classés eine glasklare, durchscheinende Robe. Sie hatten mehr Säure als heutige Bordeaux und weniger Tannin. Grosse, teure Rotweine für Vermögende wurden unverdünnt getrunken und funkelten bis Ende des 19. Jahrhunderts in zwar roter, aber transparenter Farbe. Nur die Weine fürs Volk, die mit Wasser verdünnt wurden, besassen den tiefschwarzen Teint heutiger Rotweine.

B.S.: Ich soll Rosé heute mögen, weil Bordeaux gestern auch so war?

R.B.: Nein, du sollst verstehen, dass auch Wein Moden unterliegt. Nach der grossen, fast hundert Jahre dauernden Weinkrise begann etwa ab den 1960ern zuerst nur Rotwein wieder zu boomen. Rosé wurde zum Synonym für schlecht gemachte Säftchen aus zu hohen Erträgen. Heute kommt Rosé wieder voll in Fahrt. Doch gewisse Weinkenner rümpfen ihr Stupsnäschen und sind sich zu gut für den Rosé-Konsum, statt sich die Mühe zu machen, die Spreu vom Weizen zu trennen.

B.S.: … weil sie von der Spreu, einem Rosé de Provence etwa, der nur aus Alkohol, Oxidation und einer Nase nach nassem Pudel besteht, am nächsten Tag Kopfweh kriegen.

R.B.: Du hast zu lange keinen Rosé de Provence mehr getrunken. Früher hat die Provence tatsächlich Unmengen schlechten Rosés in Umlauf gebracht. Die besten Böden wurden für die Rotweinproduktion missbraucht. Doch von wenigen Ausnahmen wie Bandol oder Aix einmal abgesehen: Die Provence ist keine Rotweingegend. Die Roten geraten oft herb, unausgereift und rustikal. Die Provence besitzt interessante Weissweinlagen, vor allem aber ideale Bedingungen für die Produktion frischer, saliner, blumiger, fruchtiger Terroir-Rosés. Rund um den Rosé wird in der Provence heute aufwändige Forschungsarbeit betrieben, und das ist auch richtig so. Statt Pseudo-Grands-Crus, die auf einem Missverständnis basieren sowie auf der Tatsache, dass die Weinkardinäle der Welt nicht mehr schlucken, sondern nur noch blind um die Wette spucken und Rosé sich dazu nicht eignet, würden auch andere Regionen besser mehr erfrischende oder vollmundige, fruchtige oder mineralische, immer aber präzise erarbeitete Rosés mit Stil und Eigencharakter ausbauen. Der Rosédeiner Alpträume ist ein Abfallprodukt, entstandendurch «Saignée», das heisst das Ablassen von Most zum Konzentrieren des Rotweins. Der Rosé, von dem ich spreche, ist ein Wein, der in puncto Sortenwahl, Standort, Anbau, Rebschnitt, Laubarbeit, Erntezeitpunkt, Einmaischen, Abpressen, Kühlen und Ausbau exakt auf seine Bestimmung hin erarbeitet wurde, mit grösster Präzision und nach dem Stand heutiger Technik. Dann braucht er auch weniger Schwefel und gibt ausserdem kein Kopfweh…

B.S.: … aber einen rosa Kater!

R.B.: Unsinn. Weil Rosé leicht scheint und gut mundet, ganz ohne Gerbstoffe, die kratzen, und noch dazu (zu) kühl serviert wird, trinkt man ihn zu schnell – so schnell, dass der Alkohol nicht mehr verarbeitet werden kann und für Katzenjammer sorgt. Wenn man Rosé in betulichen Schlucken wie einen grossen roten Burgunder trinkt, gibt es auch kein böses Erwachen am nächsten Morgen.

B.S.: Da trink ich lieber gleich Roten!

R.B.: Trotzkopf. Man kann doch sehr gut das eine mögen und das andere nicht lassen. Jeder Weintyp hat seine Geisterstunde. Alter Spitzen-Bordeaux zum Festessen, Jahrgangs-Champagner zum Tête-à-Tête…

B.S.: … Rosé-Champagner? Da bin ich für. Den wenigstens mag ich!

R.B.: Du wirst lachen: ich nicht oder nur selten. Im Gegensatz zu echtem, stillem Rosé gemäss obiger Definition ist Rosé-Champagner ein Kompromiss. Nur wenige Rosé-Champagner – die von Billecart-Salmon etwa – werden bis heute nach einem wirklichen Konzept erarbeitet. Nachdem man alles darangesetzt hat, aus roten Trauben weisse Grundweine zu vinifizieren und zu champagnisieren, färbt man einen Brut oder Millésimé wieder mit etwas Pinot-Noir-Grundwein, und wir servieren dann, weil das gerade in ist, zum Mahl brav diesen zum Rosé umfunktionierten Schäumer statt einen echt «weissen» Champagner mit hohem Pinot-Noir-Anteil, der genauso gut passen würde.

B.S.: Was du alles weisst! Doch damit hast du mir die letzte Gelegenheit genommen, Rosé zu mögen, wenigstens in seiner prickelnden Form.

R.B.: Keine Regel ohne Ausnahme. Offenbar ist dein Leben ein einziges Festessen. Du scheinst dich nur von Rinderlende, Brathähnchen und Kartoffelgratin zu ernähren, wenn du eine Flasche Wein zum Essen öffnest. Spinat, Spargel, Artischocke, grüne Erbsen, Frühlingszwiebeln, Zucchini, Auberginen, Avocado, Tomaten, Kapern, Oliven, Knoblauch, Schnittlauch, Dill, Estragon, gekochtes Ei oder Lachs, Sardine, Makrele, Crevetten, Jakobsmuschel, Melone, Erdbeeren kommen wohl nie auf deinen Tisch – oder wenn, dann keusch von Brunnenwasser begleitet? Alles kunterbunte und gesunde Dinge, zu denen kein Rotwein passt und Weisswein nur am Rande, Rosé aber optimal.

B.S.: Zu viel Theorie, zu wenig Praxis! Ich kriege langsam Hunger. Was hast du mir anzubieten?

R.B.: Beginnen wir mit einem Klassiker: Rohschinken (aus dem Aveyron, 18 Monate gereift) und Melone (aus Nairac, gleich nebenan). Dazu öffnen wir zum Vergleich einen blassen Rosé aus Bandol und einen farbkräftigeren Tavel von La Rocalière, dessen Fülle und Fruchtigkeit perfekt mit der zurückhaltenden Süsse der Melone und dem Salz des Schinkens fertig werden.

B.S.: Damit habe ich aber noch nicht gegessen!

R.B.: Dann stell dir einen Teller mit knackigem grünem Spargel zusammen, begleitet von kurz gegrillten Garnelen, mit etwas Nelkenpfeffer oder Estragon gewürzt. Oder versuche meine knapp gegarten kleinen Artischocken, mit einer Mischung aus gehacktem Ei, Oliven und Kapern serviert, die mit etwas Olivenöl aufgerührt wurden. Oder Spinatpüree mit rasch in kochendes Wasser getauchten Saubohnen und einer kross gebratenen Nuss von einer Jakobsmuschel; ein Köpfchen von Avocadocreme mit Sauerrahm, Dill und Lachs; Toastbrot mit Lachs-Tatar oder…

B.S.: Okay, Bill, ich gebe gerne zu: Mit der Artischocke schmecken beide Weine ganz anders, besonders der Tavel wirkt ungemein weinig und scheint richtig Struktur zu besitzen.

R.B.: Und am Gaumen bleibt ein Eindruck von Fruchtigkeit und Frische, nicht von Bitterkeit und Herbe. Rotwein besitzt viel Tannin und etwas Säure: die meisten Gemüse ebenfalls. Durch langes Kochen macht man sie pflegeleichter, bringt sich aber auch um Vitamine, Spurenelemente und den echten Geschmack. Oder man ertränkt sie in dicken Tunken oder verzichtet ganz darauf. Darum finden Mahlzeiten rundum eine grosse Rotweinflasche und fröhliche, frische, unkomplizierte Sommerspeisen selten zusammen. Doch ich koche nicht nur am Sonntag, sondern auch am Samstag und manchmal gar Montag bis Freitag und will Grünzeug, Fisch oder Gewürze nach Lust und Laune verwenden. Und ein Glas Wein gehört für mich zu jedem noch so kleinen Mahl dazu. Dann krame ich lieber nach einem Rosé im Keller, den ich kühl, aber nicht eiskalt serviere, als auf meine Kreativkochfreiheit zu verzichten. Dessen Fülle und Opulenz ergänzen ideal die Säure und den Gerbstoffgehalt der rohen oder knapp gegarten Gemüse, die dem Wein im Gegenzug die Struktur abtreten, die ihm naturgemäss fehlt.

B.S.: Einverstanden, was Grünfutter, Exotisches und Würziges betrifft. Doch zu Fleisch, Käse oder Desserts passt auch der beste Rosé nicht.

R.B.: Du irrst selten, aber wenn, dann gleich richtig. Abgesehen davon, dass guter Rosé fast mit allem fertig wird, was nicht zu stark gesüsst ist, schmeckt er zu einer Nachspeise besonders gut: zu frischen Erdbeeren, der ideale Abschluss eines leichten Mahls, das von einem kräftigen Rosé begleitet wird – etwa dem Tavel von der Domaine Maby oder dem Rosé von Château Brondelle, einem hervorragenden Bordeaux-Gut in meiner Nachbarschaft. Ich serviere die Früchte aus meinem Garten ungesüsst und naturpur und bestreue sie mit ein paar Blättchen Minze. Höchstens reiche ich einen Löffel Sauerrahm dazu, mit einer Messerspitze Vanillezucker aufgeschlagen, und ein, zwei Meringueschäumchen. Was den Käse anbelangt: Nenne mir einen Weintyp, der besser zum Klassiker Tomate mit Mozzarella mundet als ein fruchtiger Rosé aus dem französischen Süden! Und apropos Fleisch: Zu einem Rindscarpaccio mit Kräutern und erstklassigem Olivenöl passt kein anderer Wein so gut…

B.S.: … wie ein lasziver Rosé aus Tavel, der keiner ist. Okay, doch zu Crevetten, Lachs und Jakobsmuscheln wähle ich definitiv Champagner.

R.B.: Und gibst damit zu, dass du eine unverbesserliche Dickköpfin bist, die mich zum Besserwisser stempelt! Weisswein und viele Champagner hinterlassen in Kombination mit leicht süsslichem Seafood wie Jakobsmuscheln und Garnelen oder mit fettem Fisch wie Lachs und Makrele einen unangenehmen, faden Nachgeschmack – Nacharoma müsste das eigentlich heissen. Nur Rosé, am besten leichter, mineralischer, bekömmlicher und doch milder, blasser tut das nicht. Rosé setzt einen blumigen, fruchtigen Kontrapunkt, der Gaumen bleibt frisch: Selbst nach einem Lachsteller mit Zwiebelringen darfst du deinem Liebsten noch vergnügt ein keusches Küsschen geben – Versuch gefällig?

B.S.: Pfui Teufel, geh weg!

Dreimal Rosé

Wir haben für Sie drei Weine ausgewählt, die sehr gut die breite Stilpalette des französischen Rosés illustrieren:



Cave de Ners Cruviers Lascours Grenache IGP Cevennes 2013

15 Punkte | 2014

Bekömmlicher, überaus preiswerter, mineralisch-fruchtiger Ohne-Sorgen-Rosé für alle Gelegenheiten, aus biologischem Anbau. Er steht hier stellvertretend für die vielen interessanten Rosés aus dem Süden Frankreichs.

 

Château Thieuley Bordeaux Clairet 2012

15.5 Punkte | 2014

Weit weiniger als der Wein aus den Cevennen, fruchtiger auch, vollmundiger, im Stil eines leichten Rotweins. Passt gut auch zu kräftigeren Speisen.

 

Domaine La Rocalière Tavel 2010

16 Punkte | 2014

Natürlich darf man diesen hervorragenden Tavel auch jung geniessen und wird sich für 2012 oder 2013 entscheiden. Interessant ist es dennoch, die Entwicklung dieses Weins zu verfolgen, der mit Fülle, Dichte und Komplexität aufwartet und einen Rotwein ersetzen kann, ohne dessen Nachteile bei der Kombination mit Speisen. Schmeckt jünger zu allem, am besten aber (in dieser gereiften Form) zu würzigen Speisen auf Basis von Kalb, Geflügel, Schwein.

Rosé in der Küche - Alles gar oder was?

Rosé und Küche, das ist das, was die Angelsachsen «no-brainer» nennen. Dazu ist Vergnügen doch da, oder? Damit man sich nicht das Hirn aus dem Kopf studiert, sondern mit Spass in vollen Zügen geniesst. Doch Achtung! Kopfweh gibt Rosé immer dann, wenn man ihn wie Bier oder Most süffelt, sowohl was das Tempo als auch was die Menge betrifft. Rosé ist trotz seiner Frische, Fruchtigkeit und Unkompliziertheit ein vollwertiger Wein, auch was den Alkoholgehalt anbelangt! Doch das ist auch wirklich sein einziger Nachteil.

Als Zutat taugt Rosé in der Küche nichts, doch er ist der ideale Begleiter. Weil er Süsse wie Säure erträgt und auch spielend mit Scharfem fertig wird, ist er keine Kreativbremse wie die grossen Rotweine dieser Welt, die man mit Küchenhandschuhen anfassen muss. Speisen auf Gemüsebasis, bunte Salate, in denen Zitrusfrüchte, Avocados, Oliven, Paprika und allerlei Grünzeug, Crevetten, Muscheln, Tintenfischringe, süsse Zwiebeln oder roher Fenchel fröhlich und wild durcheinanderpurzeln; Currys, Spiesschen von Geflügel, Schwein, Kalb, süss-sauer gewürzt; Kebab (hausgemacht– was man uns in den meisten Buden anbietet, hat mit einem echten solchen nichts gemein), Krapfen, mit Spinat gefüllt, Hamburger aus Spinatplätzchen, Auberginensteak, in Ei gewendet, paniert und ausgebacken, dazu Grünfutter, so viel Herz und Magen begehren: kein Problem für einen guten Rosé, dem weder marokkanisch noch mexikanisch, weder griechisch noch indonesisch spanisch vorkommen.

Für die Wahl des Rosés gibt es vorab ein Kriterium: Hände weg von allem, was zu parfümiert, zu gesüsst, zu aufgedonnert daher kommt. Man suche Frische, Fruchtigkeit, Ausgewogenheit, genau wie beim weissen oder roten Wein. Südfrankreich ist eine Bastion des Rosés: Provence, Languedoc und Rhônetal liefern eine riesige Palette von solchen, von zurückhaltend, mineralisch und blass bis vollmundig, saftig und weinig. Bordeaux-Rosés beziehungsweise Clairets auf Cabernet-Basis sind ebenfalls hervorragende Begleiter knackiger, gesunder, sommerlicher Gerichte. Vollmundiger Tavel, weiniger und dichter als die meisten anderen Rosés, wird nicht nur mit fast allen noch so abenteuerlich zubereiteten Speisen fertig – er lässt im Gaumen erst noch ein echtes «Rotwein-Feeling» aufkommen und stellt auch anspruchsvolle Trinker zufrieden.

Rosé geniesst man mit Vorteil jung. Am besten schmeckt er im ersten Sommer nach der Ernte und sollte im Laufe des folgenden ausgetrunken werden. Die Ausnahme bildet (auch da) ein grosser Tavel: Der hält selbst drei, vier Jahre, und wer einmal eine Flasche im Keller vergisst, kann sogar nach zehn oder zwanzig Jahren noch eine positive Überraschung erleben. Doch zur Regel machen sollte man sich das Lagern von Rosé nicht. Es gibt schon genug Weine im Keller, die Kopfzerbrechen bereiten, bevor man sie überhaupt geöffnet hat.

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