Winzerlegende Manfred Tement, Südsteiermark

«Immer offen für Neues»

Text: Rudolf Knoll, Fotos: z.V.g

Schon als 16-Jähriger baute er seine ersten Weine aus. Als Jungspund galt der Steirer Manfred Tement bereits in den 80er Jahren als grosses Winzertalent. «Nicht stehen bleiben, immer besser werden» war sein Motto, das er seinen Söhnen Armin (im Bild) und Stefan weitergab. Heute ist er der Dirigent im Hintergrund – aber Regie führt seine Frau Heidi.

«Schau, dass du was Gescheites lernst. Denn von unserem Betrieb wirst du nicht leben können», beschied ihm einst der Vater. Aber Manfred Tement, der schon als Jungspund selbstständig Muskat-Sylvaner, Muskateller und Traminer ausgebaut hatte, war nicht mehr vom Ziel Winzer abzubringen. Auch nicht, als der Senior 1976 viel zu jung verstarb und er mühsam die Ausbildung im fernen Klosterneuburg mit der Arbeit zuhause kombinieren musste. Denn Mutter Edina konnte und wollte er nicht allein werkeln lassen.

Er erinnert sich noch gut daran, dass damals Zwei-Liter-Flaschen gefüllt wurden und er früh in den 80er Jahren nach Kärnten «exportierte» («eine Familie holte alle drei Monate tausend Liter und war fast süchtig nach unseren Weinen»). Auf Qualität achtete er damals schon, orientierte sich etwas an der positiven Entwicklung der Wachau. Denn die Steiermark war national und international bedeutungslos und noch nicht als Keimzelle für Topweine auszumachen. Das war auch an den Preisen erkennbar. Die Flasche kostete allgemein zwischen 17 und 25 Schilling (etwa 1,20 bis 1,80 Euro). Als es Manfred Tement wagte, die Preise gut zu verdoppeln, bekam er zu hören: «Bist’ deppert, so viel kann kein Wein kosten.»
Doch er hatte nicht nur Kostverächter als Kunden. Ein Knackpunkt war für ihn der österreichische Ausnahme-Jahrgang 1983, der ihm bei der Landesprämierung zehnmal «Grosses Gold» einbrachte. «Plötzlich war ich in den Medien der junge Star.» Es folgte 1985 der Glykol-Skandal, der Österreichs Weinwirtschaft erschütterte, aber Regionen wie die nicht involvierte Steiermark begünstigte. Der hier gepflegte Stil mit durchgegorenen, schlanken, säurebetonten Weinen war plötzlich allgemein gefragt. Und wer auf diesem Feld bessere Weine als andere machte, kam besonders gut voran.

«Meine Söhne und ich sind ein tolles Gespann, wir verstehen uns und reden offen miteinander.»

In den 90er Jahren ging es bereits steil aufwärts. Die Nachfrage stieg, der erfolgreich betriebene Buschenschank musste geschlossen werden, da die Zeit für eine sorgsame Bewirtschaftung fehlte. Tanks mussten im Freien aufgestellt werden, weil der Platz im Keller nicht mehr reichte. Vielleicht war einmal die Versuchung da, etwas die Hände in den Schoss zu legen. Aber ein guter Freund aus der Gastro-Szene, der 2011 verstorbene Herbert Hirtner, der ein Gespür für das Talent junger steirischer Winzer hatte, machte ihn (und ambitionierte Kollegen) bekannt mit bedeutenden Weinen der Welt, weckte damit erst richtig den Ehrgeiz und liess Manfred Tement erkennen, dass er damals bei der Qualität das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht hatte. Später hatte man manchmal den Eindruck, die Fahnenstange müsse verlängert werden. Denn der immer etwas bedächtig wirkende Steirer spielt gekonnt auf der Klaviatur bedeutender Weine. Die Rahmenbedingungen dafür schuf er mit einem stattlichen Kellerneubau hoch auf der Riede Zieregg, der das vorherige Provisorium ablöste. 2000 war der erste Jahrgang, der hier vinifiziert wurde. Damals bewirtschaftete man 15 Hektar und kaufte Trauben zu. Letzteres wird nicht mehr praktiziert, dafür konnte die Rebfläche deutlich erweitert werden.

Mit den Söhnen auf Bio umgestellt

Manfred Tements Motto lautet: «Nicht stehen bleiben und mit Erfolgen zufriedengeben, stattdessen stetig verbessern und uns steigern.» Weinmachen ist nach seiner Einschätzung eigentlich nicht schwer. Die Kunst liege in der Optimierung und den Details. Das führt zu ungemein vielschichtigen, oft eleganten, lang lagerfähigen Weinen nicht nur von der Hauptsorte Sauvignon Blanc (60 Prozent). Auch Weissburgunder, Morillon (Chardonnay) und Gelber Muskateller liefern ausgezeichnete Qualitäten. Zuletzt rückte der Welschriesling etwas in den Fokus von Junior Armin. «Die Sorte ist einzigartig und hat nur gegen das Vorurteil zu kämpfen, dass die Weine einfach, sauer und dünn sein müssen.» Beim Ausbau werden alle Register gezogen. Holz spielt dabei eine wichtige Rolle, wie 200 Barriques und etliche grössere Holzgebinde im Keller verdeutlichen.

Holz steht hier nicht automatisch für einen höheren Rotweinanteil. Früher waren es 15 Prozent rote Sorten (darunter sogar die Schilcher-Rebe Blauer Wildbacher), heute ist der Anteil auf ein Prozent geschrumpft. Das gute Händchen für Pinot Noir wird spürbar am Ende eines langen Gesprächs, als Manfred Tement aus der Schatzkammer einen geschmeidigen 1997er Pinot Noir mit feinen, reifen Tanninen und eine komplexe, urwüchsige Cuvée aus Zweigelt, Blaufränkisch und Blauer Wildbacher aus 1999 holt. Pinot wird wohl die feine Rarität im Sortiment bleiben, während der Zweigelt durch Aufpfropfung nach und nach Weissweinsorten geopfert wird.
Obwohl die Söhne voll mit in der Verantwortung sind («wir verstehen uns sehr gut, reden offen miteinander»), ist der Senior, der nächstes Jahr seinen 60. Geburtstag feiern kann, immer aufgeschlossen für Neues, wagte sich in der regenreichen Steiermark an die risikoreiche Umstellung auf biologischen Weinbau («meine Söhne haben da kräftig angeschoben»). Die Stöcke schauen nicht immer toll aus, hat er registriert. «In tieferen Lagen wird es schon etwas schwierig, bis wir mit unserer selektiven Handarbeit alles im Griff haben. 2018 haben wir deutlich weniger geerntet. Aber wir bekommen andere Weine, die eher nobel, zurückhaltend sind.»

Experimentierfreudiger Teamplayer

Im Keller wird gelegentlich experimentiert. Derzeit ist Manfreds Hobby ein Wermut, der bald auf den Markt kommen soll. Schon länger gibt es den Sauvignon Blanc «IZ» aus der Lage Zieregg. Die zwei Buchstaben stehen für interzellulare Beerenvergärung. Das Verfahren wurde 2005 entwickelt. Dabei kommen die Beeren komplett mit Kohlensäure in Druckfässer, wo sie über hundert Tage liegen. Die alkoholische Gärung läuft in der gesunden Beerenschale ab. Nach der Pressung liegt der Jungwein 60 Monate (!) ungeschwefelt auf der Feinhefe in gebrauchten Eichenfässern und wird dann unfiltriert gefüllt. Aktuell ist derzeit Jahrgang 2012. Dessen Preis (80 Euro) ist bei dem betriebenen Aufwand mehr als angemessen.
Ein inzwischen bewährtes Experiment war auch der Zukauf in Slowenien. In der Fortsetzung der steirischen Flächen der Toplage Zieregg (Manfred: «Die ist schon fast ein Synonym für Tement») waren vor 15 Jahren 20 Hektar zu haben. Heute wächst hier auf Muschelkalk ausschliesslich Sauvignon Blanc. 2009 kam der erste «Fosilni Breg» (Fossilienberg) auf den Markt. Kelterung und Vergärung finden in Slowenien statt, den letzten Schliff im Ausbau bekommt der betont herbe, gradlinige Wein dann auf steirischem Boden.

Manfred Tement war immer schon ein Teamplayer und ist deshalb Gründungsmitglied der inzwischen zwölfköpfigen Gruppe «Steirische Terroir- und Klassik-Weingüter» (STK), die mit ihrer vereinsinternen Klassifikation ein Vorbild für die neue DAC-Ordnung in der Steiermark war und ist. Er ist auch einer, der über den Tellerrand hinausschaut und mit Gattin Heidi die Idee vom Wohnen am Weinberg hatte. Die zweigeteilte «Winzarei» auf steirischem und slowenischem Boden mit Ferienwohnungen und Chalets gehört zum Revier von Heidi, die auch zuständig für den Weinverkauf ist. Ausserdem hat man noch bei zwei gastronomischen Stätten die Finger drin, nämlich beim «Magnothek-Wirtshaus» am Zieregg gleich in der Nachbarschaft und bei der «Weinbank» mitten in Ehrenhausen. Manfred Tement erwarb vor einigen Jahren ein altes Gebäude und richtete hier ein Restaurant mit Vinothek ein, das verpachtet wurde. Es ist ein Eldorado für Fans reifer Gewächse mit jeder Menge Wein aus den 90er Jahren…

Ungeschminkt, mit Potenzial

Schon die scheinbar einfacheren Weine von Manfred Tement zeigen Format. Die Tement-Weine sind – wenn nicht edelsüss – praktisch durchgegoren und damit sehr ungeschminkt, haben aber viel geschmacklichen Tiefgang und enormes Lagerpotenzial.

www.tement.at

Sauvignon Blanc Zieregg 2012 «IZ» Reserve

18.5 Punkte | 2019 bis 2030

Die Bezeichnung für die interzellulare Beerenvergärung hat sich Manfred Tement schützen lassen. Der Wein wurde aus einer einige Tage geöffneten Anbruchflasche eingeschenkt und zeigte sich enorm stabil, sehr konzentriert im Geschmack, mit toller, ausgewogener Fülle und sanften Gerbstoffen; endlos lang im Abgang.

Sauvignon Blanc Muschelkalk 2017 Ehrenhausen

17 Punkte | 2019 bis 2027

Klassik ist in der neuen DAC-Regel der Steiermark die Basis. Der Sauvignon aus dieser «Gewichtsklasse» ist Tements wichtigster Wein (100 000 Flaschen). Darüber liegt der Ortswein, in diesem Fall von Ehrenhausener Lagen. Der Wein wurde im traditionellen Holzfass ausgebaut, präsentiert sich mit feiner Mineralik im Aroma; ist komplex, vielschichtig, elegant und lang im Abgang.

Morillon 2016 Zieregg Grosse STK-Lage

18 Punkte | 2019 bis 2030

Die bedeutende Riede Zieregg steht nicht nur für erstklassigen Sauvignon Blanc. Sie ist auch eine gute Flur für Morillon (so heisst in der Steiermark meist der Chardonnay). Zitrusaromen und Nüsse kitzeln die Nase angenehm, untermalt mit würzigen Elementen; auf der Zunge elegant, tiefgründig und geschmeidig; endet mit langem Abgang. 

Gelber Muskateller 2016 Hochkittenberg Erste STK-Lage

17 Punkte | 2019 bis 2028

Ein verspielter, förmlich auf der Zunge tänzelnder Muskateller mit feiner Würze, stattlicher Länge und einem diskreten, aber animierenden Duft. Prototyp eines feinen Aroma-Weines. 

Sauvignon Blanc 2017 Beerenauslese

18 Punkte | 2019 bis 2040

2017 war für edelsüsse Weine ideal. Die Beerenauslese duftet nach Honig und Grapefruit, ist schmelzig und hat eine rassige Säure. Der Preis (15 Euro für die kleine Flasche) ist ein Geschenk. Darüber thront noch eine Trockenbeere vom Muskateller, die als Fasswein beeindruckte.

Pinot Noir 2015

17 Punkte | 2020 bis 2030

Eine Rarität im Hause Tement. Der Burgunder ist kühl im Aroma, erinnert an ein sehr gutes Gewächs aus der Bourgogne, ist straff, hat einen sehr festen Kern und braucht noch Zeit. Wie sich die Sorte im Haus entwickelt, zeigte ein gleichzeitig verkosteter, aber längst ausverkaufter 2011er, der sich sehr elegant und geschmeidig präsentierte (18 Punkte).

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