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Weine vom Duero/Douro

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Polari

Unterschiedliche Terroirs, unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Sorten – und doch wird der spanische Duero, der nach dem Grenzübertritt nach Portugal den Namen Douro annimmt, immer mehr zum vereinenden Weinfluss. Auf seinem Weg von Kastilien-León bis zum Atlantik bringt er grossartige Rotweine hervor, die zwei gegensätzliche Eigenschaften vereinen: Power und Eleganz! Das VINUM-Profipanel beweist aber auch: Die Weine lassen zwar ihre Herkunft, den «D»-Fluss, erkennen, aber immer weniger das Land, in dem sie wachsen. Damit sind sie iberische Ikonen im besten Sinne!

Schon am bestbewerteten Wein dieses durchwegs hochkarätigen Panels, der Grande Reserva 2015 von der Quinta da Sequeira, zeigt sich das schöne Dilemma dieser Verkostung. Die Jury ordnete diesen Wein nämlich klar und deutlich Spanien zu, dabei handelt es sich in Tat und Wahrheit um einen waschechten Portugiesen aus dem Douro-Tal. Und das war kein Einzelfall. Es erwies sich als schlicht unmöglich, die 30 Weine dieses Panels, von denen 15 aus Spanien und 15 aus Portugal stammten, dem richtigen Land zuzuordnen. Dabei hätten gemäss Lehrbuch die Gegensätze klar zu Tage treten müssen.

Zwar ist nicht der Duero/Douro, sondern der Tajo der längste grenzüberschreitende iberische Weinfluss, aber in Bezug auf die Qualität der roten Gewächse, die in seinem Einzugsgebiet reifen, kann es kein anderer Fluss mit dem Duero/Douro aufnehmen. Er ist das Mass aller Dinge. Dabei wird der Fluss in Bezug auf den Wein noch heute nicht als einheitliches Gebilde betrachtet. Das offenbart sich auch dem Reisenden. Wer sich entlang des Flusses der Grenze nähert, egal ob von Pinhão am portugiesischen Douro aus oder von Zamora in Kastilien-León, kommt – je länger, je mehr – in ein fast menschenleeres Niemandsland. Die wichtigsten Weinbauzentren, eben Pinhão am Douro und Aranda del Duero am Duero, liegen 400 Kilometer oder sechs Autofahrstunden voneinander entfernt. So gesehen ist es kein Wunder, dass sich die Winzer nicht als Vertreter eines ganzheitlichen Flusstales sehen. Tatsächlich könnten die Gegensätze kaum grösser sein. Am spanischen Duero ist die Sorte Tempranillo das Mass aller Dinge, die Stöcke wurzeln mehrheitlich in kalkhaltigen Böden in Höhenlagen von 800 bis 1000 Metern über Meer. Am portugiesischen Douro dagegen sind die besten Rotweine in der Regel Assemblagen aus Sorten wie Touriga Nacional, Tinta Roriz (Tempranillo), Tinta Cão, Tinta Francesa und Tinta Barocca. Die Stöcke wurzeln in schieferhaltigen Böden, und Rebbau wird hier höchst variabel zwischen 200 und 900 Metern über Meer betrieben.

Doch in beiden Abschnitten des Flusses gelten die roten Tafelweine heute als die Aushängeschilder schlechthin. Dieses rote Wunder ist noch vergleichbar jung und begann beidseits der Grenze erst in den 80er Jahren. Mit legendären Ausnahmen: Vega Sicilia (ab 1917) und Bodega Tinto Pesquera von Alejandro Fernandez (ab 1972) in der Ribera del Duero, aber auch Barca Velha (ab 1952) am Douro genossen schon bedeutend früher Kultstatus. Jüngere Vorreiter von roten Top-Tafelweinen sind Dirk van der Niepoort (Douro) und Peter Sisseck (Duero). Im Laufe der dynamischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat sich die
Weinstilistik stark verändert. Tendierten die Weine nach der Jahrtausendwende immer mehr zu
verschwenderischer Fülle, wobei die spanischen Crus in der Regel anhand der präsenteren Eichenholzwürze identifiziert werden konnten, so stehen die Zeichen heute überall am Fluss vermehrt auf Eleganz, klare Frucht und animierende Frische. Das Kuriose daran: Je besser die Weine geworden sind, umso schwerer sind sie geografisch einzuordnen. Darum wäre es an der Zeit, den Duero/Douro als einheitlichen Weinkulturraum zu betrachten!

Top-Qualität von alten Reben

Die Annäherung der Rotwein-Stilistik über alle Anbaugebiete am Fluss hinweg ist vor allem auf das stetig gewachsene Knowhow im Winemaking zurückzuführen. Eine junge Generation von Winemakern, international geschult, zieht hier heute alle Register und bringt mehr als in anderen Regionen das in die Flaschen, was die Konsumenten besonders mögen. Als Folge dieser Entwicklung gibt es heute so viele ambitionierte Produzenten, dass es selbst für Szene-Insider zunehmend schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Auffallend viele Weine kommen dabei nach wie vor von alten Anlagen. Kein Wunder, die Bestände von über 80-jährigen Reben belegen noch immer tausende von Hektar. Während die Leitsorte am spanischen Duero, der Tempranillo, auch in Portugal eine Rolle spielt, ist die Douro-Leitsorte, die Touriga Nacional, eine rein portugiesische Domäne geblieben.

Die Jury

Von links nach rechts

Nicole Vaculik Sommelière. Ihr Favorit: Viñas Viejas VdT 2016 von Bodegas Leda in Kastilien-León (E).

Markus Lichtenstein Weinhändler. Sein Favorit: Dominio de Atauta 2016 in Ribera del Duero (E).

Nicole Harreisser Redaktion VINUM. Ihr Favorit: Grande Reserva 2015 von Quinta da Sequeira im Douro (P).

Thomas Vaterlaus Chefredakteur VINUM. Sein Favorit: Crooked Vines Tinto 2015 von Quinta da Faísca im Douro (P).

Alain Kunz Journalist. Sein Favorit: Finca los Hoyales 2015 von Cruz de Alba in Ribera del Duero (E). 

Miguel Zamorano Redaktion VINUM. Sein Favorit: Viñas Viejas VdT 2016 von Bodegas Leda in Kastilien-León (E).

Sergio Garcia Weinhändler. Sein Favorit: Reserva Montecrasto 2014 von Bodegas Montecrasto in Ribera del Duero (E).

Matthew Bywater Weinhändler. Sein Favorit: Grande Reserva 2015 von Quinta da Sequeira im Douro (P).

Ivan BarbicMW Weinhändler. Sein Favorit: Finca los Hoyales 2015 von Cruz de Alba in Ribera del Duero (E).

Beat Caduff Gastronom und Weinhändler. Sein Favorit: Dominio de Atauta 2016 in Ribera del Duero (E).

Paul Liversedge MW Weinhändler. Sein Favorit: Meandro Quinta do Vale Meão 2017 im Douro (P).


«Das qualitative Niveau dieses Panels war durchweg hoch. Vor allem die Ribera-del-Duero-Crus beweisen, dass sie mit dem Tempranillo über eine bestens an das Terroir angepasste Leitsorte verfügen. Fast alle verkosteten Weine, egal ob aus Spanien oder aus Portugal, zeigten gute Frucht, tolle Extraktion, aber auch guten Trinkfluss. In Einzelfällen wäre noch immer etwas weniger Holz und weniger Extrakt wünschenswert.»

Markus Lichtenstein Weinhändler, Zürich


 

«Eine beeindruckende Verkostung. Ich habe deutlich mehr hohe Bewertungen von 17 und mehr Punkten gegeben als bei anderen Panels. Viele Weine überzeugten mit Macht, Eleganz, Opulenz und Lebendigkeit. Die Herkunft war generell schwer zu bestimmen. Nach meiner Erfahrung zeigen die Crus aus sehr alten, gemischt bepflanzten Terrassen-Rebbergen am portugiesischen Douro vielleicht eine Nuance mehr Komplexität.»

Paul Liversedge MW Weinhändler, Zürich


 

«Da Rotweine vom Duero und Douro heute nicht mehr billig sind, konnte ein hohes Niveau erwartet werden. Und diese Erwartung wurde auch voll und ganz erfüllt. Selbst einfachere Weine mit wenig Holzausbau bereiten viel Trinkvergnügen. Die Unterschiede zwischen Douro und Duero zeigen sich am ehesten im Säuregehalt, der bei den von der Sorte Touriga Nacional dominierten Portugiesen meist eine Spur höher ist.»

Ivan Barbic MW Weinhändler, Zürich


 

«Diese Rotweine von Duero und Douro beeindrucken heute sowohl Fachleute als auch Konsumenten. Bei den Geniessern kamen sie mit ihrer Fruchtfülle schon immer gut an. Jetzt, wo die Gewächse zusehends mehr Eleganz als Opulenz zeigen, überzeugen sie auch die Profis. Wer zum Abendessen einen Duero- oder Douro-Cru entkorkt, kann nichts falsch machen. Sogar im Sommer, wenn die Flaschen vorgekühlt worden sind.»

Beat Caduff Weinhändler und Gastronom, Zürich


 

«Ob sie nun vom Duero oder vom Douro stammen, ist kaum zu eruieren, doch das macht nichts, denn am ganzen Fluss wachsen heute Weine, die trotz Power und hohem Alkoholgehalt sehr trinkig wirken. Und wenn gut eingesetzt, bringt auch das Eichenholz eine zusätzliche Dimension. Ja, ein bisschen ‹Roble› steht diesen Weinen einfach sehr gut. Es wäre fast schon schade, wenn es die Winzer zu stark eliminieren...»

Nicole Vaculik Sommelière, Meersburg


 

«Exzellente Weine, die in den letzten Jahren gezielt perfektioniert worden sind, so dass sie heute südliche Fülle und Lebendigkeit in sich vereinen. Die homogen hohe Qualität überrascht, wenn man sich die grossen Unterschiede in diesem Flusstal vergegenwärtigt, wo Weinbau zwischen 200 Metern über Meer im portugiesischen Cima Corgo und Höhenlagen von 1000 Metern in Ribera del Duero betrieben wird.»

Matthew Bywater Weinhändler, Zürich


 

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