Unique Wineries of the World

Weingut Christ

Fotos: © Thomas Hantke, z.V.g., freevectormaps.com

Ein Grossmeister für den Gemischten Satz

Beim Wandel von Quantität zur Qualität, der den Wiener Weinbau in den letzten 15 Jahren fast radikal erfasste, war ein Winzer aus Jedlersdorf im Norden der Hauptstadt immer vorn dabei. Rainer Christ (Jahrgang 1975) gehört nicht unbedingt zu Österreichs Winzer-Prominenz, sondern agiert ein bisschen im Verborgenen. Aber was er macht, hat ein offensichtlich kundiger Geniesser einmal trefflich im Gästebuch festgehalten: «Die Qualität ist durchgängig von Weiss bis Rot grossartig.» In den elterlichen Betrieb, der vorher schon für seinen Heurigen bekannt war, stieg er 2005 ein und baute zunächst einmal mit viel Geschick um. Heute wird die einladende Architektur oben mit je 250 Plätzen drinnen und draussen allseits gelobt.

«Im Keller setze ich auf Schwerkraft. Trauben, Most und Wein werden extrem schonend behandelt.»

Aber entscheidend für den Erfolg ist vor allem der durchdachte Ablauf im Keller. Nachdem selektiv per Hand geerntet wurde (überwiegend im nahen Bisamberg), ist Schonung angesagt. Trauben und Most werden nur mit Hilfe von Schwerkraft bewegt und dann auf fünf Klimazonen verteilt, wo sie die idealen Reifeverhältnisse vorfinden. Einiges von dem, was der Klosterneuburg-Absolvent heute praktiziert, hat er bei seinen Praktika in Italien, Frankreich und den USA mitgenommen, vor allem bei Stephan Graf Neipperg und dessen Château La Gaffelière in Saint-Émilion. «Wie dort gearbeitet wird, das hat mich fasziniert», blickt er zurück. Zuhause auf seinen inzwischen 25 Hektar («weiterwachsen will ich nicht») hat er es freilich mit anderen Weinen zu tun. Christ war im ambitionierten Verein WienWein eine treibende Kraft bei der Förderung des Gemischten Satzes, dessen Potenzial früher in Wien selten ausgeschöpft wurde. Inzwischen ist das Ergebnis einer gemeinsamen Verarbeitung verschiedener Sorten ein anerkannter DAC-Wein mit Kultstatus.

Grüner Veltliner, Riesling, Chardonnay, Welschriesling, Traminer, Silvaner gehören zu dem Christ’schen Sortengemisch, das mittlerweile mit sieben verschiedenen Füllungen einen Anteil von 50 Prozent hat. Sogar Sekt und Süsswein werden – ohne Deklaration – aus solchen Ernten erzeugt, und ein durchaus stimmiger Naturwein, genannt «Kraut & Rüben». Aber daneben gibt es noch weitere beachtliche Weine, etwa vom Riesling, Grüner Veltliner und vom Weissburgunder (der geschmeidige «Vollmondwein » hat viele Fans). Bei Rot setzt er mit viel Fingerspitzengefühl auf spannende Cuvées. Alle Weine sind auf dem Rückenetikett vorbildlich erläutert.

Weil Christ 2014 das traditionsreiche Bio- Weingut Petershof mit zwei Hektar übernehmen konnte, stellte er konsequent gleich seinen ganzen Betrieb um. 2018 war die Zertifizierung abgeschlossen. Bei all diesen Aktivitäten halten ihm Gattin Karin und die Eltern Johanna («Hannerl») und Franz den Rücken frei. «Ich bin froh, dass sie noch fit sind.» Von den beiden Kindern (Knabe, 10, Tochter 11) bringt sich die Ältere bereits in Position. «Wenn ich 15 bin, gehe ich auf die Weinbauschule», kündigt Laureen Christ an. Und Rainer strahlt…

Drei Spitzenweine

2018 Wiener Gemischter Satz DAC Ried Wiesthalen

Auf einer hoch gelegenen Flur wachsen unerschütterlich rund 80 Jahre alte Reben, die in geringen Mengen einen aristokratisch anmutenden Wein liefern. Verhaltene Würze in der Nase, feine Cremigkeit im Geschmack, sanfter Biss, Finesse und reichlich Tiefgang.

2019 Grüner Veltliner Bruch

Die karge, steile Flur ist nach Einschätzung von Rainer Christ eine Paradelage für Grünen Veltliner. Recht hat er! Facettenreich im Aroma; cremige Würze im Geschmack, komplex, elegant, viel Tiefgang, einfach eindrucksvoll; viel Ausdauer für die Zukunft.

2016 Mephisto

Neben dem «XXI» der zweite grosse Rotwein im Hause. Die Cuvée von Zweigelt (50%), Merlot (40%) und Cabernet Sauvignon ist einfach teuflisch gut. Waldbeeren und Sauerkirsche im Aroma, viel Temperament, sanfter Druck, reife Tannine, Potenzial für Jahrzehnte.