Tourismus & Reisen

Württemberg - ein Wintermärchen

Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: Benjamin Stollenberg, Jana Kay, Illustration: gettyimages / Greens87, Grafik-Design-Hauck, Stadler Medien Service, z.V.g.

Allzu schnell rauscht das Jahr dem Ende entgegen. Kaum hat man sich an bräunende Sonne und Barbecue im Garten gewöhnt, segeln die Herbstblätter zu Boden. Danach werden die Tage noch kürzer und die Abende umso länger. Die Winter im Ländle lassen sich allerdings auf das Vortrefflichste versüßen …

Wedelnd die Pisten der Schwäbischen Alb hinab, Kutschfahrten vorbei an den schneebedeckten Spitzenlagen der württembergischen Weinberge und Schlittschuhfahren auf dem zugefrorenen See Monrepos. Klingt nach jeder Menge Gaudi in der kalten Jahreszeit. Zu unsicher jedoch die Wetterlage in den letzten Wintern, so dass warme Temperaturen die von Schnee und Eis abhängigen Vergnügen  Schlittenfahrt, Eis-Angeln oder gar Snowboarden im Ländle platzen lassen könnten.

Also her mit Plan B. In Ludwigsburg, Heilbronn und Stuttgart haben wir nach winterkompatiblen Tourismusattraktionen geforscht. Draußen wie drinnen. Jeder dieser Spots spielt mit seinem eigenen Charme. Ludwigsburg, eine Kulturstadt, hält einiges für seine Wintertouristen bereit. Neben prachtvollen Schlössern und hochrangiger Kulinarik-Szene birgt die City weitere Schätze: vom Filmfestival über Erlebnisführungen bis hin zu einem der schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands.

Stuttgart ist ob seines Mixes aus Gastronomie, Sehenswürdigkeiten und Events ebenso unabhängig von weißer Pracht, um Stadtpilger in der kalten Saison zu bespaßen. Coole Boutique-Hotels, Bars mit den erlesensten Gins der Welt, Restaurants hinter antiken Mauern mit stilisierter lokaler Kost, Weinbaumuseum und eigene Rebhänge könnten einen wochenlangen Urlaub füllen. Schließlich Heilbronn: Nicht nur für seine Gewächse ist das Kleinod am Neckar beliebt– es geizt genauso wenig mit kulturellen und kulinarischen Reizen. Ein überbordendes Angebot an allem, das Kurztrip-Touristen den Glanz in die Augen treibt, wartet also auch hier. Fazit: Statt unterm Sonnenschirm am Strand von Malle können Sie den Winter auch in württembergischen Mini-Eldorados verkürzen.

Tipp 1

Fressa ond sauffa

Neben Berlin oder Hamburg zählt die schwäbische Metropole mit zu den aufregendsten Spots des Landes. Größen wie der Maler Otto Dix, die Mode-Ikone Hugo Boss oder die Hip-Hop-Band Fanta 4 kommen aus dem «Größten Dorf im Neckartal». Viele Ecken könnten ebenso Trendviertel mitten in Wien sein. Wir treten aus dem Hauptbahnhof, und der erste Blick fällt auf die umliegenden Weinberge. Auf denen wächst nicht nur Trollinger, sondern wachsen auch internationale Sorten von Chardonnay bis Pinot Noir. So führt unser erster Weg erstmal in die «Weinstube Fröhlich», ein stimmungsgeladenes Altstadtlokal, wo wir den besten Roschdbroda ever zu einem Pinot Noir erster Güte goutieren und uns auf das morgige Programm vorbereiten: die legendäre Stuttgarter Markthalle in einem unter Denkmalschutz stehenden 3800 Quadratmeter großen Jugendstilgebäude. Ein Augenschmaus, nicht nur die Architektur, sondern auch die Stände – rund 35 an der Zahl –, auf denen sich Delikatessen aller Herren Länder stapeln, vom Bio-Gemüse über exotische Gewürze, Trüffeln und Serrano-Schinken bis zum geräucherten Wildlachs. Während draußen nasskühler Wind um das Alte Schloss und die Stiftskirche wirbelt, sitzen wir nach dem Food-Shopping an der Tapasbar auf der zweiten Ebene und betrachten das Treiben im Genusstempel von oben.

Stuttgart hat für Übernachtungstouristen oder Tagesausflügler, die Wintertage in prickelnder Atmosphäre verbringen wollen, noch sehr viel mehr in der Wundertüte: Gin-Bars wie das «Botanical Affairs» mit 150 Sorten aus der ganzen Welt. Das Mercedes-Benz-Museum, ein purer Thrill für PS-Maniacs, 2000 Jahre Weinbaugeschichte des mittleren Neckarraums im Weinbaumuseum und vor allem: Vinotheken mit lokalen Gewächsen ohne Ende.


Der passende Wein
Weinmanufaktur Untertürkheim

2018 Cabernet Franc

13,5 Vol.-%

Was für ein Traumpartner für das traditionellste aller Weihnachtsessen! Zum Christkindlgeflügel «ofenfrische Ente mit Knusperhaut» erwiesen sich Brombeer- und Kakaonoten im 2018er als Perfect Match. Bereits im Duft spielten rauchige Beerennoten und Kräuterwürze Pingpong mit der mit Majoran gewürzten Ente. Samtiges Mundgefühl, lang anhaltendes Finale.

Preis: 20,01 Euro | www.weinmanufaktur.de

 

Tipp 2

Schlösser, Schlemmen und ein Weihnachtsmarkt de luxe

Romantiker könnten sich vom 24. November bis zum 22. Dezember auf einem der schönsten Christkindl-Märkte des Landes wiederfinden. Der Ludwigsburger Barock-Weihnachtsmarkt ließ uns voriges Jahr den Atem stocken, denn der Marktplatz wurde in leuchtendes Gold getaucht. Ein Duftfaden aus Glühwein und Lebkuchen zog sich durch die Luft. Rund 180 Standbesitzer handelten mit mundgeblasenem Glas, Maroni oder antikem Christbaum-Schmuck. Über die breiten Gänge verteilten sich Gospelchöre, Zauberer und Klänge von Swing. Den Namen hat das Weihnachtsdorf von den Strukturen seines barocken Vorbilds. Ein Adventsbummel, der sich ins Gedächtnis brennt wie eine Weihnachtskerze.

Die nächste Station heißt Residenzschloss. Auch hier bläst barocker Wind. Rokoko und Klassizismus prägen die Schlossarchitektur ebenfalls. Die unterschiedlichen Stilepochen von verspielt bis schnörkellos in Hauptbau, Pavillons und Galerien fallen ins Auge. Allein der Rundgang durch die Prunkräume der Sommerresidenz des ersten württembergischen Königs könnte einen ganzen Tag verschlingen. Aber so viel anderes steht noch auf dem Programm, auch in Sachen Wein. Schließlich gehörten zum Schlossbesitz beträchtliche Weinbergflächen, die bis heute zu den besten Lagen der Region zählen. Besichtigungen führen nicht nur in die herrschaftliche Küche mit Warmhalte-Öfen und versteckten Versorgungsgängen, sondern bis in den tiefen Fasskeller.

Hunger macht sich breit, so steuern wir eine Genussadresse an: Die Weinstube Klingel lockt mit regionstypischen Delikatessen. Zwischen Ochsenmaul-Salat und geschmälzten Maultaschen von der Landmetzgerei gönnen wir uns einen Trollinger der Winzergenossenschaft Mundelsheim. Einen besseren Abschluss der winterlichen Tour hätte man sich kaum geben können.


Der passende Wein
Weingärtner Marbach

Tell – der Lemberger

14 Vol.-%

Er glänzt wie eine Weihnachtskugel und duftet wie ein Kräuterbeet. Nach einer Weile wird die Duftpalette von Brombeere und Eukalyptus ergänzt. Samtige Oberfläche. Zu dem Geflügelsalat mit gehobeltem Parmesan erwiesen sich die Pfeffer- und Paprikanoten im Lemberger als würzende Ergänzung. Der Barriquegereifte harmonierte auch herrlich zu Käsefondue.

Preis: 21,45 Euro | www.weingaertner-marbach.de

 

Tipp 3

Eine Stadt aus Wein und Kunst

Kaum ein Württemberger, dem die «Wein Villa» nichts sagt. Hier, im Heilbronner Refugium von 15 Wengertern, bleibt kein Zünglein trocken. Vom Sauvignon Blanc bis zum Merlot findet man hinter historischen Mauern Gewächse, die in der Vinothek gekauft oder in der stilvoll ausgekleideten Gaststube mit Nierchen in Mostessigsößle oder Schwabasiatischem Lammcurry kombiniert werden können. Unsere erste Zieladresse nach gelungenem Lunch heißt experimenta – auf der Insel am Neckaruferpark. Zugegeben, kein Geheimtipp, aber eine kleine Sünde wäre, würden wir diese architektonische Schönheit links liegen lassen. Drinnen eine 700 Quadratmeter große Kuppel, die sich über einen Hightech-Erlebnisraum spannt, wo bis zu 150Zuschauer visuell durch fantastische Welten reisen, nebenan eine Sternwarte, wo sich das Universum via Teleskop einsaugen lässt. Insgesamt ein Epizentrum für Futuristen. Um die Metropole des Unterlandes von oben zu betrachten, steigen wir später auf die Aussichtsplattform der Kilianskirche. Der gotische Prachtbau birgt unter anderem den weltberühmten Hauptaltar von Hans Seyfer, den er 1498 kunstvoll schnitzte, sowie 19 gotische Fenstertafeln, die bei Sonnenlicht herrliche Farbspiele in die heiligen Hallen zaubern. Aus rund 50 Metern Höhe betrachten wir vom Kirchturm aus legogroß wirkende Wahrzeichen der Stadt: die astronomische Uhr am Rathaus, den Götzenturm, wo Götz von Berlichingen eine Nacht im Kerker verbrachte, und das bunte Markttreiben auf dem Kiliansplatz, auf dem voraussichtlich der jährliche Weihnachtmarkt feierliche Stimmung verströmen wird. Als Finish gönnen wir uns das bikiniARTmuseum in Bad Rappenau, etwas für warme Gedanken in der kalten Jahreszeit. In dem weltweit ersten Museum für Bademode und -kultur finden neben Ausstellungen jedes Wochenende Events mit DJ und Drinks statt.


Der passende Wein
Genossenschaftskellerei Heilbronn

Grantschen Barrique Blanc
Weißburgunder 2018

13 Vol.-%

In der besinnlichen Zeit muss es nicht immer ein schwerer Roter sein. Dieser im Barrique gereifte Weißburgunder gibt im Duft Pfirsich und etwas Rauch frei, den Gaumen nimmt er mit samtiger Kräuterwürze in Besitz. Funktioniert zu etlichen Gerichten beim Christmas-Dinner: Sein Extrakt hält dem geräucherten Lachs ebenso stand wie der gefüllten Weihnachtsgans.

Preis: 8,90 Euro | www.wg-heilbronn.de