Urknall in Veitshöchheim

22.06.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Veitshöchheim) - „Big Bang“ steht nicht nur für den Urknall, mit dem die Erde gewissermaßen auf die Welt kam, sondern ebenso für eine amerikanische Sitcom-Serie. Medien bezeichneten jetzt den Stefan Raab-Abschied vom TV auch (reichlich übertrieben) so. Eher angebracht ist der Begriff für das, was vor einigen Wochen in der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim über die Bühne ging. Die Macher, junge Studenten des Bereichs Weinbau und Oenologie, sprachen selbstbewusst von „etwas Gewaltigem und Besonderen“.

 

Und das bei einer Institution, die dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nachgeordnet ist. Doch die LWG ist weinbaulich fortschrittlich orientiert. Sie kümmert sich derzeit beispielsweise um die Wiederbelebung alter, nahezu ausgestorbener Sorten wie Blauer Kölner, Mohrenkönigin und Hartblau, die vielleicht im Zug des Klimawandels einmal Zukunft haben könnten. Außerdem ist die Landesanstalt stets offen für besondere Initiativen wie jene der 20 Studierenden, die es knallen ließen. 

Schon seit einigen Jahren ist es Brauch, dass sich die Abschlussklassen ungewöhnliche Weine oder Marketingideen einfallen lassen, die nicht den üblichen Wein-Konventionen entsprechen. Aber so mutig wie in diesem Jahr war wohl noch keine junge Truppe. Kreiert wurden sechs verschiedene Weine in einer ungewöhnlichen Verpackung, und zwar runde Flaschen mit 1 und 0,2 Liter, in denen man normalerweise Liköre oder Brände vermuten würde. „Wir begaben uns damit auf neue Felder der Önologie“, wurde von dem Team versichert. „Was geschaffen wurde, ist einzigartig.“

Stimmt durchaus. Es gibt sechs verschiedene Füllungen, von kleinen Teams erzeugt, mit Unterstützung der Kellerwirtschaft des Hauses. Dem technischen Betriebsleiter Martin Justus Müller und auch LWG-Chef Dr. Hermann Kolesch sieht man an, dass sie selbst viel Spaß am Treiben der jungen Leute hatten und mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sind. Als da wären:

  • BIG WHITE, ein Silvaner, der auf der Maische im Halbstück vergoren wurde. „Orange Weine“ sah man als Vorbild an, doch der derzeit noch relativ stark vom Holz geprägte Wein ist deutlich besser als die meisten dieser Mode-Weine. Das ist zwar kein Kunststück, weil diese vielfach schlicht ungenießbar sind. Aber man merkt, dass die "Veitshöchheimer"-Erzeuger Ahnung haben, wie guter Wein entsteht.
     
  • BIG PINK  ist ein aromatischer Rotling von Merlot und Scheurebe, ein schmelziger, richtig guter Sommerwein, über den behauptet wird: „Der erste Premium Rotling der Welt!“
     
  • BIG RED besteht hauptsächlich aus Spätburgunder und Frühburgunder mit kleinen Anteilen von Merlot und Cabernet Sauvignon. Der Wein wurde in einem feinporigen Barrique aus der Bourgogne ausgebaut, hat eine delikate Aromatik, ist komplex und schmeckt, wie ein richtiger guter Rotwein zu schmecken hat.  

Diese drei Weine gibt es in Literflaschen mit praktischem Schraubverschluss. Jeweils 250 Flaschen wurden gefüllt. Sie werden im Rahmen dieses Schüler-Projekts für 15 Euro verkauft.

Das Spektrum der Weinstudenten ist wahrlich groß: Ost gegen West; die Blonden, die Braunhaarigen und die Exoten. Die Großen und die Kleinen, die schlanken und die nicht so schlanken. Erfahrene und andere mit Nachholbedarf, die Vorlauten und die Zurückhaltenden, die mit weinbaulichen Hintergrund und die absoluten Quereinsteiger. Und genau darauf beruht das Projekt – es ist bemerkenswert.

Marktchancen hätten vor allem die kleinen Flaschen durchaus. Dafür spricht nicht nur die originelle Ausstattung, sondern ebenso der Inhalt, der viel besser ist als Hugo und Co. Aber vermutlich wird der Urknall aus Veitshöchheim eine einmalige Angelegenheit bleiben.