Ungarischer Top-Süsswein

Forscher sieht Tokajer durch Klimawandel bedroht

Text: Alice Gundlach | Veröffentlicht: 22.08.2024


Der Top-Süsswein aus Ungarn, der Tokajer, muss unter immer schwierigeren Bedingungen angebaut werden. Klimaforscher warnen nun davor, dass weisse Rebsorten in Ungarn mittelfristig aussterben könnten, weil es für sie zu heiss werden könnte. Die Weinlese hat in diesem Jahr in Ungarn für einige Rebsorten einen Monat früher begonnen als bisher üblich, wie ungarische Weinbauern der Nachrichtenagentur Reuters berichteten.

Reben stossen an ihre Grenzen

Wie kann man weiterhin einen hochwertigen und für sein Terroir typischen Wein produzieren, wenn man mit einem wärmeren Klima und traditionellem Pflanzenmaterial zurechtkommen muss, das manchmal an seine Anpassungsgrenzen stösst? Diese Sorgen beschäftigen derzeit die ungarischen Weinbauern, die Anfang August mit der Weinlese begonnen haben. Laszlo Kerek, Winzer aus Balatonlelle in Westungarn, sagte zu Reuters: «Wir haben mindestens einen Monat Vorsprung vor der Ernte einiger Rebsorten.» Dies sei auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.

Temperaturrekorde im Juli

Ungarn erlebte im Juli 2024 eine außergewöhnliche Hitzewelle mit den höchsten Durchschnittstemperaturen, die seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901 je gemessen wurden.

Wärmestau in den Weinbergen

Der Klimatologe Peter Szabo erklärte, dass die ungarischen Weinbaugebiete einen 25-prozentigen Anstieg der Wachstumsgradtage verzeichneten – eine Kennzahl, mit der der Wärmestau in den Weinbergen bis zur Reife der Trauben gemessen wird. «Unsere Modelle zeigen, dass die Wachstumsgradtage weiter steigen werden und dass das ungarische Klima nicht mehr ideal für Weisswein sein wird», erklärte Szabo.

Winzer passen sich an

Die ungarischen Winzer lassen sich von dieser Nachricht jedoch nicht überwältigen. Einige glauben, dass man in dem Land weiterhin Weisswein herstellen kann, wenn man in den kommenden Jahrzehnten einige Änderungen vornimmt.

Mittelmeer-Techniken in Ungarn

«Es scheint, dass wir die neue Mittelmeerregion sind. Diese Veränderung ist also nicht unbedingt schlecht für den ungarischen Weinbau, aber wir müssen uns anpassen», argumentiert etwa der Winzer Peter Varga. Er habe bereits damit begonnen, mit verschiedenen Methoden die Sonneneinstrahlung auf seine Weintrauben zu minimieren.

Dabei wende er Techniken aus dem Mittelmeer-Raum an, etwa den Becherschnitt, der vor allem in Bandol (Provence) praktiziert wird, oder eine geringere Entblätterung der Rebstöcke, damit das Laub die Trauben schützen kann. Wenn er neue Parzellen anpflanzt, tut er das auf Weinbergen, die nicht nach Süden, sondern nach Osten ausgerichtet sind.

Vielleicht bald mehr Rot- als Weisswein

In Ungarn werden derzeit zu zwei Dritteln weisse und nur zu einem Drittel rote Rebsorten angebaut. Auch die Rebsorten für den Tokajer ist allesamt weiss: Furmint, Hárslevelü und Muskateller. Doch dieses Verhältnis könnte sich in den kommenden Jahren umdrehen, so der Klimatologe Peter Szabo: «Die Weinbauern müssen sich möglicherweise anpassen und auf die Produktion von Rotwein umstellen, der besser zu wärmeren Klimazonen passt.»

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