Vinyes dels Aspres

Auf den Spuren von Senyora Siseta

 

Text: Thomas Vaterlaus

Im rauen Hinterland jener mondänen Costa Brava, von der aus Salvador Dalí und Ferran Adrià auf ihre ganz eigene Weise die Welt verzauberten, keltert David Molas erdigelegante Crus, die das nahe Frankreich klar erkennen lassen. Und nicht nur das.

 

Die kleine Region Alt Empordà im nördlichsten Zipfel Kataloniens ist der perfekte Ort, um über den ominösen Begriff «Textur» zu philosophieren. An der mondänen Küste zelebrierten Lichtgestalten wie Salvador Dalí oder Ferran Adrià die Textur als Kunst und pure Sinnlichkeit. Der Surrealist mit seinem antennenartigen Oberlippenbart liebte es etwa, auf der Terrasse seiner Villa unter blauem Himmel ein Püree aus Kartoffeln und Heringen in die Kniekehlen von Gala, seiner Frau und Muse, zu füllen und diese dann auszuschlürfen… Jahrhundertkoch Ferran Adrià widmete sich dem Thema wissenschaftlicher und entwickelte unter anderem revolutionäre Geliermittel aus roten Algen.

Die verblüffend feine Textur der Weine, die im gebirgigen, noch immer bäuerlich geprägten Hinterland der Küste reifen, ist dagegen weitgehend naturgegeben. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten der karge Boden aus Schiefer und Granit sowie vor allem der Tramuntana. Der kühle Fallwind aus dem Norden, der vom nahen Pyrenäengebirge immer wieder mit heftigen Böen durch die Rebberge rauscht, lässt selbst an heissen Sommertagen das Thermometer in kürzester Zeit drastisch fallen. Diese Klimakapriolen verleihen den Weinen die nötige Säure und kernige Gerbstoffe.

Das 300-Seelen-Dorf Cantallops, nur zehn Kilometer von der Grenze zu Frankreich entfernt, ist ein besonderer Ort. Wir sind hier im katalanischen Urland, wo der französische Einfluss stärker spürbar ist als der spanische. Besonders beim Wein. Wie auf der anderen Seite der Serra de l’Albera, wo in Rivesaltes und Banyuls grossartige Süssweine gekeltert werden, sind auch die Winzerin Alt Empordà, zu Deutsch «Oberampurien», stolz auf ihre Rancios. Und wie ihre französischen Kollegen jenseits der wilden Berge, die hier aber wenig Trennendes haben, halten sie an ihren traditionellen Sorten Garnatxa (Grenache) und Samsó (Carignan) fest.

Vor der Kellerei Can Batlle des 42-jährigen David Molas stehen auf einer alten Steinmauer die 20 Liter fassenden Glasballons (Demijohns), in denen die Süssweine jahrelang reifen. Molas ist ein moderner Traditionalist, der 1998 zusammen mit seinem Onkel Xavier Alberti beschlossen hat, die Weinbautradition seiner Vorfahren wieder aufzunehmen. Schon seine Urgrossmutter, eine Lehrerin, die in der Region respektvoll «Senyora Siseta» genannt wurde, soll in Can Batlle einen so guten Hauswein gekeltert haben, dass stets viele Besucher ins Haus kamen. Ihre Tochter Maria heiratete den berühmten katalanischen Violinisten, Dirigenten und Komponisten Eduard Toldrà (1895 bis 1962), Gründer des Orquestra Simfònica de Barcelona. Toldrà schrieb neben Sonetten und Streichquartetten auch rund 30 Sardanes, also Kompositionen für den traditionellen katalanischen Volkstanz, der unter der Franco-Diktatur verboten war. Maria und Eduard Toldrà verbrachten jeweils die Sommermonate in Can Batlle und verbanden hier Essen, Wein, Poesie und Musik zu einem privaten katalanischen Gesamtkunstwerk.

Im wilden Herzen Kataloniens

Die Erzählungen und Aufzeichnungen aus jener glücklichen Zeit, als Can Batlle von prallem katalanischem Leben erfüllt war, sind für David Molas eine wichtige Inspirationsquelle. Seine rote Cuvée S’Alou und der Süsswein Bac de les Ginesteres sind dann auch nach Sardana-Stücken seines Vorfahren benannt. Und die Tatsache, dass er mit seinen 30 Hektar gerade einma l50 000 Flaschen produziert, ist ein unmissverständlicher Beweis dafür, dass er kompromisslos nach Qualität sucht. In den 14 Parzellen wachsen die rund 30-jährigen Stöcke vorwiegend unbewässert in traditioneller Buschform (Gobelet-System) und sind umgeben von Olivenbäumen, Korkeichen, Wiesen und Weideland. Alles zusammen ergibt ein vielfältiges Ökosystem. Die Hauptsorte Garnatxa (Grenache) baut David Molas gleich in drei Varietäten an: Blanca für den erfrischenden Blanc dels Aspres, dann Negra für alle roten Assemblagen und schliesslich noch Roja für die Süssweine. Internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Syrah und der Tempranillo, der in Katalonien schon fast poetisch «Ull de Llebre» genannt wird, tragen ebenso zur Komplexität der Weine bei wie der gekonnte und subtile Ausbau in französischer Eiche. Harmonie ist das Stichwort: Was Eduard Toldrà einst mit seinen Kompositionen gelang, das schafft sein Nachfahre nun mit seinen Weinen. Zum Beispiel mit dem Negre dels Aspres, der trotz seiner 15 Volumenprozent Alkohol eine verblüffende Frische zeigt.

Eine Fahrt zu David Molas in Cantallops ist eine Fahrt mitten ins wilde katalanische Herz. Im tourismusüberfluteten Barcelona und in den glamourösen Badeorten geht die katalanische Kultur allmählich im Trubel unter. Cantallops dagegen ist katalanisch durch und durch, allein in der Sprache spiegelt sich die raue, ungeschliffene Schönheit der hier beginnenden Bergwelt wider. Unterhalb des Dorfes liegen Rebberge,Wiesen und Olivenhaine, oberhalb setzt dichter Wald ein. Hinter dem Wald erheben sich schroffe Felsen. Jenseits der Berge liegt schon Frankreich. Mit dem«Can Xiquet» gibt es im Dorf ein gediegenes, modern konzipiertes Landhotel, dessen Küche nach katalanischer Tradition gekonnt Erde und Wasser auf den Tellern vereint, etwa mit «Pollastre de pagès amb escamarlans», einer Kombination aus lokalem Huhn und Scampi. Wenn dazu der Blanc dels Aspres von David Molas im Glas funkelt, ist das katalanische Landglück perfekt.

Bald eigener Kork?

Für die Zeit bis zum Abend empfiehlt sich ein Besuch des Naturparks Serra del’Albera oder eine kleine Erkundungstour zu den prähistorischen Siedlungsspuren in den Wäldern rund um das Dorf. Im Hinterland der Costa Brava gibt es über hundert Dolmen, dazu Menhire: Steinkisten mit Grabhügeln und Felsen mit Gravuren. Es ist ein mystisches Land. Davon ist auch David Molas überzeugt. Vielleicht erzählt er Ihnen beim Verkosten seiner Weine von den überaus komplexen Sardana-Kompositionen, die von einem elfköpfigen Orchester mit so seltenen Blasinstrumenten wie Flabiol, Tible oder Tenora gespielt werden. Oder von seinem Traum, neben dem Wein zusätzliche Facetten der einstigen Mischwirtschaft in Can Batlle wieder aufzunehmen. Die Korkeichen haben es ihm dabei besonders angetan. Irgendwann einmal möchte er seine Crus mit Korken aus eigenem Anbau verschliessen.

Weine des Winzers

 

Blanc dels Aspres 2012

Garnatxa Blanca | 2014 bis 2017

Elegante Aromen von Minze, Garrigue-Kräutern und Mandarinenschale. Subtil eingebundene Würznoten. Im Auftakt fruchtbetont, dann geradezu knackig frisch. Im Abgang fast wie ein Chablis.

Mariage: Fisch, Meeresfrüchte, aber auch Jamón Ibérico, Pasteten, Terrinen und leichte Vorspeisen

 

Negre dels Aspres 2010

Garnatxa Negra, Samsó (Carignan) und Cabernet Sauvignon | 2014 bis 2018

Aromen von frischen roten Beeren, mit Noten von Waldkräutern, Lakritze, Leder und einer Spur Rauch. Dicht gewoben, mit kernigem Tannin und einer sehr bekömmlichen, präsenten Säure.

Mariage: Rindfleisch, Lamm, Wildgeflügel, Eintopfgerichte, Pilzragout, gereifter Hartkäse

 

Vi de Panses 2006

Garnatxa Roja | 2014 bis 2030

Aromen von Orangenschale, Nüssen, Melasse, Marzipan und Toffee. Süsser Auftakt, dann perfekt ausbalanciert. Komplexer, mittelgewichtiger Süsswein mit Finesse und Frische im Abgang.

Mariage: Gänseleber, Edelschimmelkäse und leichte Desserts wie Crema Catalana, Vanille-Windbeutel