Kochen und Essen zu Weinen aus Galicien

Galicien: Muscheln, Cocido, Empanadas… und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann / Fotos: StockFood / Bernhard Winkelmann 

Von der Meeresbrandung bis zu den tiefen Schluchten, in denen die Reben an steinigen, steilen Hängen wachsen, mit Hinkelsteinen und Kathedralen, Pilgerwegen ins Innere und dem Drang der Fischer hinaus aufs Wasser: Dies ist ein anderes Spanien. Dies ist das grüne Spanien.

Manche nennen es märchenhaft, und aus heutiger Touristensicht muten all die historischen Hin- terlassenschaften vorangegangener Generationen im äussersten Nordwesten der iberischen Halbinsel tatsächlich sehr romantisch an. Rías, die häufig nebelverhangenen, fjordähnlichen Flussmündungen, boten schon in der Steinzeit Fischern und Muschelsammlern Schutz, zogen sie in die bergigen Wälder im Hinterland des Atlantiks. Aus riesigen Granitsteinen aufgeschichtete Dolmen lassen an Asterix, Obelix und Hinkelsteine denken – wussten diese Urgalicier, die Gallaeker, um einen Zaubertrank? Hat der sie auch zu den Felsgravuren inspiriert, den Petroglyphen, die Menschen, Tiere, Labyrinthe zeigen? Die Kelten in der Eisenzeit bauten Castros in ähnlich kreativen Formen – die Hügel überziehend und vielleicht an höhere Kräfte im Himmel gerichtet –, und die Hinkelsteine finden sich auch in den alten Vorratsspeichern, den Hórreos, die wie auf Stelzen balancieren, um die kostbare Ernte im feuchten Klima vor hungrigen Nagetieren zu schützen.

«Ich bin sicher, die qualitativ hochwertige Zukunft des spanischen Wein-
baus liegt im Norden.» 

Heiner Lobenberg,
Weinhändler, Bremen

Die Hórreos stammen meist aus dem 18. Jahrhundert, und da war der Wein als Zaubertrank längst mit den Römern hier in den Norden gekommen und hatte sich in den Klöstern etabliert. Auf dem Camino de Compostela, dem Weg zum heiligen Jakobus im alten, heute wahrhaft kosmopolitisch wirkenden Santiago, wird bis heute so der Durst der Pilger gestillt. Zu Fuss ziehen sie an Mühlen vorbei und über Marktplätze zu Kathedralen, einem reichen Gemisch aus Gotik, Romantik und Barock. Der maurische Einfluss ist hier, anders als im restlichen Spanien, kaum spürbar.

Doch diese Abgelegenheit bedeutete auch Isolation, wirtschaftliche Rückständigkeit und bittere Armut. Im Laufe des 19. Jahrhunderts blieb vielen der Fischer undBauern kein anderer Ausweg als die Ferne; sie zogen nach Porto, Bilbao, Barcelona und Madrid oder – noch gewagter – weit über den Atlantik nach Südamerika, wo in Montevideo und Buenos Aires Spanier bis heute ganz allgemein Gallegos genannt werden, Galicier. Wer diesen Schritt nicht wagte, schlug sich weiter zuhause durch, so gut es ging; bis heute gibt es auffallend viele kleine und mittelständische Unternehmen.

Trotz aller Märchenhaftigkeit: Der Drang in die Städte ist auch in Galicien spürbar. Doch das einst Gewesene ist noch präsent. Neben den Hinkelsteinen haben sich viele der alten Rebsorten erhalten, werden gepflegt und in die Gegenwart eingebettet, so dass sich die Vergangenheit hier mit allen Sinnen erleben lässt. Heute ziehen nur noch wenige fort, sondern viele zurück, zu den Wurzeln.

Wein-Geschichte: Weiss und rot!

Wer Galicien sagt, denkt meist vor allem an die Region Rías Baixas im Südwesten des Gebiets und an Albariño. In der Tat hat diese Sorte die Qualitätsrevolution des galicischen Weins in den 1980ern angeführt. Doch neben dem Albariño gibt es nicht nur sehr spannende andere weisse Sorten wie Treixadura, Loureira, Torrontés, Palomino und vor allem Caiño Blanco und Godello, sondern auch viele rote! Letztere (vor allem Mencía, Caiño Tinto, Sousón, Espadeiro und Brancello) stellen zwar nur etwa 15 Prozent der galicischen Weine dar, können aber von den steilen Schieferhängen in Valdeorras und Monterrei grossartig ausfallen.



Klassische Mariage: Oktopus «Polbo á feira»

Gekochter, mit süssem und scharfem Paprikapulver, Salz und Olivenöl gewürzter Oktopus in mundgerechten Stücken ist klassisches galicisches Streetfood auf Jahrmärkten und Stadtfesten.

Traditionell darf dazu auf keinen Fall Wasser getrunken werden, sondern Rotwein, etwa ein leichter, fruchtiger junger Mencía von den Steilhängen der Ribeira Sacra. Etwas ungewöhnlicher und eleganter gibt sich eine weisse Cuvée aus O Rosal in Rías Baixas; Albariño, Caíño und Loureiro tanzen mit dem Paprikaduft. Eher ausgefallen dann eine hochkonzentrierte rote Mencía-Cuvée von alten Reben in Valdeorras, die den Kraken mit süssen Beerenaromen umgarnt.

Junger leichter Mencía aus Ribeira Sacra erfrischt und belebt

Elegant tanzt eine weisse Albariño- Cuvée aus O Rosal mit der Paprika

Ausgefallen und bestechend umgarnt Mencía aus alten Reben in Valdeorras den Kraken

Neue Mariage: Caesar Salad

Ebenso weit gereist wie die galicischen Auswanderer ist der ursprünglich in Mexiko kreierte Salat mit Knoblauchcroûtons, kräftiger Mayonnaise und Parmesan heute längst ein Kosmopolit auf den Speisekarten, der sich gut mit den galicischen Weinen verträgt.

Reinsortige Treixadura überlässt Knoblauch und Parmesan gut gelaunt die Bühne. Die mineralischen Kräuter- und Zitrusaromen von Godello hingegen treten selbstbewusster auf und tolerieren auch mühelos einige Hähnchenbruststreifen. Wirklich ganz grosses Kino, besonders wenn Anchovis mit ins Salatspiel kommen, ist einer der Spitzen-Albariño aus alten Reben in Rías Baixas.

Treixadura begleitet Knoblauch und Parmesan gut gelaunt

Godello tritt selbstbewusst auf und toleriert auch Hähnchenbruststreifen

Spitzen-Albariño aus alten Reben in Rías Baixas ist ganz grosses Kino

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