Aus klein mach gross

Die Wein-Senkrechtstarter

Text: Patrick Hemminger

Dreissigacker – der Willensstarke

«Dein Bruder macht das mal. Drei Familien kann das Weingut nicht ernähren.» Mit dieser Ansage der Eltern wuchs Jochen Dreissigacker auf. Der Betrieb hatte zwölf Hektar Reben, eine Strausswirtschaft und Gästezimmer. Das war Ende der 90er Jahre, es reichte zum Leben, aber nicht für grosse Visionen.

Hektar vor 20 Jahren und aktuell
Damals 12, heute 45
Anzahl der Weine
Damals 54, heute 15
Günstigster Wein
PNT & C Rosé 10,50 Euro/Anzahl Flaschen 40'000
Meistverkaufter Wein
Riesling Gutswein 12,50 Euro/Anzahl Flaschen 200'000
Teuerster Wein
Legenden (Riesling) 2015, 355 Euro, 590 Magnums

Also lernte Dreissigacker erstmal etwas Vernünftiges: Steuerfachangestellter. «Jeden Tag im Büro, da habe ich schätzen gelernt, was den Winzerberuf ausmacht, die Abwechslung, das Draussensein», sagt Dreissigacker. Also suchte er sich noch während seiner Ausbildung selbst Lehrbetriebe und verkündete den Eltern, er werde nun doch Winzer.

Kurz vor dem Abschluss als Steuerfachangestellter aber geschah etwas, das Dreissigacker bis heute prägt. Er brach sich den Oberschenkel. Er könne froh sein, wenn er eines Tages wieder richtig werde laufen können, sagten ihm die Ärzte. Seine Abschlussprüfungen schrieb er im Krankenhausbett. Nach einer schweren Operation lernte er mehrere Monate lang wieder laufen. «Wenn du einmal an einem Punkt stehst, an dem es heisst, du kannst etwas nicht mehr machen, dann prägt dich das», sagt Dreissigacker. Manche würden daran vielleicht verzweifeln, bei Dreissigacker stärkte es den Willen.

Ausbildung beim grossen Weingut Keller in Flörsheim-Dalsheim

Mit 20 Jahren begann er dann beim legendären Weingut Keller in Flörsheim-Dalsheim seine Ausbildung zum Winzer. «Es war gut, dass ich davor schon eine andere Ausbildung gemacht hatte. Dadurch habe ich alles etwas reflektierter wahrgenommen», sagt er. Mit seinen Eltern vereinbarte er, dass er zuhause zwei Weinberge bewirtschaften dürfe, um sich auszuprobieren. Ausprobieren hiess, es möglichst so weit zu bringen wie die Kellers, die einige der besten Rieslinge Deutschlands erzeugen. Das hiess vor allem Spontangärung und Handlese, um eine schmeckbare Herkunft zu erzeugen.

Heraus kam ein voluminöser und ausdrucksstarker Riesling. 9,50 Euro wollte Dreissigacker dafür haben – weit über allem, was die Kunden des kleinen Weinguts damals gewohnt waren. «Den verkaufst du nie», prophezeiten ihm die Eltern. Aber dann geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte. Bei einer Verkostung der Zeitschrift «Alles über Wein» landete der Riesling auf dem ersten Platz. Drei Tage später war er ausverkauft. «Der Unterschied zwischen meinen Eltern und mir ist, sie wollten es jedem Kunden recht machen. Ich hab meinen eigenen Kopf durchgesetzt», sagt er. Nach und nach übernahm er mehr Arbeit und Verantwortung im Betrieb.

Mit dem elterlichen Weingut durchzustarten, gehörte lange Zeit nicht zu Jochen Dreissigackers Plänen. Doch es kam anders...

In der Rückschau sieht die Geschichte des Weinguts Dreissigacker aus wie eine gerade Linie nach oben zum Erfolg. Aber Dreissigackers Ungeduld liess den Betrieb einige Jahre auf Messers Schneide stehen. Damals verkauften seine Eltern ihre Weine alle ab Hof, und das in einen Umkreis von 50 Kilometern. Es waren einfache, solide Trinkweine. «Eine Kundin sagte mir mal: «Herr Dreissigacker, Ihre neuen Weine schmecken mir nach zu viel», erzählt der Winzer. 70 Prozent der alten Kunden wandten sich damals vom Weingut ab, kauften woanders. «Finanziell war das damals nicht so gut», sagt Dreissigacker.

Auf der Suche nach neuen Kunden fuhr er 2003 zum ersten Mal auf die ProWein, die weltgrösste Weinmesse, nach Düsseldorf. «Nach drei Tagen kam ich nach Hause und hatte drei Visitenkarten in der Tasche. Ich war verzweifelt», sagt Dreissigacker. Doch eine dieser drei Karten war von einem Händler aus Berlin, der ihn dorthin einlud, «wahrscheinlich aus Mitleid», sagt Dreissigacker.

Sie besuchten sieben Gastronomen, am Ende stand er bei allen auf der Weinkarte. Mit dem Gutsriesling verdrängte er im «Hotel Adlon» das Rheingauer Spitzenweingut Robert Weil von der Karte. Noch immer ist dieser Wein der wichtigste des Weinguts und macht fast die Hälfte der Produktion aus. Nun ging es aufwärts – aber in der Familie Dreissigacker gab es eigentlich immer noch den Plan, dass der ältere Bruder das Weingut übernehmen sollte. Der hatte so weit immer alle Ideen des Jüngeren mitgetragen. Als sich im Jahr 2005 die Gelegenheit bot, das Nachbarweingut zu übernehmen, hob er die Hand. Seitdem arbeiten die Brüder als gute Nachbarn und Kollegen, tauschten Flächen und helfen sich seitdem gegenseitig.

Ständiges Wachstum

Während der Bruder mit 20 Hektar glücklich ist, wuchs das Weingut von Jochen Dreissigacker beständig. Aktuell bewirtschaftet er 45 Hektar selbst, von 30 weiteren werden Trauben zugekauft, fast ausschliesslich Riesling. Das ist sicher ein Puzzleteil des Erfolgs: die Konzentration auf eine Rebsorte. «Du kannst aus jeder Traube was Gutes machen. Aber du brauchst eine Idee, was du mit dem Wein sagen willst», sagt Dreissigacker. Und natürlich sei es verlockend, alles Mögliche zu machen. «Aber das geht nicht auf hohem Niveau», sagt er.

Ein weiteres Puzzleteil ist herausragende Qualität bei jedem einzelnen Wein. «Qualität muss dann ihren Preis haben. Und dann kann ich kompromisslos arbeiten», sagt Dreissigacker. Dadurch kann er es sich erlauben, in der herausragenden Lage Morstein aus zwei Hektar nur 1200 Flaschen herauszuholen. «Ein echter Grand Cru», sagt der Winzer – und gleichzeitig die Messlatte fürs nächste Jahr.

Dreissigacker scheint zudem völlig frei zu sein von Neid auf andere Winzer, die besser bewertet sind als er. Denn er hat das klare Ziel, dass sein Name der Inbegriff für deutschen Topwein wird. «Ich freue mich, wenn andere besser werden, denn dann müssen wir es auch werden. Für mich ist das positiver Druck», sagt er. Ohne ein grossartiges Team wäre er heute nicht dort, wo er steht, das betont Dreissigacker immer wieder. «Ich habe das grosse Glück zu erkennen, wenn jemand besser ist als ich», sagt er. So sei sein Kellermeister deutlich akribischer als er selbst, sein Aussenbetriebsleiter ein wahres Genie darin, ein Team zu führen.

Das letzte Puzzleteil ist Arbeitswut. «Seitdem ich beim Steuerberater aufgehört habe», sagt er, «habe ich bei der Arbeit nie mehr auf die Uhr geschaut.»

Weingut Dreissigacker (Rheinhessen)
Riesling Gutswein 2019

16 Punkte | 2021 bis 2025

Animierende, frische Nase mit Noten von hellen Zitrusfrüchten. Am Gaumen elegant mit straffer Säure. Enormer Trinkfluss und gute Länge.

11,50 Euro | www.dreissigacker-wein.de

Van Volxem – der Intellektuelle

Roman Niewodniczanski ist kein typischer Winzer. Er fällt auf, wo immer er hinkommt: 2,05 Meter gross, Pferdeschwanz, Figur wie ein Zehnkämpfer, immer bestens gekleidet. Der 52-Jährige drückt sich gewählt aus, sammelt Kunst, liest wenn möglich jeden Tag die Neue Zürcher Zeitung und die New York Times, umgibt sich gerne mit schönen Dingen. In gerade mal 20 Jahren hat er aus dem Nichts ein Weingut mit 85 Hektar Rebfläche und einem spektakulären, weithin sichtbaren Neubau aus dem Boden gestampft.

Hektar vor 20 Jahren und aktuell
Damals 8,5, heute 85
Anzahl der Weine
Damals 12, heute 18
Günstigster Wein 
Schiefer Riesling 9,90 Euro/Anzahl k.A.
Meistverkaufter Wein
Saar Riesling 12,60 Euro/Anzahl Flaschen 100'000
Teuerster Wein
Riesling Scharzhofberger Pergentsknopp 56 Euro/Anzahl Flaschen 4500

Aber von vorne. Niewodniczanski kam in Polen zur Welt, das Haus seiner Eltern war ein Ort, an dem sich Intellektuelle trafen. Sein Vater ist Kernphysiker, seine Mutter spricht neun Sprachen, ist Professorin für Denkmalpflege. Nach dem Umzug der Familie nach Deutschland wuchs Niewodniczanski in der Eifel auf. Seine Verwandtschaft, welche die Bitburger-Brauerei gründete und gross machte, habe aber nichts mit seinem eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu tun, das betont er immer wieder. «Viele denken, ich sei der reiche Erbe, der eine Beschäftigung braucht, das stimmt nicht», sagt er.

Vom Berater zum Winzer

Nachdem Niewodniczanski in München studiert hatte, alles Mögliche von Politik über BWL bis Wirtschaftsgeografie, arbeitete er als Berater. Bald aber machte er sich auf die Suche nach einem Weingut. Denn Wein fasziniert ihn wie nichts Anderes. Er gerät ins Schwärmen, wenn er davon spricht. «Wein repräsentiert eine Geisteshaltung, rechtsradikale Arschlöcher trinken keine guten Weine», sagt er. «Wein ist Geschichte, das Spiegelbild einer Kulturlandschaft, eines Klimas. Wein hat viel mit guten Manieren zu tun, mit Menschlichkeit und Geselligkeit.»

Dass die Saar wieder einen hervorragenden Ruf hat, ist auch Roman Niewodniczanski zu verdanken. Was der Intellektuelle unter Deutschlands Winzern dort in gerade mal 20 Jahren geschafft hat, ist atemberaubend.

Er schaute sich in fast allen Weinbauländern der Alten und der Neuen Welt um. Dann kaufte er an einem Ort, der der Welt abgewandt schien: Wiltingen. Vor 20 Jahren genossen die Weine von der Saar bis auf wenige Ausnahmen keinen guten Ruf. Das Klima war kühl, die Trauben wurden nicht immer reif, die Weine waren säurebetont und dünn. Warum also die Saar, Herr Niewodniczanski? Er habe einfach nur genau hingeschaut, sagt er. «Die Bewegung hin zu Regionalität, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit im Wein war absehbar», sagt er. Ebenso die Auswirkungen des Klimawandels, der nun endlich in jedem Jahr reife Trauben ermöglicht. Seit den 1980er Jahren sei das an der Saar spürbar, seit 2005 werde es zunehmend stärker. Also kaufte er das alte Weingut Van Volxem – aber womit, Herr Niewodniczanski, wenn Sie nicht der reiche Erbe sind? «Man braucht kein eigenes Geld, um ein Weingut zu kaufen, man braucht Solvenz», sagt er. «Die Banken müssen glauben, dass man Gewinn macht. In meinem Weingut steckt hochgradig Fremdkapital.»

Grosse Gewächse mit maximal zwölf Volumenprozent Alkohol

Niewodniczanski macht Weine, die hocharomatisch und fein zugleich sind. Er möchte selbst in den grossen Gewächsen nicht mehr als zwölf Volumenprozent Alkohol. Dass die Weine trotzdem keine dünnen Pfützchen sind, beweisen regelmässig Spitzenbewertungen aller Weinführer und -kritiker. Niewodniczanski betont wieder und wieder, wie wichtig die Menschen um ihn herum sind, sein Team von der Sekretärin bis hin zu seinem Kellermeister Dominik Völk. «Ich muss wissen, wie alles im Weingut funktioniert, aber ich muss nicht alles selbst machen», sagt er.

«Der Kunde hat das Recht auf einen guten Wein», sagt er und korrigiert sich sofort. «Er hat das Recht auf Perfektion!» Das bedeutet Kompromisslosigkeit. «Es kann sein, dass ich die Hälfte meiner Ernte als Fasswein verkaufe, wenn sie nicht gut ist. Das ist mir scheissegal», sagt er. Das bedeutet aber auch nicht enden wollende Arbeitstage und volle Wochenenden. Mails und Postings in den sozialen Netzwerken erledigt Niewodniczanski oft nach ein Uhr in der Nacht.

«Ich wollte nie so ein grosses Weingut haben», sagt er. «12 bis 15 Hektar, das war damals, als ich anfing, meine Schmerzgrenze.» Dass es inzwischen 85 sind, hat mehr mit seinem Bauch als mit seinem Kopf zu tun. «Ich bin sehr emotional», sagt er. «Wenn mich ein Weinberg begeistert, kaufe ich. Ich kann nicht anders.»

Weingut Van Volxem (Mosel)
Saar Riesling 2019

16 Punkte | 2021 bis 2030

Sehr frische, dabei tänzelnd leichte Nase. Am Gaumen ebenfalls leicht, dabei saftig und mit einem bunten Strauss von zitrischen und leicht exotischen Aromen. Feiner Säurenerv.

12,60 Euro | www.vanvolxem.com

Uli Metzger – der Staplerfahrer

Hektar vor 20 Jahren und aktuell
Damals 10, heute 27 plus 113 Zukauf
Anzahl der Weine
Damals 60, heute 60 Weine
Günstigster Wein 
Liter-Riesling 5,20 Euro/Anzahl Flaschen 70'000
Meistverkaufter Wein
Grauburgunder 7,20 Euro/Anzahl Flaschen 280'000
Teuerster Wein
Abyssus Pinot Noir 98 Euro/Anzahl Flaschen 800

Grösse bedeutet für Uli Metzger Freiheit. «Wenn bei meinen Eltern die Waschmaschine kaputt war, war Krisensitzung», sagt er. Heute muss er für eine 100'000 Euro teure Korbpresse nicht mal zur Bank gehen, sondern kann sie über das Konto des Weinguts bezahlen. Metzger kann auch Jahr für Jahr etwas Neues bei seinen Weinen ausprobieren, «und zwar mit dem besten Material», wie er sagt, ohne dass es auf jeden Fall klappen muss. Das führt zu Ergebnissen, die sich sehen lassen können. Im VINUM-Weinguide von diesem Jahr landete beispielsweise sein Pinot Noir Abyssus punktgleich mit Gewächsen von Gütern wie Bernhard Huber oder Rudolf Fürst unter den zehn besten Spätburgundern Deutschlands. «Ich bin halt qualitätsbekloppt», sagt er und lacht.

Durch Neugier und Experimentierfreude zum Erfolg

Seit dem Beginn der 1990er Jahre arbeitet er im Weingut der Eltern. Damals bewirtschafteten die Metzgers sieben Hektar, fuhren ihre Weine noch selbst zu den Kunden im Umkreis. Das lief unter Metzgers Regie ganz ordentlich. So richtig änderte es sich erst, als er 2010 den Betrieb von seinen Eltern komplett übernahm. Zwar hatte die Qualität der Weine bereits deutlich zugelegt – nur gemerkt hatte das in der Weinwelt kaum einer. Das wurde anders, als Metzger zum ersten Mal Weine beim Weinführer «Gault & Millau» anstellte und prompt aufgenommen wurde. Oder als er beim Deutschen Rotweinpreis von VINUM auf Anhieb einen zweiten Platz belegte. «Bis 2010 waren wir mit angezogener Handbremse unterwegs. Dann stieg zwischen 2010 und 2012 allmählich unsere ältere Tochter Lea in den Betrieb ein», sagt er. Und ab dem 12er-Jahrgang ging der Erfolg des Weinguts Metzger durch die Decke.

Wie Uli Metzger in gerade mal zehn Jahren zu einem der grössten Winzer der Pfalz wurde und was ein Stier damit zu tun hat.

Das hat mehrere Gründe. So ist der 52-jährige Uli Metzger ein sehr offener und neugieriger Winzer. «Jeden Herbst fragt er, was wir dieses Jahr anders machen», sagt Lea Metzger. Neugier und Experimentierfreude sind sicher Teil des grossen Erfolgs. Aber die Geschichte des Weinguts Metzger wäre ohne das einprägsame Etikett der Flaschen sicher anders verlaufen. «Vor zehn Jahren konnte man mit einem neuen Etikett richtig was bewegen», sagt Metzger, hatten die meisten Betriebe ihre Ausstattung doch seit Ewigkeiten nicht geändert. «Wir könnten doch was Auffälliges machen», schlug Lea damals vor.

Ein Stier prägt die Flasche

Eine Agentur kam vorbei, schaute sich den ganzen Betrieb an, wollte alles kennenlernen. «Es sollte einfach sein und ein Spiel mit dem Namen», sagt Metzger. «Als dann das Angebot der Agentur kam, habe ich mich erstmal hingesetzt, so teuer war es.» Aber der Familienrat entschied sich dafür, und seitdem ziert der Stier unter dem geprägten Schriftzug «Metzger» die Flaschen. Die Weine sind entsprechend ihrer Qualitäten eingeteilt in Flanke, Pastorenstück und Filet, darüber hinaus gibt es noch ein paar Spezialitäten – das versteht und erkennt jeder wieder. «Die Kollegen haben gelächelt, und für manche Kunden war das auch ein Schock. Aber für einen Weggefallenen kamen zehn neue dazu», sagt Metzger.

Privatkunden und Gastronomie kauften das Weingut Jahr für Jahr leer. «Erst haben wir gesagt, bei 250'000 Flaschen ist Schluss, dann bei 500'000», sagt Lea. Inzwischen sind sie bei 1,4 Millionen angekommen – sie stammen aus 140 Hektar Weinbergen, wovon ihnen 27 selbst gehören. Trotzdem sind die Metzgers einfach die Metzgers geblieben. Ein prunkvoller Neubau oder andere Statussymbole sind ihnen fremd. Eigentlich geben sie nur für eins richtig viel Geld aus: Spitzenweine. «Denn wer selbst solche Weine machen will, der muss sie probiert haben», sagt Metzger. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist es übrigens, mit dem Gabelstapler unterwegs zu sein. «Dabei kann ich wunderbar nachdenken», sagt er. Und wenn einer kommt und den Chef sprechen will, kann er einfach sagen, der sei gerade nicht da. Und dann kichert Metzger wie ein kleiner Junge.

Weingut Metzger (Pfalz)
Grauburgunder Pastorenstück 2020

15 Punkte | 2021 bis 2022

Erinnert in der Nase an Frühlingsblüten und Pistazieneis, im Mund dann mit enormer Trinkfreude. Da ist nichts Kompliziertes oder Unnahbares zu finden, gleichzeitig ist er nicht banal. Ein Trinkwein par excellence.

7,20 Euro | www.weinmetzger.de

Christian Stahl – der Koch

Anfangs war der Wein für Christian Stahl einfach nur das kleinste Übel. Seine Eltern hatten in Franken einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 30 Hektar Zuckerrüben und Viehhaltung. Irgendwann waren ein paar Reben dazugekommen, der Wein daraus wurde in der eigenen Strausswirtschaft verkauft.

Hektar vor 20 Jahren und aktuell
Damals 1,5, heute 27 plus 7 bis 8 Zukauf
Anzahl der Weine
Damals 3, heute 20
Günstigster Wein 
Nachschlag Weiss 7,95 Euro/Anzahl Flaschen 100'000
Meistverkaufter Wein
Nachschlag Weiss 7,95 Euro/Anzahl Flaschen 100'000
Teuerster Wein
Chardonnay Grand Reserve 75 Euro/Anzahl Flaschen 900

«Am Wein hat mich damals nichts interessiert. Aber immer noch mehr als an Viehzucht und Ackerbau. Das eine war mir zu dreckig, das andere zu monoton», sagt Stahl. Spannend fand er damals vor dem Abitur Informatik und Design, er sass nächtelang vor dem Computer und gestaltete zum Beispiel Etiketten für die Weine der Eltern. Das machte ihm Freude, aber Stahl wurde rasch klar, dass er das nicht acht Stunden jeden Tag machen wollte. Kreativität auf Knopfdruck war nicht seine Sache.

Erstmal eine Winzerlehre

Was er sonst tun wollte, wusste er aber auch nicht. Also erstmal eine Winzerlehre. «Ich dachte, ich zögere die Berufswahl noch etwas hinaus mit etwas, bei dem die Eltern Ruhe geben», sagt er. Klick machte es dann, als er in der Ausbildung zu Ludwig Knoll ans Weingut am Stein in Würzburg kam. Knoll, der heute zu den besten Winzern Frankens zählt, war Anfang 30 und schon damals voller Tatendrang. «Da habe ich gesehen, dass hinter dem Weinmachen eine Handwerkskunst mit vielen Stellschrauben und Parametern steckt. Das hat mich gereizt und motiviert», sagt Stahl. Deshalb ging er nach der Lehre zum Studium nach Geisenheim.

2005 kehrte er zurück in den elterlichen Betrieb. Dort machten die Eltern weiter mit der Landwirtschaft und der Strausswirtschaft, Stahl übernahm den Wein «mit der absoluten Sicherheit, niemals scheitern zu können.» Völlige Selbstüberschätzung paarte sich mit kompletter Blauäugigkeit, so erzählt Stahl es heute. Aber genau das war der Grund, warum es anfing, nach oben zu gehen. «Ich wusste damals zum Beispiel nicht, dass Müller-Thurgau keine grosse Rebsorte ist. Also habe ich sie wie Riesling behandelt, weil ich keinen Riesling hatte», sagt er. Irgendwie landete eine Flasche von diesem Wein beim Weinkritiker Stuart Pigott, und der schrieb in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» etwas über diesen jungen, verrückten Typen aus Franken. «Mir ging es damals nicht darum, mit den Weinen Geld zu verdienen. Ich wollte einfach so gut wie möglich werden», sagt Stahl. Seine Weine sind klar und auf den Punkt fokussiert. Frucht und Würze sind in wunderbarer Balance, der Holzeinsatz ist makellos – und alle Weine eignen sich hervorragend als Essensbegleiter.

Mit einer Mischung aus Selbstüberschätzung und Blauäugigkeit wurde Christian Stahl zu einem der grössten Winzer Frankens.

Den Weg zu solchen Qualitäten konnte Stahl mit vielen Experimenten beschreiten, weil die Strausswirtschaft, in der seine Mutter kochte, genug abwarf. Aber schon bald passten die Weine Stahls nicht mehr zur sehr bodenständigen Küche. So übernahmen er und seine Frau 2007 den ganzen Betrieb. Das Vieh wurde verkauft, die Äcker wurden verpachtet. Seine Frau stand in der Küche, Stahl übernahm den Service. Als sie schwanger wurde, tauschten sie die Rollen. Und so arbeitet Stahl bis heute freitags und samstags als Chefkoch auf Spitzenniveau – Fine Dining auf Fränkisch. Währenddessen wuchs das Weingut auf knapp 30 Hektar. Warum nicht klein und fein bleiben? «Von klein und fein reden Leute, die gross und fein nicht können», sagt Stahl. Heute sind seine Weinberge auf 150 Parzellen verteilt. Das bedeutet bessere Reben als früher und Risikostreuung.

Lernen von Nike und Amazon

«2008 hat es zwei Wochen vor der Lese 50 Liter in unseren besten Lagen geregnet. Die Trauben waren hinüber», sagt Stahl. Damals war ihm klar, dass er mehr Fläche brauchte, um sein Ziel zu erreichen. Dieses war: Stahl zu einer Marke zu machen. Nach Wein aus Franken fragte zu Beginn der Nuller-Jahre niemand, Stahl wollte sich lösen von seiner Herkunft. Dabei liess und lässt er sich noch immer von erfolgreichen Marken inspirieren. «Was macht Nike? Was Amazon?», fragt er. «Was kann ich von denen lernen, was Marketing oder Verkauf angeht?» Da sind zum Beispiel Zuverlässigkeit und Schnelligkeit. Schreibt ein Kunde eine Mail mit einer Frage oder wegen eines Problems mit einer Lieferung, reagieren Stahl oder seine Frau meist innerhalb von wenigen Minuten. «Sechs Stunden Bildschirmzeit habe ich jeden Tag», sagt er und hält sein Smartphone hoch. Dabei war das Wachsen relativ einfach – seit der ersten, selbst abgefüllten Flasche ist der Winzerhof Stahl Jahr für Jahr ausverkauft. Denn Grundlage für alles ist der Wein, der muss gut sein. «Ohne Qualität», sagt Stahl, «hilft dir auch das beste Marketing nichts.».

Winzerhof Stahl (Franken)
Müller-Thurgau Hasennest 2019

15.5 Punkte | 2021 bis 2023

Die Trauben für diesen Müller-Thurgau wachsen auf 400 Metern Meereshöhe – und reifen dort lang heran. Das merkt man dem Wein auch an. Hocharomatisch, dabei kühl und von feiner Salzigkeit präsentiert er sich im Glas.

12,50 Euro | www.winzerhof-stahl.de

Johannes Leitz – der Bodenständige

Hektar vor 20 Jahren und aktuell
5,5 Hektar - 13 Hektar
Anzahl der Weine
Damals 13 Weine (2004), heute 22 Weine
Günstigster Wein 
Eins-zwei-dry Rheingau Riesling 8,90 Euro/Anzahl Flaschen 150'000
Meistverkaufter Wein
Rheingau Riesling trocken VDP.Gutswein
ALDI SÜD, 6,99 Euro/k.A.
Teuerster Wein
2017 Berg Roseneck Riesling Trockenbeerenauslese
350 Euro/Anzahl Flaschen 120

Der Anfang war hart, erinnert sich Johannes Leitz. Als er in den 1980er Jahren das Familienweingut übernahm, war es klein und verschuldet, sein Vater war schon lange verstorben. «Damals waren wir arm wie Kirchenmäuse», sagt er. «Ich kenne bei EC-Karten-Abrechnungen den Code 13 (Anm. d. Red.: kein Geld mehr auf dem Konto) oder unschöne Bankgespräche.» Rasantes Wachstum plante Leitz damals nicht, aber er erkannte schon früh manche Dinge, die ihm später helfen sollten.

So trennte er sich schon bald von der Strausswirtschaft, da man damit «keinen Blumentopf» gewinnen konnte, wie er heute sagt. Sein erstes Ziel war, bessere Weine zu machen. Leitz begriff, dass die Grundlage dafür akribische Weinbergsarbeit ist. Rasch wurden die Weine so gut, dass Stuart Pigott auf ihn aufmerksam wurde. 1991 erschien ein kleiner Text über Leitz in VINUM – so ging es los mit der Bekanntheit.

Leitz setzte voll auf Riesling

Leitz traf damals zwei Entscheidungen, die sich im Nachhinein als goldrichtig herausstellten. Er setzte voll auf Riesling, 95 Prozent seiner Rebfläche sind damit bepflanzt. Und er reiste viel nach Skandinavien und in die USA, um seine Weine dort zu vermarkten. Leitz ging Risiko, teilweise hatte er kaum genug Geld, um ein Hotelzimmer zu bezahlen. Aber sein Mut zahlte sich aus, die Kunden dort liebten seine Weine.

Mit Mut und einem guten Bauchgefühl führte Johannes Leitz sein kleines Weingut aus dem Rheingau an die Weltspitze.

Heutzutage gehört das Weingut Leitz zu den besten des Landes. Ein Grund, warum es so kam, ist sicher genau dieser Mut von Johannes Leitz. Aber es gibt noch mehr Gründe. «Ich bekam den Satz ‹Das haben wir immer schon so gemacht, dann machen wir es auch heute noch so› nie von jemandem zu hören», sagt Leitz. «Auf der einen Seite war ich zwar immer völlig auf mich allein gestellt, auf der anderen Seite konnte ich deshalb auch widerstandslos meinen Weg gehen. Dazu habe ich den absoluten Hunger nach Erfolg», sagt Leitz.

Später setzte Leitz auf alkoholfreien Wein

Damals ruhten sich einige seiner Kollegen auf dem Erfolg ihres Vaters oder dem vorhandenen Geld aus – er hatte beides nicht. Dazu kam Leitz’ Bauchgefühl, auf das er sich stets verlassen konnte. So setzte er auf alkoholfreien Wein, als ihm jeder davon abriet – heute gilt er da als Vorreiter. Marketing und Werbung, das machten Weingüter damals kaum. Leitz ebenfalls nicht, auch heute noch so gut wie nicht. Aber er war einer der ersten, der farblich passende Kapseln und Kartons hatte. Zudem ist er ein absoluter Qualitätsfanatiker. Über die Frage, ob er eine Erfolgsformel hat, muss er nicht lange nachdenken. «Qualität, Qualität, nicht abheben, sondern auf dem Boden bleiben», sagt er.

Zwar ist er mit einer Fläche von mittlerweile 130Hektar Rebfläche mehr Unternehmer als Winzer, aber der Kontakt zu seinen Weinbergen ist ihm weiterhin wichtig. «Ich würde sagen, ich kenne fast immer noch jeden Rebstock», sagt er. «Ich bin noch sehr oft in den Weinbergen, die ich unterdessen mit dem E-Bike durchfahre. Auch immer mal wieder die Zeilen hoch und runter. Und auch die moderne Technik hilft mir extrem viel. Was mir gefällt oder auch missfällt, wird fotografiert und per WhatsApp in die jeweilige Gruppe geleitet», sagt er.

Den Mut, den er oft hatte, vermisst er beim Nachwuchs heutzutage manchmal. «Viele junge Winzer kopieren heute nur», sagt er. «Traut euch mehr, abseits der Wege zu gehen!»

Weingut Leitz (Rheingau)
eins zwei dry 2020

15.5 Punkte | 2021 bis 2025

Frische, animierende Nase mit zitrischen Anklängen und dezent würzigen Noten. Die Säure wirkt leicht zurückgenommen, was den eins zwei dry auch für Menschen zugänglich macht, denen die Rebsorte oft zu säurebetont daherkommt.

8,90 Euro | www.leitz-wein.de

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