Die Renaissance des grossen Holzfasses

AUSSER RAND UND BAND

Text: Benjamin Herzog, Fotos: Marlies Thurnheer, Küferei Thurnheer

  • Produktion eines Grossfasses (6000 Liter) bei der Küferei Thurnheer in Berneck in der Ostschweiz.

Die Handwerkskunst der hiesigen Fassmacher ist bei den Winzern wieder gefragt. Stückfass und Fuder sind drauf und dran, Barrique und Stahltank den Rang abzulaufen. Das grosse Holzfass kehrt zurück.

 

Als Roman Niewodniczanski Ende 1999 auf das Weingut van Volxem kam, war grosses Holz verpönt. Unhygienisch seien hölzerne Fuderfässer, eine Gefahr für Wein und Gesundheit. Die sauberen Stahltanks galten als State of the Art. Roman Niewodniczanski war das egal, und er setzte auf die Vinifikation und den Ausbau in grossen Eichenfässern, so wie sie an der Mosel schon vor Jahrhunderten verwendet wurden. Niewodniczanski traf mit seinem Weinstil den Nerv der Zeit: Seine Gewächse sind jeweils innerhalb von Wochen ausverkauft, und das wird die nächsten Jahre wohl auch so bleiben. «Noch vor 20 Jahren hätte man meine Weine nicht verkaufen können», sagt er nüchtern. «Heute suchen die Leute förmlich nach dieser Art Riesling.» Das grosse Holzfass scheint dabei eine zentrale Aufgabe zu erfüllen, arbeiten doch die derzeit erfolgreichsten Rieslingproduzenten Deutschlands damit: Markus Molitor verwendet grosses Holz, genauso das Weingut von Winning, Philipp Wittmann und viele andere auch.

Keller mit riesigen Holzfudern findet man in den meisten traditionellen Weinbaugebieten, nicht nur in Deutschland. Die Chianti in der Toskana reifen darin, ebenso die Barolo im Piemont. Verschiedene grosse Fasstypen findet man auch im Elsass, in der österreichischen Wachau oder dem schweizerischen Waadtland. Nur um einige Beispiele zu nennen. Doch warum haben wir das Gefühl, dass es sich beim grossen Holz um etwas Neues handelt, wenn es diese Fässer doch schon seit Jahrhunderten gibt? Es ist noch nicht sehr lange her, als die grossen, mächtigen Eichenholzgebinde aus unseren Kellern zu verschwinden begannen. In den 1970er und 80er Jahren veränderte sich der Weingeschmack der Konsumenten: Fruchtbetonte Gewächse, die jung genossen werden, wurden immer gefragter. Die Keller wurden modernisiert, und neue Technologien hielten Einzug. Damit traten auch zwei neue Gebinde ihren Siegeszug an: Der Stahltank und die Barrique verdrängten das grosse Holzfass von seinem angestammten Platz.

Jedes Gebinde hat seine Berechtigung

Franz Stockinger ist Fassmacher in Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich. Er beliefert einige der bekanntesten Weinproduzenten der Welt, seine Fässer geniessen so etwas wie Kultstatus. «Die jungen Winzer von heute nähern sich den alten Methoden und Weinstilen wieder an. Viele streben nicht mehr nach üppiger Frucht oder Holzaroma, sondern vor allem nach Trinkigkeit und Eleganz.» Und dafür scheinen nicht nur die Techniken der Väter, sondern auch die der Grossväter interessant zu sein. «Jedes Gebinde hat seine Berechtigung, ob Fuder, Barrique oder Stahltank», relativiert er den Hype um die Fuderfässer. «Es ist wohl schon heute so, dass nicht alle Weine, die in einem grossen Holzfass liegen, auch dafür geeignet sind.» Franz Stockinger ist konsequenter Qualitätsfanatiker, darauf fusst wohl auch sein Erfolg. Seine Fuder bestellen kann man nicht einfach so. Er will seine Kunden persönlich kennen.

Roman Niewodniczanski hat bei Franz Stockinger heimisches Eichenholz für gut 80 neue Doppelfuderfässer liegen. Dieses trocknet dort unter freiem Himmel, ist Wind, Sonne und Regen ausgesetzt. Ganze fünf Jahre lang. «Ich freue mich wie ein kleines Kind auf diese Fässer», sagt Niewodniczanski begeistert. «Diese Fuder spielen eine Schlüsselrolle bei der Produktion unserer Weine.» Die Rieslinge von van Volxem stammen aus Anlagen mit alten Klonen, die mit ihren eigenen Wurzeln auf Schieferböden stehen. Sie werden im Fuder spontan vergoren, nicht geschönt oder sonst wie manipuliert. Das Konzept verkörpert pure Tradition.

Wie schmeckt grosses Holz?

Doch was macht einen Wein aus dem grossen Holzfass eigentlich so speziell, was unterscheidet ihn von anderen Weinen? Lucas Pichler, der Sohn der Wachauer Winzerlegende F.X. Pichler, setzt in seinem Betrieb auf die Kombination von modernen und klassischen Methoden. So werden seine legendären Smaragd-Weine im Stahltank vergoren und anschliessend auf der Feinhefe in bis zu 80-jährigen Eichenfässern ausgebaut. «Die Weine werden dadurch ruhiger», erklärt er. «Sie verlieren einen Teil ihrer Primärfrucht und Spritzigkeit, gewinnen dafür an Ausgewogenheit und Harmonie.» Franz Stockinger erklärt: «Edelstahl lässt einen Wein, wie er ist, ein Holzfass verleiht ihm eine zusätzliche Dimension.» Weine, die in einem grossen Holzfass liegen, profitieren technisch gesehen vor allem von der Mikrooxigenation, also dem langsamen, kontinuierlichen Lufteinfluss durch die feinen Poren im Eichenholz. Während ein Wein im Stahltank sich also nicht gross verändern kann, entwickelt sich ein Wein im Holzfass stetig weiter. Die Prozesse sind denen in einem kleinen Holzfass zwar ähnlich, laufen prinzipiell aber langsamer ab. Gute Weine gewinnen im grossen Holz an Länge und vor allem an Lagerfähigkeit. Ein grosses Holzfass kann einen grossen Wein noch grösser machen. «Holzaromen spielen dabei keine Rolle», sagt Roman Niewodniczanski. Ganz im Gegenteil: Viele Produzenten verwenden die grossen Holzfässer erst nach mehrmaliger Befüllung mit Wasser oder nach dem Ausbau einfacherer Weine, bevor sie diese mit ihren besten Weinen befüllen. Die Anschaffung von grossem Holz ist ein Generationenprojekt, die Fässer halten bei guter Pflege Jahrzehnte.

«Ich freue mich wie ein kleines Kind auf meine Stockinger-Fässer. Die Fuder spielen eine Schlüsselrolle bei der Produktion unserer Weine.»

Roman Niewodniczanski, Weingut van Volxem, D-Wiltingen, Saar

Bei all der Begeisterung für das grosse Holzfass in Mitteleuropa ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Fuderfass längst andere Erdteile erreicht hat. Das Weingut De Martino in Isla de Maipo, südlich von Santiago de Chile, hat 2010 europäische Holzfuder der Marke Stockinger angeschafft. Winemaker Marcelo Retamal baut heute alle Lagenweine in Fudern statt wie bisher in Barriques aus. Er will damit weniger üppige, dafür elegantere Weine erzielen. 1996 exportierte De Martino als erstes chilenisches Gut einen Wein aus der Sorte Carmenère und begründete damit einen wahren Boom im eigenen Land. Ob es mit der kürzlich vollzogenen Ausfuhr der ersten Fuderweine Ähnliches bewirken wird?

Grosse Weine aus grossem Holz

Das grosse Holzfass prägt klassische wie auch moderne Gewächse. Vier Weinempfehlungen, welche die Wirkung des grossen Holzfasses erlebbar machen.

 

Alto de Piedras Carmenère 2011, De Martino, Isla de Maipo, Chile

Seit dem Jahrgang 2011 werden alle Einzellagenweine von De Martino in Stockinger-Fudern ausgebaut. Dieses Gewächs stammt aus der ältesten Carmenère-Anlage Chiles. Ein komplexer, noch sehr reduktiver und jung wirkender Rotwein mit Aromen von gegrillten Pimientos, Waldbeeren und Graphit. Am Gaumen ist er unglaublich elegant und harmonisch, saftig und mundfüllend zugleich. Endet lang auf Aromen von Hibiskusblüten.

Preis ca. 38.20 Franken

www.vinexus.ch

 

Barolo Monfortino Riserva 2001, Giacomo Conterno,Piemont, Italien

Die legendären Weine der Familie Conterno kommen traditionell aus grossem Holz. Richtig grossem Holz. Die Fässer, die Conternos für ihre Baroli verwenden, fassen bis zu 100 Hektoliter. Die Qualitätsspitze – der Monfortino Riserva – liegt circa 30 Tage auf der Maische, die Lagerung im Holzfass nimmt volle vier Jahre in Anspruch. Der Wein zeigt eine unerhörte Dichte von Aromen und dank der langen Zeit im Holz eine unglaublich feine Tanninstruktur.

Preis ca. 480 Franken

www.bauraulacwein.ch

 

Dézaley Médinette 2011, Louis Bovard, Waadt, Schweiz

Von der Gärung über den biologischen Säureabbau bis hin zum Ausbau auf der Feinhefe verbringen Bovards Chasselas die ganze Zeit im grossen Holz. Obwohl 2011 ein warmes Jahr in der Westschweiz war, gefällt der Wein mit seiner Finesse. Typische Aromen von weissen Blüten, Kräutern, Brotrinde, dazu eine Spur Waldhonig. Im Gaumen ausgewogen, mit viel fruchtbetonter Finesse, Klasse und Schmelz. Die Crus aus dem Dézaley gehören zu den lagerfähigsten Chasselas überhaupt.

Preis ca. 24.50 Franken

 

Scharzhofberger «Pergensknopp» Riesling Grosse Lage 2012, Van Volxem, Saar, Deutschland

Roman Niewodniczanski setzt bei seinen grossen Rieslingen auf Holzfuder – von Gärung bis Ausbau. Der Jahrgang 2012 ist superb: kräftiges Zitronengelb. Stark rauchig geprägte Fruchtintensität und -reife, recht cremige Nase. Zupackend mineralisch am Gaumen, pur und intensiv, sehr lang und komplex, irrsinnig spannend. Ein unverkennbarer Scharzhofberger.

Preis ca. 35 Euro (ausverkauft)

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