Walenstadt

Die Grünen von der Riviera

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Hans-Peter Siffert

Gleich drei Winzerfamilien aus Walenstadt waren am diesjährigen Bioweinpreis von VINUM und Bio Suisse erfolgreich. Über 60 Prozent der Rebberge am östlichen Zipfel des Walensees werden bereits kontrolliert biologisch bewirtschaftet. Und im Städtchen selber bringen heute drei Winzer ausschliesslich Bioweine in die Flaschen. Damit ist Walenstadt das erste Biowein-Städtchen der Schweiz!

Mit der bezaubernden Saphira am tiefblauen Walensee zu sitzen, ist einfach fantastisch. Vor allem an jenen Tagen, wo das Wasser zwischen Türkis und Cyanblau leuchtet. Auf der anderen Seeseite schimmern saftig grüne Voralpenwiesen. Und dahinter graublau die Berge. Es sind Farbvariationen, die an Tahiti oder Neuseeland erinnern. Und wenn man sich umdreht, wird es noch spektakulärer. Mehr als 1000 Meter ragen die Steilwände der Churfirsten senkrecht in den blauen Himmel… «Vor uns die Südsee, hinter uns Machu Picchu», beschreiben die Winzer die Szenerie, in der ihre beeindruckenden Bio-Crus reifen. Zum Beispiel eben besagte Saphira, ein barriquevergorener Weisswein aus der gleichnamigen pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtung, gekeltert von Bosshart + Grimm. Es ist der weisse Topwein dieses Gutes, der mit seiner Fülle und der saftigen Säure an einen gehaltvollen Chardonnay mit «Neue Welt»-Feeling erinnert. Ein genussvolles Zeichen für den «New Spirit of Walensee». 15 Hektar Reben gibt es gesamthaft in Walenstadt, zehn davon werden heute schon kontrolliert biologisch bewirtschaftet. Und noch eindrücklicher: Alle Weine, welche die drei in Walenstadt beheimateten Kellereien vinifizieren und abfüllen, sind Biogewächse. Bruno Bosshart und Marco Casanova, die Vorreiter dieser Entwicklung, sehen gute Chancen, dass hier mittelfristig alle Rebberge biologisch bewirtschaftet werden. Der Aufstieg des 5500-Einwohner-Städtchens zur Bioweinmetropole überrascht. Das Klima ist zwar ähnlich, aber nicht ganz so warm wie in der Bündner Herrschaft, die Niederschlagsmenge mit 1400 Millimetern pro Jahr und Quadratmeter dagegen deutlich höher. Der Mix aus Wärme und Feuchtigkeit erinnert an die Verhältnisse im Tessin und ist ein gefährlicher Nährboden für Fäulnis und Pilzkrankheiten. Und trotzdem bringt der kontrolliert biologische Anbau gerade hier immer mehr Weine mit einem beeindruckenden Qualitätsniveau hervor.

Aufstieg zum Biowein-Mekka

Den Grundstein zum Bio-Weinwunder Walenstadt legte der heute 60-jährige Bruno Bosshart. Der Kunstaktivist wagte 1982 den Absprung aus dem von Jugendunruhen geschüttelten Zürich und «emigrierte» ins autofreie Quinten am nur per Schiff zu erreichenden nordöstlichen Ende des Walensees, wo er einen Hof mit Mutterkuhhaltung gründete. Zum Weinbau kam er durch Zufall, als ihm 1985 eine Rebparzelle zur Bewirtschaftung angeboten wurde. Das war der Beginn eines höchst individuellen und nachhaltigen Weinprojekts, bei dem die betreuungsintensiven klassischen Sorten wie Sauvignon Blanc oder Pinot Noir nahe beim Weingut reifen, während die entfernter gelegenen Parzellen, vor allem jene in Quinten, mit pilzwiderstandsfähigen Sorten bestockt sind. Akribische Rebpflege hier und robuste Reben dort: Topweine bringen Bosshart + Grimm heute mit beiden Bioanbau-Philosophien in die Flaschen. Noch mehr Schwung erhielt die lokale Bioweinszene 2015, als der heute 50-jährige Marco Casanova, der zuvor in der Bündner Herrschaft zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Thomas Mattmann das Weingut Cicero zum Topbetrieb geformt hatte, hierherzog und sein Projekt CasaNova Wein Pur startete, das er heute mit seiner Frau Eleni betreibt. Ihre inzwischen auf fünf Hektar angewachsene Rebfläche bewirtschaften sie biodynamisch nach den Vorgaben von Demeter.

So ist Walenstadt zum Mekka des Bioweinbaus in der Schweiz geworden. Und zum perfekten Reiseziel für alle, die einen konsequent nachhaltigen Anbau in einer spektakulären Seelandschaft erleben möchten. Das warme Klima, in dem Feigen und Kiwis reifen, geniesst man am besten im grosszügigen Strandbad oder auf den Wegen am Seeufer. Ab und zu sieht man Basejumper, die sich vom Hinterrugg in die Tiefe werfen. Mit dem auf Fisch spezialisierten «Seehof» und dem Gourmetlokal «Löwen» gibt es zwei Gasthäuser, in denen man bequem übernachten kann. Wer ein Weinabenteuer in einer spektakulär exotischen Landschaft sucht, muss nicht nach Marlborough in Neuseeland oder nach Stellenbosch in Südafrika fahren. Ein Abstecher nach Walenstadt genügt!

 


CasaNova Wein Pur Walenstadt

Der Biodynamiker

Tahiti oder Walenstadt? Mit Blick auf den türkisfarbenen See und Palmen dynamisiert Marco Casanova seine biodynamischen Präparate. Rund fünf Hektar bewirtschaftet er hier nach strengen Demeter-Richtlinien. Dass seine Lagen, besonders jene in der Seemühle, sehr kalkhaltig sind, beweist die Tatsache, dass dieser Ort früher «Kaliforni» genannt wurde, weil hier Kalk abgebaut und gebrannt wurde. Casanova keltert aus Pinot Noir, Chardonnay und Co. wunderbar geradlinige Weine. Seine Frau Eleni betreibt derweil eine Wein-Beach-Lounge mit mediterranem Touch und selbst zubereiteten Tapas – allerdings nur auf Reservation…


 


Bosshart + Grimm Berschis

Seekinder

Um ihre Reben im autofreien Quinten zu pflegen, muss die Generationengemeinschaft aus Bruno Bosshart mit Sohn Philipp und Romy Grimm mit Sohn Mathias in See stechen. Das neue Arbeitsboot mit Bugklappe macht’s einfacher. Während sie nahe ihrer Kellerei in Walenstadt-Berschis dem konventionellen Pinot mit Bioanbau Erstaunliches abgewinnen, setzen sie in Quinten auf pilzwiderstandsfähige Sorten. Über 40 Piwis haben sie getestet und ihre eigene Wahl getroffen. Aus Saphira, Seyval Blanc, Muscaris (alle weiss) sowie Plantet oder Cabernet Cantor keltern sie heute Weine, die konventionellen Crus ebenbürtig sind.


 


Weingut Calvinza Walenstadt

Pinot-Enthusiasten

Auf dem idyllisch am Fusse der Churfisten gelegenen Bauernhof pfl egen Patron Jürg Steinmann (68) und Albin Vuichard (60) mit Hilfe von Bosshart + Grimm eine fast einen Hektar grosse Weinparzelle kontrolliert biologisch. Beide haben viel gemeinsam. Etwa den Beruf des Elektroingenieurs und ihre absolute Leidenschaft für den Pinot. Aus einem Teil der Trauben keltern sie einen Blanc de Noirs, einen Stahltank-Pinot und ihr Flaggschiff , die Barrique-Selektion. Im winzigen Keller gelingen ihnen Crus, die den Topgewächsen aus der Bündner Herrschaft ebenbürtig sind.


 

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