Zwei schwere Jahre im deutschen Weinbau

28.06.2011 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Würzburg) - Die kuriosen Wetterkapriolen in 2010 waren für Mindermengen verantwortlich und bescherten vielen Erzeugern Kopfschmerzen. „Es war plötzlich alles anderes“, bringt es der fränkische Winzer Horst Sauer auf den Punkt. „Wir wissen wie man Wein macht, aber in diesem Jahr stand alles Kopf über.“ Und dann folgten Anfang Mai 2011 zwei Frostnächte, just als die Reben aufgrund bis dahin günstiger Witterung schon ausgetrieben hatten, die deutschlandweit 30 bis hin zu 80 Prozent, je nach Lage, die jungen Austriebe erfrieren ließ.

 

Viel ist bisher über diese Themen geschrieben worden - auch wir haben dazu Beiträge verfasst und Interviews mit Winzern und Oenologen gebracht. Aber was sind letztlich die Auswirkungen des ungewöhnlichen Jahrgangs 2010 gepaart mit dem Jahrgang 2011, wo die Erzeuger in Folge mit Mindermengen umgehen müssen? Wir wollten es genauer wissen und sprachen mit Robert Haller, der seit 2007 - damals noch zusammen mit Sonja Höferlin für die Geschicke beim Stiftungsweingut Bürgerspital - und seit Sommer 2010 als Weingutsleiter allein verantwortlich zeichnet.

Außerdem interessierte uns die Neuausrichtung im Marketing des Bürgerspitals, insbesondere gegenüber der Zielgruppe Privatkunden gepaart mit dem Neubau eines Weinhauses mit Szene-Charakter mitten im Herzen der unterfränkischen Metropole Würzburg. Was Robert Haller dazu sagt, lesen Sie in Teil II. Doch nun zuvor Teil I mit den Ausführungen des Weingutsleiters vom Bürgerspital über die ganz „normalen Probleme“ zweier herausfordernden Jahrgänge:

YOOPRESS: Herr Haller, waren Ihre Lagen auch von Frostschäden betroffen?

R.HALLER: Oh ja, leider Gottes hatten wir deutliche Frostschäden gehabt. Wenn´s auch nicht so katastrophal ausfiel, wie es in Franken berichtet wurde. Dies liegt vor allem auch an unserer Struktur mit 70 Prozent Steillagen. In diesem Jahr bekommen Erzeuger mit Steillagen dies aber auch wieder honoriert, somit hatten wir auch Glück im Unglück. Denn gerade in den Steillagen halten sich die Schäden in Grenzen oder sind überhaupt nicht betroffen.

YOOPRESS: Und wo sind Schäden bei Ihren Lagen aufgetreten?

R.HALLER: Glücklicherweise hatten wir in der Würzburger Lage Stein überhaupt keine Frostschäden. Das Schadensbild, dass wir feststellten, war seltsam - die Lagen waren von unten her erfroren, einfach deswegen, weil sich die Kaltluft in den Tälern festsetzte. So geschehen in unserer Lage Pfaffenberg, auch in den Lagen bei Himmelstadt. In unseren Steillagen gab es kaum Schäden. Problematisch wurde es nur, sobald sich die Steillagen nach oben hin wieder abflachten. Besonders schlimm traf es die auslaufenden flachen Lagen in den Tälern, wo sogar die Köpfe erfroren sind. Betrachtete man die Weinberge im Gesamten, so konnte man sehr gut sehen, wie die Kaltluft geflossen ist. Also wir haben alle Schadbilder, die ein solcher Frost verursachen kann.

YOOPRESS: Und wie reagieren Sie im Weinberg darauf?

R.HALLER: Letztendlich haben wir viele Frostruten geschnitten. Als Ergebnis haben wir gut 50 Prozent Frostschäden festgestellt. Insgesamt haben wir aber sicher 25 - 30 Prozent ausgleichen können, eben durch die Frostruten, so dass sich der Gesamtschaden an unseren Rebflächen letztlich auf 20 - 25 Prozent beziffern lässt. Das ist zwar immer noch heftig, denn dies betrifft woanders eine Fläche eines großen Familienweingutes. Bei uns sind dies 6 bis 8 Hektar, die komplett erfroren sind und weitere 10 bis 15 Hektar wo noch deutliche Schäden eingetreten sind und wo wir maximal noch halben Ertrag herausholen können. Uns fehlen damit in der Hochrechnung ca. 150.000 Liter Wein, also in  Betracht der Obermenge, die wir angestrebt haben.

YOOPRESS: Was berichten Ihre Kollegen?

R.HALLER: Nichts Gutes. Für fränkische Kollegen, die Rebflächen in Seitentälern haben, wo 80 oder sogar 100 Prozent erfroren sind, ist das furchtbar. Auch in Betracht der Mindermengen in 2010 mit durchschnittlich ca. 30 bis 40 Prozent haben manche betroffene Erzeuger jetzt im Folgejahr 2011 einen Totalausfall, ...also da liegen die Nerven blank.

YOOPRESS: Welche Auswirkungen haben die Frostschäden für Ihren Keller und Vertrieb?

R.HALLER: Bei uns haben die Schäden einen riesigen Ehrgeiz geweckt, auch bei unserer Mannschaft. Es werden nun alle Register gezogen. Wir haben unser Produktionsziel für jedes Rebstück erneut auf den Prüfstand gestellt, was bedeutet, dass wir bei der einen oder anderen Teillage etwas mehr ernten werden, damit wir in die Lage versetzt werden, uns mit dem 2011 Jahrgang den Marktbedingungen verpflichtend optimal aufstellen zu können.

YOOPRESS: Das bedeutet?

R.HALLER: ...dass wir keine zwei Hektar Silvaner für das Große Gewächs zu Verfügung haben, sondern wir uns in 2011 unter diesen Umständen mit einem halben Hektar zufrieden geben müssen - so haben wir dann für Spätlesen oder Kabinett-Weine noch passable Mengen zu Verfügung.

YOOPRESS: Also intelligent ernten ist die Überschrift dafür...

R.HALLER:...ja genau. Wenn man mal überlegt, was wir 2010 gemacht haben - während der Lese haben wir Keller und Verkauf einfach getrennt gesehen. Unser Verkaufsleiter Thomas Hammerich hat gesagt, dass dies in den letzten 20 Jahren noch nie vorgekommen ist. Er meint damit, dass wir vor und bei der Lese schon ausgelotet haben, was wir für unsere Kunden benötigen und entsprechend geerntet und gekeltert haben, um einigermaßen liefern zu können.

YOOPRESS: Nach den Frostschäden war in der Diskussion, dass man den betroffenen Erzeugern helfen soll. Gab es Unterstützung - spüren Sie da Rückhalt von Verbänden, Institutionen, von der Politik?

R.HALLER: Die EU hat reagiert und die Umstrukturierungsmaßen zur Umstellung der Rebflächen auf Mitte Juni verlängert. Wenn also einer der betroffenen Erzeuger größere Schäden oder Gesamtschäden hatte, konnte er kurzzeitig Unterstützung beantragen, um auch beispielsweise nicht unbedingt einen geschädigten Hektar Weinberg dieses Jahr noch pflegen zu müssen, den er dann nächstes Jahr sowieso neu bepflanzt.

YOOPRESS: Es wurde auch über Steuervergünstigungen diskutiert - profitieren Sie davon?

R.HALLER: Ja, es wurde über Steuervergünstigen spekuliert, aber nein, für uns als Stiftung sind Steuervergünstigungen nicht relevant - ebenso nicht bei der Steillagenförderung, denn die Stiftungsweingüter erhalten auch hier keine finanzielle Unterstützung - was wiederum eine Art Wettbewerbsverzerrung ist, wenn man bedenkt, dass uns eigentlich rund 40.000 Euro zu Verfügung stehen könnten, was andere große Güter in diesem Verhältnis bekommen und wir mit unserem hohen Steillagenanteil eben nicht erhalten. Das hat auch politische Gründe, die für unser Stiftungsweingut leider nicht vorteilhaft sind.

YOOPRESS: Nun war ja schon in 2010 eine Mindermenge aufgrund der Wetterkapriolen gegeben, jetzt wiederholt sich dies 2011, wenn auch aus anderem Grund - bedeutet dies, dass Sie mit Preiserhöhungen arbeiten müssen?

R.HALLER: Im Verband war es ja angekündigt und die fränkischen Erzeuger, also die selbstvermarktenden Winzer, haben die Preise moderat für den 2010er Jahrgang angezogen. Wenn man rund 30 bis 40 Prozent Ernteausfall hat, dann wird parallel dazu auch der Weinbau um 30 bis 40 Prozent teurer. Da geht es um viel Geld pro Flasche Wein. Allerdings können wir nur das umsetzen, was letztlich der Markt akzeptiert bzw. hergibt. Dabei weiß ich, das keiner der fränkischen Erzeuger davon angetan war, die Preise zu sehr anzuheben - ihnen war und ist durchaus klar, dass sie den gröbsten Schaden selbst tragen oder sonst wie kompensieren müssen.

YOOPRESS: Was sagt denn der Handel zum Thema Preiserhöhung?

R.HALLER: Zu dem Thema hat mir ein befreundeter Weinhändler gesagt, wenn die fränkischen Weine im Weinregal fehlen, weil diese dem LEH im Einkaufspreis zu teuer sind, dann stellt der LEH einfach Waschpulver statt Wein ins Regal, oder im schlimmsten Fall stehen dann dort ausländische Weine. Es herrscht halt eben ein Wettbewerb der Verdrängung.

YOOPRESS: Also kein Verständnis bei Ihren Kunden?

R.HALLER: Ja, doch. Man muss sagen, dass der Weinhandel und unsere privaten Kunden sehr verständnisvoll auf unsere moderate Preiserhöhung ab dem 2010er Jahrgang reagiert haben. Der Tenor war, ...ja klar, wir verstehen das, ihr braucht das jetzt.

YOOPRESS: Und die Erhöhung belief sich auf?

R.HALLER: ...also in unserem Haus waren das rund 5 Prozent, die wir erhöht haben. Und man muss dazu noch sagen, dass wir zwei Jahre lang keine Preiserhöhung hatten, obwohl wir wegen des Inflationsausgleichs eigenlicht die Preise schon in dieser Zeit hätten leicht anziehen müssen.

YOOPRESS: OK, also das haben Ihre Kunden akzeptiert...

R.HALLER: ...ja, das haben sie. Außerdem gehen wir mit den Preisen sehr behutsam um, auch in Anbetracht unseres Wissens, dass sich die Zeiten sehr schnell ändern können. Wir haben langfristige Verbindungen zu unseren Kunden und wir wollen keine Kapriolen machen. Also gibt es bei uns kein Rauf und Runter, sondern wir verfolgen eine langfristige Preispolitik.

YOOPRESS: Wie kam denn Ihr Vertrieb mit der Preiserhöhung zurecht?

R.HALLER: Na ja, unser Verkauf musste dies auch erst mal kommunizieren. So einfach war das dann auch wieder nicht. Also, wie gesagt, die Endkundschaft hat uns keine Probleme bereitet, der Handel ließ sich auch überzeugen. Nur die Großkunden haben dann doch eine merkliche Macht, da wird zumeist hart gefeilscht.

YOOPRESS: Wie lässt sich denn die Kundenstruktur vom Bürgerspital beschreiben?

R.HALLER: Beim Bürgerspital haben wir eine recht große Anzahl an Endkunden. Das liegt zum einen an unserer langen Tradition, an der exponierten Lage mitten in Würzburg und unserer Vinothek, wo wir allein die Mengen aus 15 bis 20 Hektar übers Jahr verkaufen. Also wir haben so ca. 25 bis 30 Prozent Endkunden. Dasselbe noch mal im guten und gehobenen Fachhandelsbereich, ca. 10 bis 15 Prozent Gastronomie und der Rest setzt sich aus dem gehobenen LEH-Segment und Industriekunden zusammen. An den Zahlen erkennt man, dass wir mit Endverbrauchern, mit Handel und Gastronomie das Gros unserer Produktion abdecken.

YOOPRESS: Und..., gibt es Veränderungen im Vertrieb?

R.HALLER: Ja und ob. Der Vertrieb hat sich in den Jahren sehr verändert. Beispielsweise Gastronomen, die früher 600 Flaschen abgenommen und sich in den eigenen Keller gelegt haben, gibt es kaum mehr. Heute sind die Abnahmemengen an die Gastronomie kaum mehr als 120 Flaschen. Niemand will mehr die Lagerhaltung selbst übernehmen, die hat sich auf uns verlagert. Wir sind als Weingut nun auch zum Logistiker geworden. Wir müssen bei uns die Weine lagern können und liefern heutzutage nach jeweiligem Bedarf. Aber auch Dienstleistungen, die der Handel an den Lieferanten weitergibt, bedeuten erhöhten Aufwand.

YOOPRESS: Herr Haller, lassen sie uns nun zu unserem eigentlichen Thema wechseln. Das Bürgerspital hat eine große bauliche Änderung in Angriff genommen, was die Vinothek betrifft, den Ladenverkauf und was letztlich eine neue Darstellung und Angebot gegenüber Endkunden betrifft, welches, wie man so hört, ein Highlight der Würzburger Weinszene werden soll.

R.HALLER: Ja, also...

YOOPRESS: ...aber stopp, das ist nun ein neues Thema und das behandeln wir auch extra. Was Robert Haller dazu erläutert, lesen Sie in Teil II - demnächst hier...