Trinken, kochen, essen: Fisch aller Art, Bigoli, Tortelli – und so viel mehr!

Lugana

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / karandaev

Lugana verkörpert den Norden Italiens, der nach Süden blickt. Die duftende Säurefrische reflektiert die letzten Ausläufer der Alpen am anderen Ende des Sees, deren Gletschern die weissen Moränenböden zu verdanken sind, während das südliche milde Klima der Po-Ebene für runde Mandel- und Zitrusfülle sorgt: willkommen am Gardasee.

Klein und fein − ganze 2000 Hektar und eine einzige Rebsorte, das ergibt am Südufer des Gardasees, des grössten Sees Italiens, fünf teils sehr unterschiedliche DOC-Weissweine, die wiederum von einer Vielfalt von Betrieben und ihrer individuellen Stilistik interpretiert werden. Turbiana ist eine tendenziell spätreifende Spielart des Trebbiano, die sich lange zurückverfolgen lässt. Das von eiszeitlichen Moränen geformte, sich zum See öffnendflache Amphitheater bietet ihr ganz besondere Bedingungen. Dazu kommt die wirtschaftliche Basis: Aus dem einst sumpfigen, unwirtlichen Wald entwickelte sich in der fruchtbaren Ebene ein wahrer Garten, der Venedig mit Getreide, Gemüse, Obst und Zitrusfrüchten versorgte und von den weitreichenden Handelswegen profitierte. Wechselnde Machteinflüsse aus vieler Herren Länder über die Jahrhunderte hinweg sind in Form von heute malerisch wirkenden Burgzinnen sichtbar; die weit zurückreichende Sehnsucht nach diesem Arkadien am Seeufer wird in Form römischer Villen deutlich, wie den sogenannten Grotten des Catull auf der Halbinsel von Sirmione.

Archäologische Funde in nahegelegenen Pfahlbauten belegen, dass Reben hier sicher schon seit der Bronzezeit wachsen. Anfang des 16. Jahrhunderts zeigt sich Isabella d’Este Gonzaga, First Lady der Renaissance, begeistert von den ihr in Sirmione kredenzten Trauben, 1595 wird der lokale Weisswein erstmals urkundlich erwähnt, ein Jahrhundert später kommt aus dem ehemaligen Sumpfgebiet «aussergewöhnlich guter Wein».

Verwaltungstechnisch teilt sich das kleine, feine Gebiet Lugana in vier Gemeinden in der lombardischen Provinz Brescia im Westen und eine im Veneto auf, Peschiera del Garda am östlichen Ende. Dieser Spagat macht sich auch in der Küche bemerkbar, hier trifft die Fülle der Lombardei mit Risotto und Polenta, Mascarpone, Bitto und Bagòss, Bresaola und Salame, Cotechino und Ossobuco auf die Gewohnheiten und Vorlieben des Veneto, vereinen sich Olivenhaine vom Ostufer mit Agaven, Kapernsträuchern und Orangerien des Westufers. Da werden Nudeln wie die dicken langen Bigoli oder Tortelli mit Kürbisfüllung serviert, vor allem aber eine Vielfalt von Fischgerichten, für die das «Süsswassermeer» des Gardasees die Grundlage liefert.

Fisch und Weisswein, das ist Lugana: perfekt für laue, lange Sommernächte, vom ersten Aperitivo-Schluck bis zum letzten, krönenden süssen Gute-Nacht-Kuss aus dem Glas. Touristenweine? Natürlich, weil sie unsere Sehnsucht nach dem Süden stillen, uns im Glas reisen lassen, perfekt in gegenwärtigen Zeiten. Also: kalt stellen, in der Küche werkeln – und schon glitzert der Gardasee vor der eigenen Terrasse.  

Lugana ist aber auch...

Neben Jahrgangs- und Riserva-Lugana gibt es eine dritte DOC für trockene Weine, den Superiore. Diese Weine dürfen frühestens ein Jahr nach der Lese auf den Markt kommen und schlagen somit die Brücke zwischen den eher frischen Jahrgangsweinen und der deutlichen Reife der mindestens 24 Monate gereiften Riservas. Stilistisch ist es eine spannende Kategorie mit viel Innovativem; es werden Trauben zum Teil getrocknet und zum Teil mitvergoren, kommen kleine Holzfässer auch zum Teil ganz neu zum Einsatz, wird der Hefekontakt gezielt genutzt. Die Aromen tendieren in Richtung mürbe gelbe Äpfel, Haselnuss und Gewürze, anstelle der gelben und grünen Zitrusaromen der Jahrgangsweine tritt hier häufig der betörende Duft von Orangenblüten und Mandarinen – und sofort sitzen wir wieder am See.

Wo es neben den stillen Weinen grossartige schäumende zu entdecken gibt! Wie alle Lugana-Weine verdienen sie nicht nur, sondern brauchen förmlich ein ausreichend grosses Glas, um sich ganz entfalten zu können (ausserdem fliessen sie so gut und schnell die Kehle hinunter…). Besonders die nach der klassischen Flaschengärmethode erzeugten Lugana Spumante DOC, meist mit Jahrgang und mit mehreren Jahren Lagerung auf der Hefe, zeigen eine ganz eigene Art, bei der sich röstige Reifearomen mit kandierten gelben und grünen Zitrusfrüchten und geschälten Mandeln verbinden. Das ist perfekter Aperitivo-Stoff, ein Fest für entsprechende besondere Momente, aber auch sehr fein und geeignet zum Essen.

Sehr viel seltener – und als Kategorie jünger – als alle trockenen Weine ist der süsse Lugana DOC, Vendemmia Tardiva, aus Ende Oktober bis Anfang November spät gelesenen Trauben. Hier duftet es nach Honig und Akazienblüten, streichelt die Säure eher, als sie lockt und kitzelt, die Süsse genau richtig als Abschluss, zum letzten Kaffee, die Ruhe des Sonnenuntergangs nach einem langen Tag…