Leitfaden für Zöliakiekranke, Diätetiker und Glutenunverträglichkeit

Ist Wein glutenfrei?

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 25. November 2018


DEUTSCHLAND (Würzburg) – Schon seit über einer Dekade ist «glutenfrei» ein Begriff, den anfänglich Allergiker ins Bewusstsein gerufen haben. Aber auch im Zuge des vegetarischen und veganen Lebensstils verzichtet ein Teil «ernährungsbewusster» Menschen auf Gluten, obwohl bei diesen Konsumenten keine Allergie vorherrscht. Dagegen leidet ein geringer aber doch bemerkenswerter Teil der Konsumenten an einer Unverträglichkeit gegenüber glutenhaltigen Lebensmitteln. Wir sprechen hier über die Zöliakie*, eine Autoimmunerkrankung, von der circa 1,0 Prozent der Bevölkerung in Europa betroffen ist. 

Eine der bekanntesten Befürworterinnen für glutenfreie Ernährung ist die prominente Schauspielerin Gwyneth Paltrow, die in ihrem neusten Kochbuch sendungsbewusst glutenfreie Nahrung in den Fokus stellt. Dagegen hat der hierzulande bekannte TV-Koch Vincent Klink (Restaurant Stuttgarter Wielandshöhe) Allergikern Hausverbot erteilt. Dies nur als Beispiel für die Kontroverse dieses Themas. Mittlerweile ist «Gluten» ein Begriff, dem man sich nicht mehr entziehen kann und der sich mittlerweile auch unter Weinliebhabern, Thema «glutenfreier Wein», ausgedehnt hat. Ein Grund mehr der Sache auf den Grund zu gehen – ein Leitfaden für Zöliakiekranke, Diätetiker und Glutenunverträglichkeit.

Ausschliessende Lebensmittel

Wie der Name schon sagt, geht es bei einer glutenfreien Ernährung darum, Gluten zu vermeiden, ein Protein, das in Weizen, Roggen, Gerste und einer Handvoll anderen Körnern enthalten ist. Dies bedeutet, dass traditionell zubereitete Brote, Pasta, Müsli und Bier automatisch vom Tisch sind. Gluten, und dass ist unbestritten, kann ein ernstes Gesundheitsproblem für diejenigen sein, die eine Intoleranz oder Allergie haben. Besonders trifft es die Menschen die, wie eingangs erwähnt, an Zöliakie, einer Autoimmunerkrankung leiden, bei der die Aufnahme von Gluten zu Schädigungen im Dünndarm und anderen langfristigen gesundheitlichen Komplikationen führt. Für Menschen mit dieser Erkrankung, die lebenslang anhält, ist es absolut notwendig zu wissen, ob ein Lebensmittel oder Getränk Gluten enthält.

Die Frage

Seit dem 13. Dezember 2014 gilt die EU-Verordnung, dass gastronomische Betriebe darüber Auskunft geben müssen, welche glutenhaltige Getreide als Zutaten in den angebotenen Speisen vorhanden sind. Dies ist wichtig für Allergiker, die sich glutenfrei ernähren müssen – sie haben keine Wahl, denn sie zahlen ansonsten einen hohen Preis. Unabhängig davon, warum die Menschen sich für oder gegen Gluten entscheiden, wird von den Allergikern immer häufiger die Frage gestellt: Kann ich sorglos Wein trinken?

Die Antwort lautet ja. Wein ist das klassische Beispiel für ein alkoholisches Getränk, das kein Gluten enthält, sofern der Wein aus Trauben, die naturgemäss kein Gluten enthalten, hergestellt  wurde und weil der Wein beim Produktionsprozess normalerweise keinerlei Gluten ausgesetzt ist. Auch an Zöliakie Erkrankte können somit bedenkenlos Wein geniessen, gleiches gilt für den Genuss von Schaum- und Perlweinen.

Gibt es Ausnahmen? Ja, zwei!

Während Wein kollektiv als gesundheitsverträglich bei Personen mit glutenbedingten Erkrankungen (unter Ausschluss anderer gesundheitlicher Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum) angesehen wird, sollten Allergiker immer noch von zwei Ausnahmen Kenntnis haben, in denen Wein mit Gluten, wenn auch in geringen Mengen, in Kontakt kommen kann.

Erstes Szenario

Das erste Szenario ist, wenn ein Fass, in dem Wein lagert, mit Weizenpaste versiegelt wurde, die Gluten enthält. In der gesamten Weinindustrie wurde mittlerweile diese Paste weitgehend durch Wachsersatzstoffe auf Nicht-Gluten-Basis ersetzt, und selbst wenn sie verwendet wird, ist der Kontakt des Weins mit Weizenpaste praktisch vernachlässigbar. 

Nach einer Studie aus dem Jahre 2012 von GlutenFreeWatchdog.org enthielten Weine, die in mit Weizenpaste versiegelten Fässern reiften, weniger als zehn ppm (zehn mg/kg) Gluten. In der EU gilt bei Lebensmitteln ein Grenzwert zur Deklaration «glutenfrei» von weniger als 20 ppm (20 mg/kg) Gluten.

Zum Thema Grenzwerte sagt die Deutsche Zöliakie Gesellschaft e.V. (Zitat): «Die Bezeichnung 'glutenfrei' impliziert zunächst 'kein Gluten', jedoch in der Praxis ist ein Glutengehalt von null ppm derzeit nicht realisierbar. Dies beruht zum einen auf einem Kontaminationsrisiko. Sogar von Natur aus glutenfreie Getreide, wie z. B. Reis oder Mais können Kontaminationen mit glutenhaltigem Getreide (Fremdbesatz) enthalten. Zum anderen ist bisher keine analytische Methode bekannt, die null ppm Gluten in einem Lebensmittel tatsächlich nachweisen kann. Der niedrigste bisher nachzuweisende Wert sind drei ppm.»

Zweites Szenario

Das zweite Szenario betrifft den Kontakt des Weins mittels Verwendung von Schönungsmitteln die mit Gluten kontaminiert sein könnten. Dies ist aber eigentlich auszuschliessen, da Gluten bei Schönungsmitteln in der Regel keine Rolle spielt. Selbst wenn irgendwelche Glutenspuren bei der Weinbereitung in den Wein geraten – dem Winzer fällt ein Vollkornsandwich in den Tank – würden die Phenolharze mit dem Gluten reagieren und dieses wäre nach dem Filtern des Weins nur noch marginal messbar.

Allerdings werden nicht alle Weinprodukte gleich hergestellt. Einige Weinsorten enthalten für Zöliakiekranke unsichere Mengen an Gluten, bedingt durch zusätzliche Farb- und Geschmacksstoffe, die dem Wein zugegeben werden können.

Fazit

Unter dem Strich ist der Weingenuss für an Zöliakie leidende Menschen nicht problematisch. Wenn Sie jedoch zu 99,9 Prozent sicher sein möchten, dass der Wein in Ihrem Glas nicht mit Gluten in Kontakt gekommen ist, dann bleibt Ihnen nur die Bestätigung vom Erzeuger, sofern der Wein auf dem Etikett nicht als «glutenfrei» gekennzeichnet ist. 

Zöliakie

*Zöliakie: Zur Verbreitung und Entwicklung von Zöliakie haben Professor Carlo Catassi (Polytechnische Universität in den Marken - Italien), Gastprofessor für Pädiatrie und Co-Direktor für das Forschungszentrum 'Center For Celiac Research' der University of Maryland – Baltimore –USA) und Dr. Schär (Dr. Schär Institute Bozen/Italien) eine umfassende Analyse in einem Artikel veröffentlicht. Dort ist auszugsweise zu lesen (Zitat): 

«In der Vergangenheit wurde Zöliakie als eine seltene Krankheit angesehen, die fast ausschliesslich auf die europäische Bevölkerung und auf die Altersgruppe der Kinder begrenzt war. Die ersten flächendeckenden Untersuchungen mittels der oben genannten Tests, die seit den 1980er-Jahren durchgeführt wurden, haben eine ganz andere Realität ans Licht gebracht: Zöliakie ist eine der absolut häufigsten Pathologien, zumindest in Bezug auf jene, die lebenslang andauern, und betrifft gleichermassen Kinder und Erwachsene mit einer gewissen Präferenz für das weibliche Geschlecht (Verhältnis Männer/Frauen = 1:1,5-2)! In Europa, das als Wiege der Forschung in diesem Bereich gilt, liegt die durchschnittliche Prävalenz der Zöliakie bei ca. 1,0 % der Bevölkerung, allerdings mit beträchtlichen Unterschieden von einem Land zum anderen: So sind z. B. in Deutschland 'nur' 0,2 % von Zöliakie betroffen, während sie in Finnland und Schweden über 2,0 bis 3,0 % der Bevölkerung betrifft. Da die genetischen Unterschiede zwischen diesen Völkern sehr gering sind, ist anzunehmen, dass die oben genannten Schwankungen vor allem auf noch wenig bekannte Umweltfaktoren zurückzuführen sind, darunter Kinderernährung, Darminfektionen und die Typologie der Darmflora (sogenanntes Mikrobiom). Eine durchschnittliche Häufigkeit von 1,0 % wurde auch in anderen Ländern festgestellt, in denen die Bevölkerung hauptsächlich europäischen Ursprungs ist, darunter die USA, Australien und Argentinien. Erhöhte Werte betreffen die Bevölkerungen in Mexiko (1,5 – 3,5 %), Türkei (0,8 – 2,5 %), Indien (1,04 – 1,44 %) und die Westsahara mit Höchstwerten (5,6 %).»

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