Im Norden von Grosseto

Weingut Valdonica, Sassofortino

Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.

Die toskanische Maremma galt lange als Hort der internationalen Rebsorten. Aber im Dörfchen Sassofortino im Norden der Provinz Grosseto keltert Martin Kerres seit einigen Jahren seine Weine aus autochthonen Sorten wie Vermentino, Sangiovese und Ciliegolo.

Die Maremma ist ein Jungspund im toskanischen Weinbau: Die einst sumpfige und malariaverseuchte Region wurde erst unter den habsburg-lothringischen Grossherzögen im 18. Jahrhundert trockengelegt und für die Landwirtschaft erschlossen. Da die toskanische Tradition hier nie so tief und umfassend wurzelte wie in anderen Teilen der Toskana, wurde die Maremma bald ein Refugium für internationale Rebsorten: Merlot und Cabernet fanden hier ebenso eine Heimat wie Syrah oder Alicante. Autochthone Varietäten wie Sangiovese, Ciliegiolo oder Colorino kommen erst seit einigen Jahren in Mode. Wie auch die boomende weisse Vermentino, eine Rebsorte, deren Einzugsgebiet sich von Südfrankreich über Ligurien, Korsika und Sardinien bis an die toskanische Küste erstreckt.

Martin Kerres hatte allerdings mit Weinbau nicht viel im Sinn, als er vor knapp 20 Jahren diese Region entdeckte und – auf der Suche nach einem Sommerhäuschen – ein Gut mit 80 Hektar fand: «Valdonica ist mir passiert», erzählt der Österreicher schmunzelnd, «es war kein Teil meiner ursprünglichen Lebensplanung.» Der ausgebildete Mediziner war damals bereits seit einigen Jahren auf der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt in Italien, als er das Gut nahe dem Dorf Sassofortino – einem Ortsteil der Gemeinde Roccastrada – fand. Er war begeistert von der Lage über den sanften Hügeln. So habe er schliesslich in einem Häuschen mit drei Olivenbäumen inmitten von Korkeichen sein Zuhause gefunden, erzählt er, «und das zum ersten Mal in meinem Leben. Vor allem war es der Blick auf das Meer, auf Elba und die Insel Giglio, der mich berührt hat. Das war ganz etwas anderes als der herbstliche Nebel in Österreich. Also hiess es, raus aus dem Job und hierher.»

Vielfalt im Rebberg

Aber 80 Hektar sind zu viele, um brach zu liegen: Weinbau könnte die Lösung sein, dachte Kerres sich. «Nur dazu hatte ich damals wenig Bezug, also suchte ich mir ein kleines Team aus Südtirol, das mir half, die ersten zwei Hektar Rebberge zu pflanzen. Als Mediziner wollte ich einen organischen Betrieb und nachhaltig produzieren.» Und vor allem die Vielfalt war ihm wichtig: Er wollte keine Sangiovese von der Stange oder gar internationale Rebsorten pflanzen, sondern die heimischen autochthonen, oftmals vergessenen Varietäten kultivieren.

Heute stehen Sangiovese aus elf unterschiedlichen Klonen, Ciliegiolo, Vermentino Nero und Colorino in den Rebbergen. Das Südtiroler Team wurde bald durch eine lokale Mannschaft rund um den Weinmacher Tim Manning ersetzt und die heutige Identität von Valdonica kreiert. Auch die ersten beiden Hektar Rebberge wurden 2008 neu bepflanzt. Kerres: «Tim und das Team waren essenziell für die Qualität und den Charakter von Valdonica: Wir wollten terrroirbezogene Weine mit terroirbezogenen Trauben. Mit Tim – einem Künstlertypen mit Burgunderbezug – gelang das schnell.»  Die ersten Etiketten von damals – Saragio und Ballarino – gibt es noch heute. Es begann mit einem reinsortigen Sangiovese und ging weiter mit einem Vermentino in purezza – die Vermentino-Traube ist die wichtigste weisse Traube der toskanischen Küste. Dazu gesellte sich 2012 als drittes Aushängeschild der Ciliegiolo.

Der Vermentino gedeiht auf Reben in 500Metern Meereshöhe in einer gut mit Meeresbrisen durchlüfteten Lage mit optimaler Sonneneinstrahlung, wo die Trauben perfekt ausreifen können. Für die Tiefe und doch Finesse des in Tonneaux ausgebauten Weines sorgen auch die Böden, zum Teil lehmig, zum Teil sandig und vulkanischen Ursprungs: Sassoforte, der Hügel, auf dem das Gut liegt, ist ein längst erloschener Vulkan.

Sangiovese stammt hingegen von kalk- und lehmhaltigem Untergrund in perfekter Hanglage. Das Aushängeschild der Kellerei ist bis heute der Saragio, ein «glasklarer Sangiovese», wie Kerres sagt, von einigen der höchsten Sangiovese-Reben der Maremma. Er ist still und unaufdringlich, versprüht Fruchtfrische und Leichtigkeit trotz eineinhalb Jahren Holzausbau. Er sei unauffälliger als Ballarino oder Ciliegiolo, aber intrigant, meint der Winzer.

Dieser Ciliegiolo stammt ebenfalls von einem Rebberg in rund 600 Metern Meereshöhe mit lehmig-sandigen Böden und vulkanischen Komponenten, die dem Wein Charakter verleihen. «Zuerst war Ciliegiolo als Verschnittwein für den Sangiovese gedacht, aber als wir 2013 im März die beiden Fässer der ersten Lese 2012 verkosteten, haben die uns umgehauen. Das war damals finanziell ein etwas schwieriger Moment, und da dachte ich mir: Sollte das ganze Gut den Bach runtergehen, dann nehme ich wenigstens diese beiden Fässer mit.» Die Krise wurde überstanden, der Ciliegiolo blieb, und seit 2017 kümmert sich auch eine neue Squadra um den Weinbau: Der Montalcineser Antonio Mori als Konsulent und Nicola Lazzeri als Kellermeister. Kerres: «Nachdem wir uns eine Identität geschaffen haben, kümmern wir uns nun ums Detail, also einfach darum, gute Weine zu machen.» Der Betrieb ist seit 2012 biologisch zertifiziert. Produziert werden auf 15,5 Hektar aktuell acht Weine: jeder unterschiedlich, jeder eine andere Ausdrucksform des Terroirs, allesamt mit Spontanhefen in kleinen Bottichen vergoren. Der Ausbau findet je nach Typologie ein bis zwei Jahre in französischen Eichenfässern und Edelstahltanks statt.

Aber das Herz von Valdonica sind die Weinberge: Sie wurden in unberührten Naturböden neu gepflanzt. Das sei ein grosser Vorteil, meint Kerres: «Naturböden sind über Jahrzehnte von keiner Chemie verschandelt, nur so hat eine biologische Zertifizierung Sinn. Aus der Kombination von Bioweinbau und der Vielfalt der Natur entsteht Neues und Innovatives.»

Das Gut stehe heute auf einer soliden Basis, sagt Kerres, vier, fünf Hektar – vor allem mit der autochthonen Rebsorte Ciliegiolo – sollen in Zukunft noch gepflanzt werden, was zu einer Fläche von insgesamt 20 Hektar führen würde. «Die optimale Grösse», meint der Winzer. Daneben gibt es noch ein B&B mit eigenem Restaurant, in dem Besucher des Weingutes auch gleich übernachten und auf Wunsch den Weinbau hautnah miterleben können. Die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern: Die drei Kinder von Martin Kerres können sich jederzeit einklinken. Auch wenn er sich nicht so bald aufs Altenteil zurückziehen will.

Weine im Clubpaket

Maremma Toscana Vermentino DOC Ballarino 2018

2021 bis 2024

Verführerisch komplexer Wein aus der autochthonen weissen Rebsorte Vermentino. Die Reben stehen in kalkhaltig-sandigen und gut durchlüfteten Lagen, die auch mit vulkanischen Komponenten durchsetzt sind und für die Mineralität und den Facettenreichtum sorgen.

Mariage: idealer Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten – oder auch nur zum Sonnenuntergang mit Blick aufs Meer.

 

Maremma Toscana Rosso DOC Saragio 2017

2021 bis 2026

Finessenreicher Sangiovese einer Selektion eines Rebberges in 600 Metern Meereshöhe, gefällt mit seinem vielschichtigen Charakter und seiner Langlebigkeit. Der trockene Jahrgang 2017 verblüfft mit geschliffener Eleganz.

Mariage: passt zu gebratenem oder gekochtem Rindfleisch, zu Wild und zu gereiftem Käse.

 

Maremma Toscana Ciliegiolo DOC Vigna Rigualdo 2018

2022 bis 2029

Tiefgründig und doch sehr entgegenkommend, aus einer Einzellage mit Ciliegiolo-Trauben, die vollreif gelesen werden. Ein perfekter Begleiter so-
wohl zum mediterran-leichten Lunch als auch zum herbstlichen Wildgericht.

Mariage: ideal zu Lamm, Wild oder einem saftigen Bistecca Fiorentina.