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Duftig, aromatisch – Bouquet!

Text: Harald Scholl, Fotos: gettyimages/macarosha, z.V.g.

Trotz der Liebe des Deutschen zu Ordnung und Systematik: Es gibt keine genaue Definition für die Gruppe der Bouquetrebsorten. Und das fängt bei der Frage, ob es «Bouquet» oder «Bukett» heißt, an. So oder so: In den letzten Jahren erlebten die aromatischen Rebsorten hierzulande und auch international eine kleine Renaissance.

Nur bei wenigen anderen Rebsorten oder Weinstilen lässt sich das Auf und Ab im Publikumsinteresse so klar erkennen, wie bei den aromatischen Rebsorten. Wurden Gewürztraminer, Scheurebe und Co. noch vor wenigen Jahren als ältlich oder bieder gebrandmarkt, sind sie im Zuge der Fusionsküche zu hochaktuellen und gesuchten Partnern bei Tisch geworden. Vor allem jüngere Weinfreunde schätzen das intensive Aroma dieser Weine, gepaart mit der angenehm frischen Fruchtsäure und dezenter Süße, sind sie in vielen Fällen die kongenialen Begleiter zur modernen Küche mit ihren vielen Aromen und Texturen. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich auf diese Sorten einlässt und ihnen eine Chance gibt. Versuchen Sie einfach mal einen Gewürztraminer zum nächsten indischen Curry oder geben Sie einem Sauvignon Blanc die Gelegenheit, bei einem Ziegenkäse zu glänzen. Es könnte der Beginn einer großen Weinfreundschaft werden.

Die aromatischen Vier

Von der Anbaufläche her betrachtet, sind Bouquetsorten keine wirkliche Größe, deutschlandweit sind etwa 3500 Hektar mit den vier wichtigsten Vertretern bestockt, also gerade mal drei Prozent. Dennoch lohnt der Blick auf die aromatischen Vier.

Die wichtigste deutsche Bouquetsorte dürfte die Scheurebe sein. Im Jahr 1916 vom Rebenzüchter Georg Scheu (daher der Name) aus der Kreuzung von Riesling und Bouquettraube gezüchtet. Das Bouquet erinnert meist an Schwarze Johannisbeeren, dazu kommen exotische Früchte wie Maracuja oder Mango. Scheurebe wird in allen Formen ausgebaut, sowohl trocken, halbtrocken beziehungsweise feinherb, edelsüß wie auch als Sekte ist Scheurebe erhältlich. Vor allem die süßen Varianten zeichnen sich durch Lagerfähigkeit und große Finesse aus. Weine aus der Scheurebe sind enorm wandlungsfähig, die leichten Kabinettweine sind ideal für den täglichen Schoppen, trockene bis halbtrockene Weine sind perfekte Begleiter zur aromatisch-würzigen Küche Asiens. Und die edelsüßen Auslesen, Beeren- und Trockenbeerenauslesen passen ausgezeichnet zu fruchtigen Desserts oder sind als Begleitung zu sehr kräftigem Käse eine Entdeckung.

Relativ neu unter den deutschen Bouquet-sorten ist die ursprünglich aus Frankreich, wo sie schon 1710 erstmals urkundlich erwähnt wurde, stammende Sauvignon Blanc. Sie hat in den letzten Jahrzehnten einen Siegeszug rund um den Globus angetreten. Ohne Übertreibung kann man hier von einem Shootingstar sprechen, die Rebfläche wächst dynamisch, auch in Württemberg. Gerade unter jüngeren Weintrinkern ist Sauvignon Blanc ein regelrechter Hype. Das eindeutigste Merkmal des Sauvignon Blanc ist sein kräftiges Aroma. Frisch gemähtes Gras, grüne Paprika, Kräuter, Stachelbeeren und Kiwi sind ganz typische Geschmacksmerkmale. Er wird überwiegend trocken ausgebaut und passt dann hervorragend zu Spargel, Fisch, Meeresfrüchten oder auch zu Pasta mit Sahnesaucen. Oder natürlich zu frischem und gereiftem Ziegenkäse, wie in Frankreich üblich.

Gewürztraminer: eine jahrhundertealte Geschichte

Vom Newcomer aus Frankreich zum deutschen Denkmal: Gewürztraminer hat in Deutschland eine jahrhundertealte Geschichte, in Rhodt in der Pfalz steht ein sortenreiner, etwa 400 Jahre alter Gewürztraminer-Weinberg. Schon im 16. Jahrhundert wurde eine Anbauempfehlung für diese Rebsorte ausgesprochen. Gerade sie hat in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren, die Rebflächen wachsen wieder. Gewürztraminer macht nie ein Geheimnis um sich, er ist wie nur wenige Rebsorten sofort am Duft zu erkennen. Der markante Rosenduft ist typisch, manchmal entsteigt dem Glas auch ein Duft von Veilchen, Honig oder Marzipan. Dieses hocharomatische Bouquet macht Gewürztraminer zu der Sorte für Liebhaber aromatischer Weine – und anspruchsvoller Speisekombinationen. Trocken bis halbtrocken ausgebaut ist er unwiderstehlich zur asiatischen Küche, Wildpasteten, und würzig-aromatische Ragouts profitieren von seiner kraftvollen Würze. Als edelsüßer Wein kann er Desserts mit Schokolade und Marzipan wirkungsvoll unterstützen. Und die Verbindung von Gewürztraminer und Munsterkäse oder Blauschimmelkäse darf getrost als kulturelles Erbe unserer französischen Nachbarn gesehen werden.

Noch länger daheim in deutschen Weinbergen dürfte nur der Muskateller sein. Er zählt zu den ältesten Weißweinsorten überhaupt, wahrscheinlich stammt er ursprünglich aus Kleinasien und ist über das Mittelmeer in unsere Breiten gelangt. Mehr als 200 Spielarten dieser Rebsorte sind weltweit bekannt, hierzulande ist der Gelbe Muskateller die Nummer 1. Aber auch andere Spielarten wie der Rote Muskateller, Goldmuskateller oder Rosenmuskateller sind zu finden. Geschmacklich ist vor allem das typische Muskataroma prägend, von dem auch der Name abgeleitet wurde. Aber das Spektrum der Aromen ist weit vielfältiger, von Holunderblüten bis hin zu exotischen Früchten finden sich viele prägende Düfte. Was ihn weiter auszeichnet, ist die deutliche Fruchtsäure, die ihn auch edelsüß ausgebaut immer noch frisch schmecken lässt. Ähnlich wie der Gewürztraminer passt er besonders gut zur asiatischen und indischen Küche und natürlich zu würzigen Käsesorten.

Ganz gleich für welchen der vier aromatischen Vertreter Sie sich entscheiden: Eigenständiger Genuss ist in allen Fällen garantiert. Und vor allem, wenn im Frühjahr die aromatischen Düfte aus dem Garten die Nase und den Gaumen kitzeln, sollte man unbedingt mal wieder eine Bouquetsorte ins Glas füllen.

Blindverkostung

Auch im Frühjahr 2021 stand die Verkostung für diese Ausgabe der «Wein Heimat» unter dem Einfluss der Lockdown-Maßnahmen. Gar nicht so einfach, die ehernen Regeln der Verkostung einzuhalten. Dennoch: Es wurden wie schon immer üblich in der «Wein Heimat» alle Weine blind verkostet – das heißt ohne Sichtbarkeit der Etiketten für die Verkoster –, Regeln, die wir auf keinen Fall brechen. Die Unabhängigkeit des Urteils in den Weinbeschreibungen ist uns wichtig. Trotzdem war ein gemeinsames Verkosten vor Ort in einem Restaurant oder Getränkemarkt auch diesmal ausgeschlossen. Deshalb wurde folgendes Prozedere ausgedacht:

Alle Weine wurden in großen Paketen per Versand an die Privatadresse der Verkoster geschickt. Dort wurden die Weine kontrolliert, die Verkostungslisten abgeglichen, nach Geschmacksrichtungen sortiert und alle Flaschen anonymisiert. Schwarze Kunststofftüten, wie sie von der Schweizer Sommelierunion für Verkostungen vorgeschrieben sind, absolut blickdicht und über die Manschette der Flasche hinausgehend, kamen zum Einsatz. Alle 45 Weine wurden in solche Tüten gesteckt. Jetzt kamen die Lebenspartner oder Mitbewohner zum Einsatz: Sie öffneten jede Flasche und brachten die verhüllten Weine an den Arbeitsplatz der Verkoster. Dort wurden die Weine wie gewohnt verkostet und nach dem Schreiben der Verkostungsnotiz enthüllt. Bei besonders interessanten Weinen tauschten sich die Verkoster im Nachgang per Telefon aus, so kam ein einheitliches Urteil zustande. Ein aufwändiges Verfahren, aber so glauben wir, die Objektivität gegenüber allen Weinen gewahrt zu haben. Trotzdem freuen sich alle Verkoster darauf, beim nächsten Mal wieder gemeinsam an den Tischen und Weinen zu stehen, um zu Probieren. Denn ehrlich gesagt: Mit den Kollegen zusammen macht es schon deutlich mehr Spaß.