Pago los Balancines, Extremadura

Weine aus dem Nichts

Text: André Dominé, Fotos: z.V.g.

  • Schafe, Oliven, Wein und Ibérico-Schinken sind die Pfeiler der Landwirtschaft in der Extremadura. Trotz enormer Rebflächen hatte man vom Wein aus der Region kaum etwas gehört. Da...

Heute ist Pago los Balancines bei Mérida das am höchsten bewertete Weingut in Ribera del Guadiana, der einzigen Denominación de Origen in der Extremadura. Das wohl verblüffendste Weinprojekt des letzten Jahrzehnts in Spanien entstand allein aus drei Dingen: Passion, Vision und kühler Überlegung.

Nichts hatte Pedro Mercado zum Winzer bestimmt. Weder gab es in seiner Familie ein Weingut noch jemanden, der beruflich mit Wein zu tun hatte. Er selbst hätte es für unmöglich gehalten, als er sich 1999, im Alter von 25 Jahren, als Architekt in Madrid darauf verlegte, Premiumhäuser inklusive Grundstück, Entwurf, Bau und Finanzierung anzubieten. Obwohl ihn der Aufbau seiner Firmengruppe im ersten Jahrzehnt nach der Gründung enorm in Anspruch nahm – oder vielleicht gerade deswegen? –, gewann Wein für ihn zunehmend an Bedeutung. Weit über eine gute Flasche zum Feierabend hinaus. Wann immer er es einrichten konnte, vertiefte er sein Weinwissen und besuchte berühmte Güter im In- und Ausland. Spätestens mit 30 hatten sich seine Besuche in eine Suche nach dem geeigneten Ort, um selbst ein Weingut zu kreieren, verwandelt. Und dabei ging es ihm um Kreation, nicht um Übernahme. Berühmte Regionen konnten ihn da nicht locken.

Um los Balancines zu finden, brauchte es eine echte Spürnase. Ruckelt man auf dem schlechten Sandweg über Kilometer an den Olivenplantagen von Oliva de Mérida vorbei, fragt man sich noch heute als Besucher, wie Pedro darauf stossen konnte. Da gab es nur schlecht gepflegte Olivenbäume, einige Hektar vernachlässigte Tinta-Roriz-Reben, doch keine Bodega und keinen abgefüllten Wein, der Grosses hätte verheissen können. Was zog ihn also an? Zwischen den Bergrücken von Juan Bueno und Peñas Blancas erstreckt sich ein mit Steinen übersätes Hochplateau mit sattrotem Boden, einem Gemisch aus Ton und Kalk. Es drainiert den winterlichen Regen bestens und versorgt noch im Hochsommer die Reben mit ausreichend Feuchtigkeit. Im Sommer klettert die Temperatur tagsüber zwar auf 45 Grad Celsius, doch stürzt sie nachts bis auf 8 Grad herab. Ein Jo-Jo, das im Wein intensive Aromen fördert. Immer bläst eine Brise vom fernen Atlantik zwischen den Bergen, mässigt die Hitze, schützt vor Rebkrankheiten. Und dann gab es Land, viel Land. Genug Land, um 60 und mehr Hektar mit Reben zu bestocken. Die konnten in Zukunft ausreichend Wein liefern, um das Projekt zu tragen. 

Und dort gab es genug Land, weitab von jedem Nachbarn, damit Pedro seine Zucht aufbauen konnte. Die Zucht von einheimischen Mastiffs, Mastines auf Spanisch, mächtigen Hirtenhunden, die einst die Schafsherden gegen Wölfe verteidigten. Wunderbare Tiere.

Im Einklang mit der Natur

Man sollte meinen, für einen Architekten, der ein Weingut kreiert, wäre der Kellerbau vorrangig. Nicht für Pedro Mercado. Erst einmal ging es ihm um die Reben, als er das Gut 2006 erwarb. So restaurierte er die zehn Hektar an 40 Jahre altem Tinta Roriz, der einst aus dem nahen Portugal eingeführte wurde.  Gleichzeitig rodete er das Land und pflanzte neu. Nicht in Zeitlupe, wie sonst üblich, sondern gut 40 Hektar in Rekordzeit. Die Rebsorten, von denen er sich viel versprach: Garnacha Tintorera, Cabernet Sauvignon, Touriga Nacional, Bruñal, Graciano, Petit Verdot und Syrah. Von Anfang an arbeitete er biologisch. Denn die Liebe zur Natur ist Bestandteil von Pago los Balancines, in dessen Umkreis es 40 verschiedene Vogelsorten gibt.

Ausserdem beherzigte Pedro die Tradition einer der heissesten Weinregionen Spaniens. Er verzichtete auf künstliche Bewässerung, setzte aber nur 1080 Weinstöcke auf den Hektar. Die erzog er im Gobelet, dem Becherschnitt, der Trauben Schatten spendet. Auch die sonst meist an Drahtrahmen geführte Syrah. Nur gab er jedem niedrig am Boden gehaltenen Rebstock einen Pfahl, damit die Weinruten nicht über die Erde kriechen. «Friedhof» nennen die Leute aus dem Umkreis, die so einen Weingarten noch nie gesehen haben, die Parzelle. Im letzten Jahr verloren alle anderen Erzeuger der Region ihre Syrah-Trauben aufgrund der Hitze und Trockenheit, aber Pedros gediehen ausgezeichnet. «Wir machen Weine mit Seele, und die bekommt man nur, wenn man Trauben aus liebevoll gepflegten Rebflächen erhält», bemerkt er. «Wir planen jede im Weinberg anstehende Aufgabe weit im Voraus ganz genau und überlegen jeden Schritt abhängig vom Jahr, vom Klima, von der Vorjahreslese und der Lese des kommenden Jahres. Unsere Rebflächen werden aus Überzeugung nach ökologischen Massstäben bearbeitet. Diese Hingabe an den Weinberg spiegelt unsere Liebe für die Natur und den Glauben daran wider, dass auf einem liebevoll gepflegten Weinberg bessere Weine gedeihen.»

«Die Aromen von Cistrosen, Kräutern und Eukalyptus gehen in unsere Weine ein. Deshalb schmecken sie meist balsamisch.»

Pedro Mercado Winzer

Die Weine von Pago los Balancines stammen – mit Ausnahme der Tinta Roriz – aus jungen, vor zwölf Jahren angelegten Weingärten. Dass sie dennoch von Volumen, Struktur, Länge und Potenzial ganz und gar überzeugen, liegt an der Pflege und den ausserordentlich geringen Erträgen. Nur 1500 Kilo Trauben werden pro Hektar geerntet! Während alle acht Rebsorten sich bislang bewähren, haben Pedro und sein Team eine Beobachtung gemacht. «Diejenige, von der wir glauben, dass sie wirklich einen grossen Unterschied macht, ist Alicante Bouschet, Garnacha Tintorera. Sie ist in fast allen unseren Weinen enthalten, und wir denken, dass sie hier zwar schwer zu ziehen, andererseits aber sehr besonders ist.» – Mut zum Widerspruch, denn in der Extremadura wird das Ausreissen der Sorte gefördert.

Der Zugang zur modernen Kellerei mit ihrer graphischen Fassade führt zwischen zwei flachen Wasserbecken hindurch, die für die Kühlung des darunterliegenden Fasskellers sorgen. Nach fast zehn Jahrgängen in einer gepachteten Bodega und dem Master in Önologie an der Uni Madrid hat Pedro Mercado seine eigene entworfen und erbaut. Von aussen kein spektakuläres Gebäude. Aber jedes Detail hat der Winzer-Architekt genau bedacht. Vor allem die enormen Aussentemperaturen. Aber auch jeder beim Weinmachen notwendige Handgriff fand seine Umsetzung. Unten im weiten Treppenschacht, der zum Fasskeller führt, treffen sich Pedro und seine Leute unter zwei gigantischen Mastiff-Porträts zum Austauschen und Entspannen, denn dort ist es im Sommer am Kühlsten. «Der entscheidende Faktor bei uns ist», betont er, «dass wir ein Team haben, das für Pago los Balancines lebt und sich mit Leib und Seele dem Projekt verschreibt.»

Die Weine im Clubpaket

Los Balancines Matanegra 2012

Nur in grossen Jahrgängen gemacht und 18 Monate in französischen Barriques ausgebaut. Die intensive dunkle, saftige Frucht, die Noten von Eukalyptus und eleganten Gewürzen faszinieren, während die volle, samtige Textur die feinen Tannine perfekt umhüllt.

Rebsorten

34% Garnacha Tintorera, 33% Tempranillo, 33% Cabernet Sauvignon

Trinkreife

2017 bis 2027

Mariage

Rotes Fleisch, Wildpfeffer und Schmorgerichte

 

Haragán 2014

Der erste Jahrgang in höherer Stückzahl, der von den ältesten Reben seine verblüffende Energie erhält. Die eher kühl vergorene Maische fördert die hinreissenden dunklen Beerenaromen und die charakteristische Note von Wildkräutern. Mineralisch und sehr lang.

Rebsorten

Je 50% Tinta Roriz und Garnacha Tintorera

Trinkreife

2017 bis 2026

Mariage

Schmorgerichte mit Fleisch, Fisch oder Gemüse wie Fabada oder Cocido

 

Mastines 2015

Pedro Mercados neuer Wurf und sein Bekenntnis zur Färbersorte Garnacha Tintorera und zu seinen Mastiff-Hunden. Nach Kaltmazeration auf niedrigen Temperaturen vergoren. Ihre irre Farbe, wilde Würze, fleischige Textur, köstliche rote Frucht und Harmonie begeistern.

Rebsorte

100% Garnacha Tintorera

Trinkreife

2017 bis 2022

Mariage

Pilztopf, Rührei mit Steinpilzen, Risotto mit Trüffel, Hühnerfrikassee